Unterwegs auf dem Jakobsweg - Von La Feycelles nach Cahor
Mit dem Fahrrad sind wir unterwegs auf dem Jakobsweg. Die Etappe startet in Figeac (Frankreich) und endet in den Pyreneen in St.-Jean-Pied-Le-Port, dem letzten Ort vor dem Grenzübertritt nach Spanien.
Die erste Tagesetappe beginnen wir am Pfingstmontag in Les Feycelles, sie führt uns durch das Tal des Lots bis nach Cahor.
Unser Auto können wir für 10 – 14 Tage bei Monsieur Lefancais stehen lassen. Er empfiehlt uns, den Höhenrücken vollends zu queren und dann im „Vallée du Lot“ bis nach Cahor zu fahren, „c’est très joli“. Für die kommende Nacht hat er eine Gite-Empfehlung außerhalb von Cahor. In seinem Empfangsbüro hat er verschiedenen Bücher über den Chemin, darunter auch das Verzeichnis mit allen Unterkunfts- und Infrastruktureinrichtungen bis nach St.-Jean-Pied-le-Port in den Pyrenäen, ich bin erleichtert, dass ich das Buch dort kaufen kann, denn es erleichtert doch die Planung der Tagesetappen.
Eine malerische alte Brücke über den Lot verführt uns dazu, auf die linke Uferseite hinüber zu wechseln. Diesen Leichtsinn bezahlen wir in doppelter Hinsicht. Zunächst einmal gelangen wir in ein bergiges Seitental. Einer entgegenkommenden Autofahrerin kommt dies seltsam vor, sie hält an und fragt, wohin uns der Weg führt. „Ah non, nach Cahor, das ist nicht möglich hier… „ Wir müssen umkehren. Eine Stunde später geht’s schon wieder steil bergauf und wir erkennen, dass auf dieser Seite des Lot die Straßen nicht am Ufer entlang sondern über die Berge führen. Während wir schwitzend bergauf strampeln, sehen wir immer wieder auf die rechte Seite des Lot, auf der sich das Tal zu größeren ebenen Flächen weitet, während auf unserer Seite in einer Schleife des Lot bereits die nächste schroffe Felswand senkrecht zum Fluß hinunterfällt.
Glücklicherweise finden wir vor dem nächsten Anstieg bei Cajarc eine Brücke, die uns in die Ebene zurückführt. Leuchtend rote Mohnwiesen wechseln sich ab mit Tabakplantagen. Die fruchtbare Erde ist mit sehr steinig. Doch das erweist sich für den Tabakanbau als Vorteil, die hellen Steine heizen sich in der Sonne auf und speichern die Wärme und so ist schon frühzeitig im Jahr eine Bewirtschaftung möglich. Immer wieder kitzelt uns der würzige und erfrischende Duft der Holunder- und Lindenblüten in der Nase. Auf einem entfernter liegenden Feld stehen fast mannshohe Getreidegarben. Auch in diesen Breiten ist es selbst für die frühe Gerste im Juni noch zu früh zur Ernte und wir rätseln, welches Getreide hier wohl angebaut wird. Weit und Breit ist kein Mensch zu sehen, den wir fragen könnten und auch später zu Hause finde ich keine Antwort auf die Frage.
Ganz plötzlich sind die weiten Flächen zu Ende und wir fahren unter überhängenden Kalksteinwänden durch. In Jahrtausenden hat das Wasser des Lot ganze Sedimentschichten aus dem Stein heraus gewaschen und beim Versickern tiefe Höhlen und Gänge gegraben. Nicht weit entfernt vom Jakobsweg gibt es reich bemalte Höhlen, doch für uns gilt „Der Weg ist das Ziel“ und im Zielkonflikt zwischen dem Forteilen zum Erreichen des Zieles und dem Verweilen an schönen Orten müssen wir immer wieder Kompromisse schließen.
Voll gespannter Erwartung fahren wir den Anstieg nach Cahor hinauf und sind etwas enttäuscht, denn von der einst so wohlhabenden und militärisch wichtigen Stadt am Lot sind nur noch vereinzelte Gebäude erhalten. Natürlich besichtigen wir die Brücke des Teufels und entdecken nach einigem Suchen auch im Kapitel eines Brückenpfeilers die kleine Skulptur des betrogenen Teufels, der immer noch den letzten Stein festhalten muss, bis er eine Lösung finden wird, wie er den bereits abgebundenen und erhärteten Mörtel wieder bindig macht, um so in den Besitz der Seele des listigen Baumeisters zu kommen. Der Bau dieser Brücke über den Lot stand seinerzeit unter keinem günstigen Stern. Der Lot führte mehrfach Hochwasser und die Wassermassen brachten wiederholt die Brücke zum Einsturz. Die verspätete Fertigstellung eines Bauwerkes oder gar sein Einsturz waren für die Baumeister des Mittelalters eine ernste Angelegenheit. Im besten Fall mussten sie das "nur" mit ihrem Leben bezahlen, im ungünstigeren Fall ging ihrem Tod eine Haftstrafe voraus, deren Dauer sich danach bestimmte, wie lange der Häftling die "spezielle Behandlung" überlebte - die Foltermethoden des Mittelalters sind an Grausamkeit kaum zu überbietet.
Vor diesem Hintergrund ist es leicht nachzuvollziehen, dass sich der solchermaßen bedrohte Baumeister auf einen Pakt mit dem Teufel eingelassen hatte. Der Teufel sollte ihm die Brücke bauen, die Seele des Baumeisters aber erst nach der kompletten Fertigstellung des Bauwerkes erhalten. In den Tagen vor Vollendung der Brücke hatte die fromme Frau des Baumeisters unablässig für die Rettung ihres Mannes gebetet. Erst in der letzten Nacht kam ihr eine göttliche(?) Eingebung, wie sie den Teufel überlisten konnte. Sie tauschte die Schöpfkelle des Teufels durch ein Sieb aus. Der Teufel rannte den Brückenpfeiler hinunter und schöpfte mit dem Sieb Wasser aus dem Lot. Doch bevor er wieder oben ankam, war das Wasser bereits wieder aus dem Sieb geronnen...
Die Damen am Pilgerempfang auf der Lotbrücke sind sehr gesprächig und beschreiben den Weg zur Gite des Matieux so ausführlich, dass ich von der Fülle der Information erschlagen bin. Zwar finden wir den Weg vom Tal auf den Höhenzug, aber nicht die Abzweigung vom Dorf zur außerhalb gelegenen Gite. Mindestens zwei Mal radeln bzw. schieben wir den Berg hoch daran vorbei. Erst ein Motorradfahrer, den wir stoppen, weist uns den Weg. Endlich haben wir es geschafft und werden vom Gitier schon erwartet und herzlich begrüßt. Wir sind die einzigen Gäste, den anderen Pilgern war der Weg von Cahor heraus wohl zu weit. Das Wasser im Pool ist leider nicht ganz „propre“, dafür werden wir mit Linsensuppe, Salat, Hähnchenschnitzel, leckerem Basmatireis mit Geheimrezept und Familienanschluss verwöhnt.
Bürgerreporter:in:Angelika Böck aus Günzburg |
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