Gotha, die heimliche Hauptstadt der Ahnenforschung
"Von Gotha aus in die Zukunft der Genealogie"
500 Gäste aus aller Welt kamen vom 13. bis zum 15. Sep zum 71. Deutschen Genealogentag in Gotha, um über die Zukunft der Genealogie zu sprechen. Diese Zukunft verheißt die Vernetzung riesiger Datenmengen im Internet.
Eines der wichtigsten Treffen für Ahnenforscher in Deutschland (egal ob Hobby- oder Berufsgenealogen), der Deutsche Genealogentag fand am letzten Wochenende in Gotha statt. Es kamen auch in diesem Jahre viele aus nah & fern angereist, u.a. waren auch Teilnehmer aus USA und Brasilien, wie auch aus den europäischen Ländern Frankreich, Holland und Schweden angereist.
Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach ihren Ahnen und stöbern in alten Kirchenbüchern, fotografieren Gräber, einige begeben sich auch über die DNA auf die Suche nach Anverwandten. Ahnenforschung liegt voll im Trend.
Die Arbeitsgemeinschaft Genealogie Thüringen, der DAGV und die Stadt Gotha hatten eingeladen, die Wiege der europäischen Aristokratie, Genealogie, Aufklärung, Bildung, Versicherung und Kartographie zu besuchen.
Gotha repräsentiert das genealogische Herz Thüringens, Deutschlands und Europas. Die Geschichte der Stadt reicht mindestens bis ins 8. Jahrhundert zurück. Seinen frühen Reichtum verdankt Gotha seiner Lage an der Kreuzung zweier wichtiger Fernhandelsrouten. Die Almanach de Gotha, ein Verzeichnis der europäischen Königshäuser und Nobilitäten, wurde 1763 dort veröffentlicht. Die Adligen des Hauses Sachsen-Coburg und Gotha heirateten in vielen Königshäusern, darunter Prinz Albert, Ehemann und erster Cousin der Königin Victoria von Großbritannien. Im 19. Jahrhundert veröffentlichte der Kartograph Adolf Stieler seinen Handatlas, den führenden deutschen Weltatlas bis Mitte des 20. Jahrhunderts. Das Bibliographische Institut, ein früherer Enzyklopädie-Verlag, wurde in Gotha gegründet. Im Laufe des Jahrhunderts wurde die Stadt auch zu einem Zentrum des deutschen Maschinenbaus, des Bankwesens und der Versicherungswirtschaft. Hunderttausende aus Thüringen sind ausgewandert. Viele gingen nach Amerika, aber auch nach Südamerika, Russland, in die baltischen Staaten, nach Afrika und Australien.
Die besondere Bedeutung Gothas in der Welt der Familien- und Ahnenforschung wurde von Schirmherr Knut Kreuch (Oberbürgermeister in Gotha) während der Eröffnungsrede auch wieder auf humorvolle und vielfältige Art und Weise präsentiert. Der Veranstaltungsort für die Fachausstellung und die verschiedensten Fachvorträge war die Stadthalle in Gotha.
In den schönen Räumlichkeiten konnten sich die einzelnen Aussteller hervorragend präsentieren. Vertreten waren Vereinen der verschiedensten Regionen, wie natürlich auch der austragende Verein, die Arbeitsgemeinschaft Genealogie Thüringen e.V. (AGT) und die Deutsche Arbeitsgemeinschaft genealogischer Verbände e.V. (DAGV).
Alle Vereinsvertreter präsentierten ihre Regionen und standen bei Fragen Rede und Antwort. Der Verein für Computergenealogie e.V. stellte die verschiedensten Möglichkeiten der Internet-Recherche über die CompGen Plattform vor. Des weiteren präsentierten sie nochmals das "ScanTent", ein kleines lichtdurchlässiges Zelt, mit dem ganz einfach Dokumente und Bücher mit dem eigenen Smartphone eingescannt werden können.
Vertreter der Heraldik Vereine "Zum Kleeblatt" und "Der Herold" halfen bei Fragen rund um die Wappenerstellung, Eintragung und den besonders zu beachtenden gesetzlichen Richtlinien. Computerprogramm Experten präsentierten das Familienbuch 6.0, den Family Book Creator, sowie Heredis, den Genealogie-Klassiker aus Frankreich.
Zu finden waren auch Vertreter der Portale Archion-Kirchenbuchportal, FamilySearch, sowie für die DNA Tests und Analysen, Ancestry & MyHeritage. Einige Büchertische mit großer Fachliteratur ergänzten die Ausstellung. Ein kaum wegzudenkender Aussteller war auch in diesem Jahr wieder der Bund für deutsche Schrift und Sprache e.V.
Ein ganz besonderer Ausflug führte eine kleine Gruppe am Samstag morgen ins Staatsarchiv Gotha im neu bezogenen Perthes-Forum.
Von Nov 2014 bis Mar 2015 wurden ca. 10 km Akten, 9.000 Urkunden, 64.000 Karten, 13.000 Bücher, 200 laufende Meter Drucksachen und 212 laufende Meter Zeitungen, drei Werkstätten und 10 Büros vom Schloss Friedenstein in das Perthes-Forum verlagert.
Beim spannenden und auch humorvollen Rundgang ging es zuerst in den Lesesaal und danach direkt ins Herzstück des Archives, dem Magazin! Dort werden die Dokumente und Schätze des Archiv gelagert!
Hier findet sich 1000 Jahre Geschichte - wohl temperiert (23 °) und mit regulierter Luftfeuchtigkeit (55 %).
In Gotha finden sich u.a Dokumente/Briefe von Kaisern und Päbsten. Wir konnten uns u.a. ein Dankes-Schreiben mit Unterschrift von Napoleon Bonaparte an Herzog August von Sachsen-Gotha-Altenburg zur Kaiserwürde (1804) im Original ansehen. Außerdem ein Privileg von Kaiser Friedrich Barbarossa von 1179. Es wurden die unterschiedlichsten Dokumente mit Siegeln aus Gold, Wachs- und Ton gezeigt. Die wertvollsten Unterlagen liegen im sogenannten Geheimen Archiv, dieses ist noch einmal ganz besonders gesichert und überwacht. Es gibt einzelne Unterlagen, die einen Versicherungswert in Höhe von je 500.000 EUR haben.
Die Fachvortrags-Reihe führte die Besucher in ganz unterschiedliche Bereiche.
So gab es zur Einführung in die Familienforschung einen Vortrag für Anfänger und Fortgeschrittene von Hans-Joachim Lünenschloß.
Herr Dr. Ludwig Biewer berichtete über "Wappen und Kreuzsymbolik",
Dirk Weissleder nahm die "Bark Pribislaw" (1847-1870) als Beispiel für die maritime Genealogie als moderne und weltweite Familiengeschichtsforschung.
Ein umfangreiches Thema diverser Vorträge war die Auswanderung:
"Die Thüringer Auswandererdatenbank" wurde von Timo Herrmann vorgestellt, das Projekt der Auswandererbriefe wurde unter dem Titel "Transatlantische Korrespondenzen" von Frau Prof. Dr. Ursula Lehmkuhl sehr anschaulich erklärt und die Zukunftspläne präsentiert. Zu den offiziellen Dokumenten der Auswanderer berichtete Frau Dr. Judith Matzke in ihrem gut besuchten Vortrag "Von Heimatscheinen und Entlassungsurkunden" sehr ausführlich.
Weitere sehr beliebte Themen und Vorträge des Genealogentages waren:
DNA Forschung mit Grundlagen, Zielen und Hinweise zum sogenannten Matching und der verschiedenen Softwaretools, Schreibkurse zur Deutschen Schrift von Franz Neubauer,
"Militärkirchenbücher in Sachsen und Preussen" von Dipl.-Archivarin Martina Wermes und die "Erstellung eines Ortsfamilienbuches" von Manfred Wegele. Einen kleinen Ausblick in die Zukunft gab es von Prof. Dr. Fertig mit der "Leipziger Time Machine".
Ahnenforschung ist wie ein großes Puzzle. Man weiß nie, was man findet!
Je mehr Quellen durchsucht werden, um so mehr Lücken schließen sich.
Und je besser die Technik im Laufe der Jahre wird, je unterschiedlicher die zur Verfügung stehenden Werkzeuge sind, desto mehr Spaß macht die Suche nach unsere Vorfahren.
Auch das Fernsehen war vor Ort und führte diverse Interviews. Aus den insgesamt 6-stündigen Aufzeichnungen wurden ein kurzer Beitrag im Fernsehen gezeigt, dieser ist in der mrd Mediathek noch bis 22.09.2019 abrufbar.
Während der Abschlussveranstaltung wurde auch einigen verstorbenen Forscherkollegen gedacht. Es folgte eine Ehrung verdienter Genealogen, u.a. erhielt Timo Kracke vom Verein der Computergenealogie in diesem Jahr eine Ehrung mit einer sehr persönlichen Laudatio. Die Johann-Christoph-Gatterer-Medaille wurde in diesem Jahr in Silber verliehen und ging an Herrn Prof. Dr. Günther Schweizer. Dieser war leider nicht anwesend, um diese Ehrung persönlich entgegen zunehmen.
Informationen zur Medaille finden sich unter:
https://www.ghggev.de/gatterer-medaille/
Und zum Schluss erfolgt dann auch die Bekanntgabe des Austragungsortes für 2020.
Nachdem am Vortag immer noch gebangt wurde, ob sich ein Ausrichter für den nächsten Genealogentag findet, war die Freude groß als die positive Nachricht kam. Und somit endet der 71. Deutsche Genealogentag mit der "Staffelstab" Überreichung von Oberbürgermeister Knut Kreuch (Gotha) an Manfred Wegele.
Der 72. Deutsche Genealogentag wird vom 28. bis 30. August 2020 in Tapfheim (Schwaben) stattfinden.
Das Motto lautet dann:
"Die wechselvolle Geschichte des Rieses und Nordschwabens - vom Meteoritenkrater zum begehrten Siedlungsgebiet".
Bürgerreporter:in:Claudia Stock aus Lüneburg |
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