Sexueller Kindesmissbrauch und häusliche Gewalt – leider immer noch aktuell
Hans Georg van Herste hält Vortrag am Mittwoch, den 14. Dezember 2011 im Hotel „Kluster Hof“ in Basdahl
Obwohl, wie üblich, von der Lokalpresse ignoriert – wer will sich schon mit van Herstes Schmuddelthemen abgeben? –, strömten schon gegen 19.00 Uhr die ersten Interessierten in Gretels Lesestube im Hotel „Kluster Hof“ in Basdahl bei Bremervörde. Wegen der widrigen Wetterverhältnisse eröffnete der Autor, Lebensberater und Filmemacher Hans Georg van Herste erst gegen 19.45 Uhr die Veranstaltung.
Als Erstes ehrte er Frau Rita Krüger, die seit nunmehr über siebzehn Jahren als „Insel“ tätig ist und tatkräftig Opfer von sexuellem Missbrauch und häuslicher Gewalt, sowie Homo-, Trans- und Intersexuelle unterstützt. Da sie obendrein auch noch ihren Geburtstag feiern konnte, wurde ihr von allen Anwesenden ein Ständchen dargebracht.
Danach wurde das Ehepaar Opitz in den Saal gebeten. Herr van Herste erläuterte den verdutzten Hoteliers und dem Publikum, dass er und seine Mitstreiter vom gemeinnützigen Verein „TransBorderLes e.V.“ seit 1986, also seit fünfundzwanzig Jahren, immer wieder gern gesehene Gäste gewesen seien. Das Ehepaar Opitz hatte sich durch üble Nachrede nicht davon abbringen lassen, sowohl Herrn van Herste, als auch dem Verein seine Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Manches Zeitungs- und TV-Interview war im „Kluster Hof“ entstanden. Während sich andere Hotels und Restaurants weit weniger tolerant zeigten, hatten sie es der jugendlichen Transsexuellen Johanna Winter sogar ermöglicht, ein Praktikum in ihrem Hause abzuleisten. Als Dankeschön für die vielen gemeinsamen Jahre überreichte der Autor dem Ehepaar Opitz ein Gemälde der bekannten Kunstmalerin Kerstin Wendelken.
Herr Opitz erklärte, dass er kein Problem mit Leuten hätte, die anderen ehrlich helfen und nahm erfreut das Bild entgegen. Auch Frau Opitz war tief gerührt über diese unerwartete Auszeichnung.
Im Anschluss las Hans Georg van Herste aus einer Tageszeitung vor, um deutlich zu machen, was den Lesern so täglich vorgesetzt wird. Der Landfrauenverein hatte einen Kochnachmittag abgehalten. Bauer Brinkmann hatte ein Bund Stroh vom Anhänger verloren und ein Straßenfest sollte vorbereitet werden. Löste seine Vorlesung anfangs erstaunte Erheiterung aus, so blieb so manchem Zuschauer der Lacher im Halse stecken, als klar wurde, welches Ziel der Autor mit seiner Vorlesung erreichen wollte. Obwohl in jeder Stadt, in jedem Dorf minütlich Kinder missbraucht werden, war keine einzige Zeile darüber geschrieben worden.
Danach erzählte Hans Georg van Herste von seiner selbst erlebten häuslichen Gewalt, um seine Motivation zu erläutern, und löste große Betroffenheit aus. Schon Ende der 1970er Jahre hatte er das Thema „sexueller Kindesmissbrauch“ öffentlich angesprochen. Anstatt ihn zu unterstützen, hatte man ihn angefeindet und sich demonstrativ vor die Täter gestellt. Anfang der 1980er Jahre hatten sich die ersten Selbsthilfegruppen um ihn herum gebildet, aus denen später der Verein „TransBorderLes e.V.“ hervorgegangen war.
Um seine Worte zu unterstreichen, bat er nun den Autor Frido van de Visser zu sich nach vorn. Van de Visser, bei brutalen Pflegeeltern und in Heimen aufgewachsen, war immer wieder Opfer von sexuellen Übergriffen oder häuslicher Gewalt geworden. Eindrucksvoll schilderte er seine Erlebnisse und löste immer wieder Unmutsbekundungen im Publikum aus. Mehrere Anwesende waren regelrecht geschockt über so viel Brutalität auf der einen und Behördenignoranz auf der anderen Seite.
Anschließend löste Van Herste erneut erstauntes Kopfschütteln aus, als er erklärte, dass jedes dritte Mädchen und jeder fünfte Junge Opfer von sexuellen Übergriffen wird. 80% der Mütter wissen Bescheid, ohne etwas zu unternehmen und 37% aller Frauen und Mädchen werden Opfer häuslicher Gewalt.
Danach erklärte er dem Publikum seine von ihm erdachte „Insel-Methode“. Er selbst hat als Jugendlicher nie eine Person finden können, die ihm glaubte. Ein missbrauchtes Kind hat kaum die Möglichkeit, sich außerhalb der Familie Hilfe zu holen. Welches betroffene neunjährige Mädchen weiß überhaupt von Hilfsangeboten? Setzt es sich wirklich allein in den Bus, um in einer fremden Stadt einer wildfremden Person seine Geschichte zu erzählen? Wohl kaum.
Wenn also das Opfer nicht zur Hilfe kommt, muss die Hilfe zum Opfer kommen. So können sich seit vielen Jahren ehrliche Personen bei Herrn van Herste oder den Mitgliedern des Vereins „TransBorderLes e.V.“ melden, um „Insel“ zu werden und damit Opfer zu unterstützen und Täter abzuschrecken.
Nach einer kurzen Pause entbrannte ein heißes Frage-und-Antwort-Spiel, das in einer emotional geführten Diskussion endete. Immer wieder wurde die Frage aufgeworfen, wieso die Medien dieses Thema so stiefmütterlich behandeln oder ganz totschweigen. Herr van Herste erklärte, dass er in Täterkreisen natürlich schlecht angesehen sei und diese Menschen immer wieder versuchen würden – und das schon seit Jahrzehnten – in unglaubwürdig zu machen. Da er Indien studiert hätte, sie das z. B. zum Anlass genommen worden, ihn zu einem Sex-Guru zu erklären, der seine Schäfchen – gemeint sind die Mitglieder von „TransBorderLes e.V.“ – sexuell und finanziell ausbeutet. Einige Kirchenvertreter hätten sich da in der Vergangenheit besonders hervorgetan und mit Stasi-Methoden immer wieder versucht, ihn und die Vereinsmitglieder zu diskreditieren.
Eine Besucherin dazu:
„Dass die Kirchen kein gesteigertes Interesse an der Arbeit von Herrn van Herste haben, ist spätestens im letzten Jahr klar geworden. Aber wenn die Medien da mitspielen, könnte ich da auf die Idee kommen, dass in dem Bereich auch nicht alles mit rechten Dingen zugeht. Auch das Richter ihr vorhandenes Strafmaß selten ausnutzten und eher auf der Seite der Täter zu stehen scheinen, gibt mir zu denken. Ich finde, es ist eine bodenlose Schweinerei, was hier gespielt wird. Dieser Abend hat mich geschockt, ernüchtert und wirklich betroffen gemacht. Die Aufopferung, die Herr van Herste und die Vereinsmitglieder betreiben, ist wirklich aller Ehren wert.“
Frau Stankusowa aus Riga erklärte:
„Ich bin extra aus Lettland gekommen, um mir Herrn van Herste einmal life anzuschauen. Ich hatte zuvor die englischen Ausgaben seiner Bücher gelesen und war beeindruckt. Ich möchte gern die „Insel-Methode“ importieren, da ich sie für eine tolle Sache halte. Sie werden es nicht glauben, aber auch bei uns zu Haus werden Kinder missbraucht. Auch wenn ich während des Vortrags nicht alles verstanden habe, so hat mich der Mann doch schwer beeindruckt. Sehr gut fand ich, dass er mir am Schluss alles ins Englische übersetzt hat.“
Erst weit nach 23.00 Uhr löste sich die Diskussionsrunde auf.
Buchtipps
Frido van de Visser
Meine Kindheit in Rotterdam
ISBN: 9783844800296
Hans Georg van Herste
Das Borderline-Syndrom
ISBN: 9783837095593
Das Mutter(un)tier
ISBN: 9783837093926
Herstes Liste
ISBN: 9783839103029
Die Kaputtmacher
ISBN: 9783837067156
Viktoria Grantz
Mädchen in Fernost
ISBN: 9783837013948
Die Prinzessin vom Leuchtturm
ISBN: 9783837069556
Mein Vater, der Diakon
ISBN: 9783839133620
Yvonne Zündler
Mitten im Abschaum
ISBN: 9783837019414
„Inseln“, die in der Region für Gespräche zur Verfügung stehen
Brigitte Winkel
1.Vorsitzende des Vereins „TransBorderLes e.V.“
Bereich Bremervörde, Hesedorf, Oerel
04761/749148 oder 0173/2020838
Christine Sonnenberg
Bereich Hesedorf, Gnarrenburg
04763/1022
Michaela Schoon
Bereich Hesedorf, Gnarrenburg
04763/1022
Meike Wolff
Bereich Bremervörde, Nieder-Ochtenhausen
0172/4269618
Maria Wolff
Bereich Bremervörde, Nieder-Ochtenhausen
0172/4583201
Matthias Nickel
Bereich Bremervörde, Hesedorf
0173/6648441
Martina Lohmann
Bereich Gnarrenburg, Worpswede
0173/6189734
Annette Peters
Bereich Gnarrenburg
04763/1022
Michaela Main
Bereich Bremervörde, Stade, Hesedorf
0173/2916223
Jan Christoph Peters
Bereich Hamburg
0175/1981617
Christina Rotondo-Renken
Bereich Gnarrenburg
0174/9421033
Alexandra Schlesselmann
Bereich Gnarrenburg
04763/6143
Reinhard Winkel
Bereich Bremervörde, Hesedorf
0162/2365247