Das Heide-Mädchen

Elisabeth Keller im Gespräch mit der Bestseller-Autorin Viktoria Grantz

EK Hallo, Frau Grantz! Schön, dass Sie Zeit haben.

VG Hallo, Frau Keller! Selbstverständlich habe ich für unsere Medienreferentin Zeit.

EK Die Buchreihe „Starke Frauen“, die Sie als Autorin der ersten Stunde mitbegründet haben, ist durch das Buch „Das Heide-Mädchen“ erweitert worden. Wieso sitzen Sie jetzt hier und nicht die Autorin selbst?

VG Wenn Sie Michaela Holst, eigentlich heißt, nein, hieß sie ja Michaela Anastasia Gertrud von Holsten, besuchen wollen, müssen Sie sich schon in die Lüneburger Heide begeben. Dort liegt sie in der Nähe ihres Gutes begraben.

EK Ach, die ist gestorben?

VG Anfang letzten Jahres ist sie mit über achtzig Jahren entschlafen.

EK Wieso kommt Anfang dieses Jahres nun ein neues Buch unter ihrem Namen heraus?

VG Weil ich es so wollte.

EK Wie kam es dazu?

VG 1997 stand für mich die Entscheidung an: mache ich mich selbstständig oder bleibe ich im Angestelltenverhältnis? Um mir darüber klarzuwerden, reiste ich in die Lüneburger Heide, um auf einem Bauernhof Urlaub zu machen.
Dort traf ich mehrmals auf die Inhaberin des Großbetriebes und kam mit ihr ins Gespräch. Während dieser Gespräche erzählte sie mir einige Begebenheiten aus ihrem langen Leben. Ich fand das, was sie erlebt hatte, sehr spannend und dachte schon damals, eigentlich müsste das aufgeschrieben und als Buch herausgegeben werden.
Sie machte einen sehr starken Eindruck auf mich und riet mir, mich von der vermeintlichen Sicherheit meines Jobs zu lösen und selbstständig zu werden – privat, wie beruflich. Sie hätte am eigenen Leibe zu spüren bekommen, wie es ist, von einem tyrannischen Vorgesetzten, im dem Falle ihrem Vater, herumkommandiert und schikaniert zu werden. Ähnliches hatte auch ich mit mehreren Vorgesetzten erlebt. Daraufhin plante ich den Ausstieg, kümmerte mich um Aufträge und nabelte mich ab. Seitdem reise ich durch die Welt, bin unabhängig und verdiene ein Mehrfaches gegenüber früher.
Einer meiner ersten Jobs führte mich nach Thailand und ich wunderte mich über die vielen allein reisenden Männer aus aller Welt, die dort einfielen, wie die Fliegen auf einem Kuhfladen. Nach anfänglichen Fragen, die gar nicht oder ausweichend beantwortet wurden, kam ich dahinter, was sich da täglich abspielte. Ich wurde neugierig und recherchierte. In welche Gefahr ich mich damit brachte, habe ich anfangs überhaupt nicht kapiert.
Erst als ich den Autor und Herausgeber Hans Georg van Herste auf einer Buchmesse kennenlernte und ihm von meinen Erlebnissen erzählte, wurde mir flau. Er riet mir, ein Buch aus meinen Erkenntnissen zu machen. So entstand mein erstes Werk „Das Ende des Jägers“.

EK Und was hat das mit Michaela Holst zu tun?

VG Nachdem das Buch, wider Erwarten, gut ankam und das eine oder andere auslöste, machte ich mal wieder Urlaub in der Lüneburger Heide. Natürlich erzählte ich Michaela von diesem Projekt und riet ihr, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben. Ich stellte den Kontakt zu Herrn van Herste her und der war sofort angetan. Daraus entstand dann das Buch „Landfrauen“.
Ich freute mich, dass es Michaela gelungen war, zumindest einen Achtungserfolg mit dem Buch hinzulegen. Es wurde nie wirklich zum Bestseller, aber doch häufiger verkauft, als anfangs gedacht.
Ich war sehr traurig, als ich im letzten Jahr von ihrem Tod erfuhr und reiste zu ihrer Beerdigung. Nach der Trauerfeier überreichte mir ihre Enkelin ein dickes Kuvert, das ich natürlich sofort, kaum war ich auf meinem Zimmer allein, aufriss.
Michaela hatte mir einen Brief geschrieben, in dem sie mir mitteilte, dass sie Kopien von ihren Briefen und Tagebüchern hatte anfertigen lassen. Wenn ich also Lust verspüren sollte, ihr Buch „Landfrauen“ zu ergänzen, zu erweitern, könne ich das gern tun.

EK Und daraus ist schließlich „Das Heide-Mädchen“ entstanden?

VG Ich habe mir das alte Buch noch einmal gründlich vorgenommen und festgestellt, dass nicht einmal die Hälfte ihrer Erlebnisse darin verzeichnet worden waren. Also habe ich umgeschrieben, neugeschrieben und ergänzt, um ihr ereignisreiches Leben abzubilden.
Sie war eine tolle Frau, hat immer wieder ihren Kopf durchgesetzt, mit alten Konventionen gebrochen und ist schlussendlich glücklich geworden und auch so gestorben.
Für mich ist sie ein klares Vorbild für alle Frauen. Sie hat sich nie unterkriegen lassen und selbst schlimmste Kriegserlebnisse haben sie nicht kleingekriegt. Auch ihr Vater, der nun wirklich alles andere als nett zu ihr war, hat sie nicht gebrochen und zu seiner Sklavin machen können.

EK Ich habe das Buch natürlich gelesen. Während die Geschichten mit dem Klapperstorch oder der Hexe auf dem Dachboden noch recht lustig daherkommen, entwickelt sich Michaelas Leben danach nicht unbedingt rosig. Auch wie sie es schafft, praktisch ohne Mann, schwanger zu werden, ist schon mehr als normal, zumindest für damalige Zeiten.

VG Sie war einfach hungrig nach Glück und da hat sie dann ausgetretene Pfade verlassen. Im Endeffekt hat sie nicht nur sich geholfen, glücklich zu werden, sondern vielen anderen Frauen auch.

EK Ganz unter uns, hat sie den Musiker Udo Jürgens als Kind getroffen oder nicht?

VG Ich denke, dass sie sich ziemlich sicher war, ihn getroffen zu haben, obwohl sie den Namen nie erwähnt hat – zumindest nicht mir gegenüber. Aber alles deutet darauf hin. Er hat seinen Aufenthalt in der Lüneburger Heide während der letzten Kriegswirren selbst in seiner Biographie erwähnt.

EK Liebe Frau Grantz! Ich danke Ihnen für das Gespräch und wünsche Ihnen für Ihre Bücher, die „starken Frauen“ und für Ihren Job alles Gute.

Informationen
www.starke-frauen.org
www.amazon.de

Bürgerreporter:in:

Elisabeth Keller aus Gnarrenburg

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