Handball-Bundesliga
Wetzlarer Leistungssteigerung zum richtigen Zeitpunkt
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- Wetzlarer Leistungssteigerung zum richtigen Zeitpunkt
Die HSG Wetzlar hat in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga einen extrem wichtigen Auswärtssieg eingefahren. Die Grün-Weißen siegten am heutigen Sonntagnachmittag bei der TSV Hannover-Burgdorf mit 33:30 (14:18) und dass, trotz eines 10:17-Rückstands in der ersten Hälfte. Der eigewechselte HSG-Torhüter Anadin Suljakovic konnte am Ende als Matchwinner der Mittelhessen gefeiert werden, die nunmehr zwei Siege auf ihrem Konto haben.
„Wir haben in Angriff und Abwehr viele Dinge zusammengebracht und sind stabiler als zu Beginn der Saison“, erklärte Wetzlars Trainer Frank Carstens, ob des zweiten Saisonsieg sichtlich erleichtert, nach dem Spiel im Interview bei Dyn. „Wir spielen klarer, haben eine bessere Abschlussquote und dann kommen solche Momente zustande“
Mit solchen Momenten meinte er vor allem die Mentalität seiner Spieler nach dem 10:17 in der 26. Minute. „Da waren wir eigentlich mausetot.“ Hannover hatte sich konsequent abgesetzt, weil Wetzlar eine Viertelstunde zum Vergessen hingelegt hatte.
Beim 7:6 von Domen Novak in der zehnten Minute war die grün-weiße Welt noch in Ordnung. Beide Mannschaften zeigten vorne ein geduldiges Positionsspiel, darauf bedacht, wenig technische Fehler zu produzieren. Hannover brauchte Einzelaktionen, um die gute Wetzlarer Abwehr zu knacken.
Doch dann fiel die HSG zurück in alte „Gewohnheiten“. Fehlpässe, Pfostenknaller, falsche Sperre, Wild-West-Handball. Allein in der ersten Hälfte leistete sich die HSG zehn technische Fehler. Hannover schlug daraus Kapital und setzte sich Tor um Tor ab. Torhüter Till Klimpke konnte das Husarenstück aus Kiel nicht wiederholen, der Angriff tat sich zunehmend schwer. Vorne wie hinten wurden zu wenig Zweikämpfe gewonnen. Im Angriff rannten sich die Wetzlarer Jungs immer öfter fest, zogen keine Fouls, die Aggressivität fehlte beim Durchbruch, aber auch in der Abwehr. Kein Zugriff auf die Angreifer und zu wenig Druck auf die TSV. Hinzu kamen strittige Schiedsrichterentscheidungen – die Wetzlarer Welt drohte aus den Fugen zu geraten.
Hannover drückte aufs Tempo und überrannte die HSG-Abwehr im Rückzug. Das in Kiel erarbeitete Selbstvertrauen schien abhandengekommen. Das 17:10 des Hannoveraners Justus Fischer war ein Stück weit der Weckruf für die Grün-Weißen. In den letzten vier Minuten agierte Wetzlar konzentrierter und verkürzte mit Hilfe von Keeper Anadin Suljakovic auf 14:18.
„Wir tun uns in der Abwehr schwer“, sagte Lenny Rubin in der Pause bei Dyn. „Uns fehlt die Aggressivität und die letzte Entschlossenheit. Hannover hat uns überrascht mit einer richtig guten, offensiven Abwehr.“ Wobei genau diese Abwehr Thema in der Trainingsarbeit vor dem Spiel war, eine Abwehr vor der Carstens vorher gewarnt hatte.
In der Kabine hat der Trainer die richtigen Worte an seine Mannschaft gerichtet, denn die kam wie verwandelt zurück aufs Parkett. „Wir haben ganz schnell unseren Fokus gewechselt“, sagte Emil Mellegard vor der Partie, angesprochen auf den Pokalsieg in Kiel. In der zweiten Hälfte war die HSG endlich in Hannover angekommen, der Fokus in die richtige Richtung eingestellt. Aufmerksam vorne wie hinten, mit klaren Angriffsaktionen, sauberen Ballstafetten und schnellerem Umschaltspiel. Und immer wieder Suljakovic. „Wir haben weiter an uns geglaubt und wollten das drehen. Das haben wir gemeinsam geschafft. Wir haben einfach weitergespielt und gekämpft bis zum Ende.“
Selbst wenn seine Vorderleute einen Wurf verballerten, hielt er hinten seine Kiste dicht. Hannover rieb sich im Angriff zunehmend auf und hatte Mühe die Konzepte von Magnus Fredriksen zu unterbinden. Beim 19:21 von Stefan Cavor in der 37. Minute waren die Grün-Weißen wieder dran. Lukas Becher markierte neun Minuten später per Gegenstoß den 23:23-Ausgleich, nachdem er selbst den Hannoveranern die Kugel stibitzt hatte. Beide Mannschaften mussten im Positionsangriff viel arbeiten, um Tore zu machen. Die HSG machte es aber zunehmend effektiver und schaffte es auch in der Abwehr der TSV den Zahn zu ziehen.
Doch das Zittern für die gut 50 mitgereisten HSG-Fans ging weiter. Ilija Brozovic netzte in der 52. Minute zum 25:25-Ausgleich ein. Cavor hatte kurz zuvor seine dritte Zeitstrafe kassiert, Nemanja Zelenovic musste in der 54. Minute für zwei Minuten runter. Wetzlarer verteidigte mit Mann und Maus, provozierte ein wichtiges Stürmerfoul, holte sich hinten den Ball und setzte sich durch Becher wieder auf 28:25 ab. Jetzt brachten selbst Fehlwürfe und die eine oder andere falsche Entscheidung das grün-Weiße Selbstvertrauen nicht mehr ins Wanken.
„Wir haben schon gegen Ende der ersten Halbzeit besser reingefunden. Anadin hat uns mit seinen Paraden Sicherheit gegeben. Und das ging in der zweiten Halbzeit im Grunde so weiter. Wir haben gerade in der Schlussphase auch direkt durch die Verteidigung Bälle gewonnen“, sagte Carstens.
Hannover stellte in den letzten Minuten die Abwehr um, schickte Marian Michalczik auf die vorgezogene Position, doch auch diese Aufgabe löste der HSG-Angriff. Selbst die von TSV-Coach Christian Prokop kurz darauf angeordnete offene Manndeckung brachte die HSG nicht mehr von der Siegerstraße ab. Magnus Fredriksen, der in Hannover sein bestes Saisonspiel zeigte, nahm sich drei Mal ein Herz, tankte sich durch die TSV-Abwehr und brachte seine Farben mit 31:28 in Front. Rubin sorgte für den letzten Wetzlarer Treffer zum 33:29 – der erste Auswärtssieg der Saison war in Grün-Weißen Händen!
„Die Mannschaft ist gut aufgestanden. Wir haben ja in den letzten Spielen genug Anlauf genommen, um aufstehen zu können“, schmunzelte Carstens hinterher. Einziger Wermutstropfen könnte der Ausfall von Kreisläufer Vladimir Vranjes sein. Er konnte ab Mitte der ersten Halbzeit mit Problemen an der rechten Wade nicht mehr eingesetzt werden.
Zwei Wetzlarer Jungs hatten sich an diesem Abend ein Sonderlob verdient. „Anadin war der Grundstein für den Sieg heute“, sagte Carstens. „Vor allen Dingen in der ersten Halbzeit sorgte er dafür, dass der Abstand nicht die vielleicht verdienten sechs, sieben Tore sind, sondern eben nur vier. Das hat uns wahnsinnig geholfen. Magnus hat über das gesamten 60 Minuten nicht nur das Spiel gut geführt, sondern auch in den entscheidenden Momenten wichtigen Zweikämpfe gewonnen und die Bälle verwandelt. Die Explosion zum genau richtigen Zeitpunkt für uns.“
Stenogramm:
TSV Hannover-Burgdorf: Gade, Quenstedt; Vujovic (3), Uscins (2), Steinhauser (8/4), Machalczik, Kulesh (4), Strmljan, Edvardsson (1), Gerbl, Hanne (2), Brozovic (2), Fischer (4), Feise, Ayar, Büchner (4).
HSG Wetzlar: Till Klimpke, Suljakovic; Meyer Ejlersen (1), Ole Klimpke (2), Kuzmanovski, Vranjes (2), Becher (4/2), Fredriksen (3), Wagner (1), Mellegard (2), Zelenovic (1), Rubin (9), Fuchs, Novak (7), Cavor (1).
Schiedsrichter: Cesnik/Konrad (Gummersbach).
Zuschauer: 4902. –
Zeitstrafen: 6:10 Min. –
Siebenmeter: 5/4:3/2.
Quelle. HSG Wetzlar: