"Ich habe das ganze Amt gerne ausgefüllt"
Horst Dettmer über sich, seine langjährige Amtszeit und die Zukunft der Schützen
Horst Dettmer war von 1981 bis 2014 Vorsitzender des Schützenverein Berenbostel - solange wie keiner seiner Amtsvorgänger in der über 100-jährigen Vereinsgeschichte. Vor Kurzem hat Horst Dettmer den Vereinsvorsitz an seinen Nachfolger Alfred Kubocz übergeben. In der Mitgliederversammlung 2015 wählten die Vereinsmitglieder Horst Dettmer einstimmig zum Ehrenvorsitzenden des Schützenverein Berenbostel mit Sitz und Stimme im Vorstand auf Lebenszeit.
Du hast kürzlich Deinen 76. Geburtstag gefeiert und nach 34 Jahren nicht mehr für den Vereinsvorsitz kandidiert. Hättest Du weiter gemacht, wenn Du jünger wärst?
Dettmer: Wäre ich 10 Jahre jünger, hätte ich weiter gemacht. Warum nicht? Aber ich habe mal gesagt, mit 75 oder 76 Jahren sollte Schluss sein. Jüngere haben neue Ideen. Außerdem muss ich ehrlich sagen, ich hatte keine großen Ideen mehr etwas Neues zu machen, etwas in Gang zu schieben. Irgendwie bin ich ausgepowert, bin ich leer. Deswegen wurde es Zeit den Wechsel zu vollziehen.
Ist es Dir schwer oder eher leicht gefallen das Amt abzugeben?
Dettmer: Zu Anfang sicherlich schwer und auch an dem Abend [der Jahreshauptversammlung] kam so einiges auf, dass mir den Abschied nicht leicht machte. Auf der anderen Seite sind im letzten Jahr Dinge passiert, nach denen ich hinterher zu mir gesagt habe „Es wird Zeit, dass du gehst. Das ist nicht mehr so ganz dein Ding.“ – Ich möchte keine Beispiele nennen, aber es ist so passiert, dass ich gedacht habe „Dettmer es wird Zeit“.
Wie fühlt sich die jetzige Situation an? Ist der sprichwörtliche Stein der Erleichterung hinunter gefallen oder fühlt es sich leer an?
Dettmer: Es ist mir leichter gefallen als ich gedacht habe. Im Moment bin ich noch beschäftigt die vielen Unterlagen, die ich habe, zu sortieren und auszusortieren. Ansonsten habe ich noch genug Hobbys, in denen ich mich betätigen kann. Aber irgendwelche Ämter annehmen, egal wo und wie: Ich nicht mehr!
Bei der Mitgliederversammlung hast Du gesagt, Deine Familie hat manchmal unter Deinem Ehrenamt gelitten. Was hat Dich über all die Jahre motiviert den Vorsitz auszuüben und weiterzuführen?
Dettmer: Ich muss ganz ehrlich sagen, mir hat es Spaß gemacht und es waren mehr Sonnentage als Regentage. Wobei man die Regentage auch wieder vergisst und die Sonnentage behält. Es sind genug Highlights gewesen, wo ich mich dran festhalten konnte: 1987 die Planung des Festplatzes, zu der auch Horst Thiel als weiterer Fachmann sehr dazu beigetragen hat. Dann stand die 100-Jahr-Feier im Raum und es kam der Neubau der Schützensportstätte dazu, weil die B6 [Anm: Standort des alten Schützenhauses] ausgebaut wurde und sich die Zuwegung verschlechterte. Das sind alles Punkte, auf die ich hingearbeitet habe und die mich immer bewogen haben, weiterzumachen bis das fertig ist.
Doch ein Vorsitzender kann nur so gut sein, wenn alle Vorstandsmitglieder und vor allem die Familie mitziehen bzw. unterstützen. Wenn ich meine Familie nicht gehabt hätte, die so zu mir gestanden hat, wäre das alles nicht so gelaufen. Es stimmt, dass mein Sohn Florian einmal gesagt hat: „Du musst ja nicht dahin, du willst ja dahin“. [Meine Frau] Elma war aktive Turniertänzerin bis zur Deutschen Meisterschaft in der S-Klasse. Sie hat meinetwegen ihre Turniertanztätigkeit aufgegeben, auch die Wertungs- und Leitungstätigkeit bei Tanzturnieren, die sie inne hatte. Sie hat alles meinetwegen aufgegeben! Das habe ich ihr hoch angerechnet.
Gibt es ein Ereignis, das besonders herausragt und Dich besonders stolz macht?
Dettmer: Ja, das sind aber zwei Dinge: Das ist zum einen der Bau der Schützensportstätte und zum anderen die 100-Jahr-Feier. Denn was ich ganz toll finde und immer wieder betonen möchte, das ist die Zusammenarbeit mit der Feuerwehr [Anm: Im Jahr 2000 feierten Feuerwehr (75 Jahre) und Schützenverein (100 Jahre) ihre Jubiläen gemeinsam]. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich glaube der Feuerwehr auch. Das ist wohl im Umkreis nicht sehr oft der Fall, dass zwei gestandene Vereine, die das Geschehen im Ort bestimmen, zusammen ein Jubiläum feiern.
Was war für Dich die schwierigste Aufgabe als Vorsitzender?
Dettmer (überlegt etwas länger): Schwer zu sagen. Schwierige Aufgaben sind immer wenn gute Freunde beerdigt werden und ich muss in der Halle oder am Grab ein paar Worte sagen. Da zittern mir dann manchmal schon die Knie. Das sind so schwierige Sachen – da muss man dann halt durch.
Du hast 2011 das Bundesverdienstkreuz bekommen. Hat Dich das im Vor- oder Nachhinein in irgendeiner Weise motiviert?
Dettmer: Es hat mich 2011 motiviert, dass ich gesagt habe „bis 75 oder 76 Jahre machst du, aber dann nicht weiter“. Über die Ehrung habe ich mich sehr gefreut. Es ist ja nicht so, dass ich die Ehrung nur für meine Tätigkeit im Schützenwesen bekommen habe, sondern auch für die anderen Tätigkeiten im Ort, was ich da so ins Leben gerufen habe und auch immer wieder am Leben gehalten habe.
Gibt es etwas, das Du im Nachhinein anders machen würdest?
Beim Bau der Schützensportstätte hätte ich, wenn wir jetzt planen würden, auf jeden Fall einen kleinen Raum von 10 – 15 qm für kleine Vorstandssitzungen und zum Lagern der Akten geplant. Und was viel wichtiger ist, ich würde heute zwei Umkleideräume einplanen für Männlein und für Weiblein. Denn wir haben sehr viele Damen im Verein und man muss bedenken, wie belegt bei Kreismeisterschaften, die bei uns in der Schützensportstätte stattgefunden haben, die Tische waren mit Klamotten und dass sich alle, ob Männlein oder Weiblein, in dem Raum umgezogen haben, wo sich alle aufhielten. Das finde ich nicht schön, da hätte man bei der Planung dran denken müssen. Ich weiß Schützenvereine, die Umkleideräume haben; Kaltenweide zum Beispiel. Solche Räumlichkeiten würde ich durchboxen bei einer erneuten Planung. Ansonsten ist die Schützensportstätte in meinen Augen nach wie vor sehr akkurat, sehr sauber und immer noch eines der modernsten Schützenhäuser.
Hattest Du ein Motto (Handlungsmaxime) bezüglich Deiner Amtsführung?
Dettmer: Nein (denkt kurz nach). Wir hatten ein tolles Team im Vorstand. Für den sportlichen Bereich kamen die Vorschläge aus dem Sport[leiterkreis] und sie waren bisher vernünftig, warum sollte ich dagegen sprechen? Die anderen Sachen, die rein organisatorisch sind, habe ich gern gemacht, weil ich gern etwas organisiere.
Hast Du Grund- oder Leitsätze im Kopf, nach denen Du Dein eigenes Handeln ausrichtest?
Dettmer: Könnte ich nicht unbedingt sagen. Was ich auf jeden Fall liebe, ist die Harmonie im Vorstand. Darauf habe ich immer hingearbeitet und versucht zwischen den einzelnen Gruppen, Damen, Jugend und Schützen, immer eine gerechte, gerade Linie zu fahren. Aber direkte Vorgaben wie ich mir das vorstelle, hatte ich nicht. Das hat sich eigentlich immer ergeben, unter Mitwirkung der Vorstandsmitglieder.
Mein Augenmerk lag darauf die Schützensportstätte intakt zu halten, in erster Linie von der Sauberkeit her, sowie den Festplatz intakt zu halten. Das war schon allerhand.
Hältst Du im Allgemeinen eine längere oder eine kürzere Verweildauer im Amt des Vorsitzenden für besser?
Dettmer: Das kann man nicht generell sagen. Wenn jemand nach einer gewissen Zeit die Lust verliert oder nicht mehr genug Unterstützung hat, dann muss man sagen: „So, Schluss“. Aber das war bei mir nie der Fall. Ich glaube, selbst wenn ich jetzt gesagt hätte, ich mache noch zwei Jahre, hätte keiner was dagegen gehabt.
Hast Du eine Lieblingstätigkeit? Eine Aufgabe, die Du immer besonders gern gemacht hast?
Dettmer: Ja, jeder weiß, dass ich gerne Menschen um mich herum habe und gerne feiere. Wenn ich eingeladen wurde zu Jubiläen oder Hochzeiten aus dem Verein heraus, bin ich immer gern hingegangen. Mehr wüsste ich dazu nicht zu sagen, denn ich habe das ganze Amt gerne ausgefüllt.
In letzter Zeit haben sich zwei Vereine im KSSV Neustadt aufgelöst. Wie schätzt Du die Zukunftsaussichten der Schützenvereine ein?
Dettmer: Das ist schwer zu sagen. Wenn man heute den Mitgliederstand halten kann, dann ist das schon ein Fortschritt. Vor 30 Jahren war es ein Rückschritt. Durch die vielen Angebote außerhalb Berenbostels wird es schwer sein, Mitglieder zu finden und zu binden. Wenn wir eine Veranstaltung haben und am Rathaus findet etwas statt, ein Jazzvormittag oder ähnliches, dann gehen die Leute zwei bis drei Stunden dorthin und geben 20 Euro aus, aber sie würden nicht zum Schützenfestzelt kommen und 100 Euro ausgeben und vier Stunden bleiben. Daher nehmen uns diese Feierlichkeiten in Hannover und im Umkreis sehr viele Mitglieder weg. Die sagen sich, warum soll ich in den Schützenverein eintreten? Wenn ich schießen will, dann gehe ich mal hin und probiere das mal, aber warum eintreten?
Unser Sport findet leider sehr oft im „stillen Kämmerlein“ statt, während Leichtathletik, Fußball oder Basketball in der Öffentlichkeit dargestellt und auch wahrgenommen werden. Das ist ein Nachteil für uns Sportschützen – eindeutig.
Und dann der Missbrauch von Waffen. Da heißt es oft gleich: Schützenverein! Das finde ich immer gemein. Man sollte klar sagen, was das für Waffen waren und ob die [Täter] in einem Schützenverein Mitglied waren.
Glaubst Du, dass es in 10 Jahren noch dieselbe Anzahl Schützenvereine im KSSV Neustadt gibt?
Dettmer: Es werden noch einige aufgeben. Wenn ich an den Schützenverein Horst oder an den Schützenverein Garbsen denke, das waren einmal 300 Mitglieder und heute sind es null. Es waren auch schon mal andere Vereine im Gespräch, die angeblich dicht machten, und sich dann doch wieder gefangen haben. Irgendwie geht’s weiter, aber nicht mehr so wie es bisher war.
Du hast stets die Schützenjugend unterstützt und gefördert. Dennoch halten die Jugendlichen oft nicht zur Stange und die Altersgruppe 10 – 40 Jahre ist unter den Mitgliedern am wenigstens vertreten. Was empfiehlst Du Deinem Nachfolger in dieser Hinsicht?
Dettmer: Er hat ja schon angedeutet, dass er mal in Schulen gehen und Kontakte zu anderen Vereinen suchen möchte, so wie man zum Beispiel im Jahr 2014 gemeinsam mit dem TKB einen schönen Nachmittag mit Schießsport und den Sportarten des TKB verbracht hat. Sich treffen und austauschen, ich glaube, dass Alf [Anm: Nachfolger Alfred Kubocz] das vorrangig behandeln wird und so versuchen wird, mehr Jugendliche heran zu kriegen.
Es ist häufig auch so, dass wenn ein Jugendlicher kommt und seinen Freund aus der Schule mitbringt, dann bleiben diese häufig im Verein. Ein Jugendlicher muss so eine Art Zugpferd sein, der Freunde oder Freundinnen mitbringt. Ich sage immer, im Moment haben wir in Berenbostel die sieben mageren Jahre, wir hatten auch schon die sieben fetteren Jahren, das wechselt häufig.
Ich hoffe, dass wir mit unseren Aktivitäten und der Präsenz bei Stadtfesten, zum Beispiel mit Lichtpunktgewehren, Jugendliche begeistern können. Das wird schwer sein. Aber auch wenn die Resonanz mal nicht ganz so gut ist, zum Beispiel bei einem Tag der offenen Tür, dann macht man es wieder und testet, ob es besser war. Wenn ja, dann machen wir weiter, wenn nein, dann hat es sich erledigt.
Du wurdest einstimmig zum Ehrenvorsitzenden auf Lebenszeit ernannt.
Welche Aufgaben bzw. Pläne verbindest Du damit?
Dettmer: Das Wort „Ehren“-Vorsitzender sagt ja schon einiges, nämlich dass ich im Grunde keine Aufgaben mehr hätte im Verein und mich darauf beschränke, dann hinzugehen, wenn es mir gesundheitlich oder zeitlich passt. Ich habe nicht mehr den Druck, den ich als Vorsitzender hatte. Ich kann jetzt aussuchen, ob ich hingehe!
Überrascht war ich über die Ernennung zum Ehrenvorsitzenden mit Sitz und Stimme im Vorstand auf Lebenszeit. Darüber habe ich mich gefreut, das ist eine tolle Anerkennung.
Ansonsten übernehme ich im Verein noch ein, zwei Aufgaben. Die erste Aufgabe ist die Belegung und Abrechnung des Festplatzes. Denn man kann von einem Vorstandsmitglied, das noch arbeiten muss, nicht erwarten, dass es morgens frei nimmt, um den Stromanschluss freizugeben oder den Festplatz abzurechnen. Diese vier oder fünf Mal im Jahr werde ich das wohl auch weiterhin hinkriegen und werde das auf jeden Fall machen.
Und wenn man mich fragt, irgendetwas noch zu machen, werde ich wahrscheinlich nicht nein sagen. Und wenn es die Beerdigung eines verstorbenen Mitglieds ist, da müssen die Unterlagen zusammen gestellt werden und die Briefe fertig gemacht werden, es sei denn die Information erfolgt über E-Mail. Aber E-Mail lehne ich bei solchen Sachen ab. Das muss persönlich bleiben.
Welche privaten Pläne hast Du für Deinen „Ruhestand“?
Hast Du außer dem Ehrenvorsitz weitere Ehrenämter inne?
Dettmer: Ich bin in vielen Vereinen, aber ich habe keine Funktionen in diesen Vereinen. Zwar arbeite ich im Moment in dem Gremium „40 Jahre Heimatverein“ mit, das hört aber Ende Februar auf und dann ist das auch vorbei. Weiteres werde ich auch nicht wieder annehmen. Kein Amt mehr. Nichts. Ich habe genug Hobbys, mit denen ich Zeit verbringen kann. Allein schon wenn ich meine vielen Dias und Super8-Filme sehe, das liegt alles unten und bedarf einer Durchsicht. Außerdem sammele ich Briefmarken, Schreibmaschinen, Fotoapparate. Das füllt schon aus.
Kommst Du weiterhin regelmäßig freitags zum Übungsschießen?
Dettmer: Ich werde freitags auf jeden Fall häufiger vorbeischauen als manche glauben. Ob ich nun jeden Freitag komme, das weiß ich nicht. Wenn jetzt freitags mal ein Geburtstag oder eine Feier ansteht, wo ich früher gesagt habe „Elma, da gehst du hin, ich komme nach und hole dich ab. Ich bin Vorsitzender und solange ich Vorsitzender bin, habe ich da zu sein“, kann ich jetzt sagen, ich muss nicht hin. Aber ich werde versuchen jeden Freitag hineinzuschauen und zu hören, was es Neues gibt. Und ich habe schon gelästert, meinen Platz am runden Tisch möchte ich behalten, es kommt zwar kein Namensschild dran, aber behalten möchte ich ihn.
Schießsport betreiben (überlegt), ja doch beim Königschießen nehme ich dran teil. Ich will ja zumindest zeigen, dass ich die 30 Ring schaffe. Alles weitere zeigt sich dann, ich habe ja die siebte Scheibe.
Viel Erfolg und danke für das Gespräch.
Das Interview führte Webmaster Stefan Henke am 30. Januar 2015.
www.schützenverein-berenbostel.de