Orchesterkonzerte der Edertalschule Frankenberg am 12. und 13. April 2013
„Alte Welt trifft Neue Welt“: Orchesterkonzerte am 12. und 13. April 2013
Ein emotionaler Konzertbericht
Voller Bewunderung sehe auf das, was da am Freitag und Samstag der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Bewunderung steigert sich abermals noch mit dem Blick hinter die Kulissen und auf jeden einzelnen, der dazu beiträgt, dass die beiden Orchesterkonzerte der Edertalschule Frankenberg mehr als nur zwei Konzerte sind.
Derjenige, der sich im Vorverkauf in Inge Jakobis Buchladen oder im Sekretariat des Gymnasiums eine Eintrittskarte für nur €2,50 kauft oder an der Abendkasse bei Ingrid Merle, weiß gar nicht, dass dieses kleine gelbe oder orangene Kärtchen der Eintritt zu einer Veranstaltung ist, die viel mehr als nur ein Orchesterkonzert ist.
Allein die Erstellung des Titelbildes, das Schreiben des Programms, das Drucken und Verteilen der Plakate sowie die Koordination des Kartenverkaufs sind ja nur ein winziger Teil der Vorbereitungen.
Jürgen Merle ist die bewährte, umsichtig helfende und organisierende Hand im Hintergrund.
Die ganze Fachschaft Musik hat vielfältig zu tun, denn die Leiter der Ensembles kümmern sich zum Beispiel wie Torsten Herguth auch um die Tontechnik oder betreuen wie Gertrud Will die auf ihren Auftritt wartenden Kinder. Matthias Müller bekommt am Samstag morgen schnell noch Noten, weil er am Abend spontan die Klavierbegleitung übernehmen soll. Martin Fischer hilft beim Aufbau der Orchester für die offiziellen Fotos. Schon beim Fotografieren blicke ich in die Gesichter von hundertfünfzig jungen Menschen, die hochmotiviert zeigen: „Hier spielt die Musik!“
Vorausgegangen sind Probenfreizeiten und unzählige Orchester-Proben. Die Kinder erlernen ein Instrument, üben darauf, werden von Eltern unterstützt und motiviert. Die 80 jungen Musiker des Jugendsinfonieorchesters kommen donnerstags und selbst samstags zu der Probe in die Kulturhalle und arbeiten sich mit ihrem Leiter Markus Wagener durch Unmengen von Noten, die er im Vorfeld bestellt hat und bei deren Finanzierung der Förderverein der Schule immer wieder hilft. Die Stimmführer führen Registerproben durch, welches eine wichtige und verantwortungsvolle Aufgabe ist.
Das Jugendorchester probt freitags mit Gertrud Will und Martin Fischer, die Proben sind anders, weil viele der 70 Schülerinnen und Schüler noch unerfahrener sind und die Probenarbeit dadurch ganz anders abläuft. Die Orchesterklassen proben und üben innerhalb ihrer Klassen, Matthias Müller kann mit seinen 18 Orchesterklassenkindern schon Stücke für Fortgeschrittene erarbeiten. Die Orchesterklasse 5d wird mit Martin Fischer im nächsten Jahr ihr Fortkommen unter Beweis stellen. Die Bigband probt mit Torsten Herguth in einer „nullten Stunde“ also noch vor Unterrichtsbeginn. Und das alles neben dem normalen Schulalltag aller Beteiligten.
In der Kulturhalle stehen fast 500 Stühle für Zuschauer, weitere auf der Empore und natürlich knapp 100 auf der Bühne. Der neue Hausmeister Matthias Karl hatte den Konzertsaal und die Nebenräume hingebungsvoll und perfekt vorbereitet, gelüftet und gut geheizt. Die Bühnenbeleuchtung, die im Namen der Theater AG der Edertalschule Marius Böhm verantwortete, wird nochmal gecheckt, die Abendkasse wird vorbereitet, Programmverkäuferinnen, Kartenabreißer und Spendensammler organisiert. Im Foyer bereitet die ganze Familie Mengel den Bewirtungsstand vor, schleppt Kisten mit Flaschen, Gläsern und mit duftendem Gebäck. Die Schülerinnen und Schüler treffen mit ihren Instrumenten ein, ziehen sich um, bereiten sich vor.
Wenn jetzt die Gäste kommen, lässt sich kaum erahnen, wie viel Arbeit und Vorbereitung hier schon erbracht wurden. In fast jeder Familie der Orchestermitglieder wurden Kleiderschränke durchwühlt, neue Kleider und Schuhe gekauft, ein jedes dieser Kinder hat sich traditionell schwarz gekleidet und die Mädchen kommen mit Schuhen in zum Teil schwindelerregenden Absatzhöhen. Die Haare kunstvoll drapiert. Die Jungs in Anzügen oder zumindest im Hemd mit Krawatte oder Fliege. Unglaublich, wie hübsch, wie schön alle Kinder sind. Die Jugendorchesterkinder sind in weiß/schwarz gekleidet und heben sich damit optisch von den anderen ab. Das Bild, das alle Ensembles auf der Bühne abgeben, ist einfach klasse. Professionell. Wie stolz müssen all die Eltern auf ihre Kinder sein. Meine beiden Mädchen sind auch da. Gelockt, dezent geschminkt, gut duftend. Ich bin so stolz.
Nach einem außerordentlich schönen Auftaktkonzert in Freienhagen und einer sehr erfolgreichen Konzertreise nach Amerika steht da nun ein perfekt vorbereitetes Jugendsinfonieorchester. Voller Begeisterung berichten die 64 Mitgereisten von den Erlebnissen und Eindrücken. Die, die nicht mitgefahren sind, profitieren auch von der ansteckenden Euphorie.
Viele ehemalige Schülerinnen und Schüler und ehemalige Orchestermitglieder sind gekommen, halten dem Jugendsinfonieorchester schon seit vielen Jahren die Treue. Großes Wiedersehen, viele liegen sich in den Armen.
Dann der Beginn des Konzertes durch die Big Band mit Torsten Herguth. Glänzende Instrumente, aus denen ein phänomenaler Sound kommt. Anika Neuschäfer singt Adeles „Rolling in the deep“ und hätte mit ihrer sagenhaften kraft- und gefühlvollen Stimme eigentlich kein Mikrophon gebraucht. Die Akustik in der Kulturhalle ist klasse. Einige der Schülerinnen und Schüler spielen zunächst mit „Blech“ und wechseln später im Orchester zu anderen Instrumenten. Total cool. Dass die Bläser dann auch noch das Thema von „J.A.G.“ spielen, einer amerikanischen Fernsehserie über Marine-Juristen, und damit ganz den Nerv der Marching-Band liebenden Amerikaner treffen, freut nicht nur mich. Auch die Amerikaner in Sheboygan, bei denen das Orchester zu Besuch war, und die amerikanische Familie, die vor kurzem nach Frankenberg gezogen ist und im Publikum sitzt, sind hin und weg.
Beim Premierenkonzert am Freitag führt Rainer W. Böttcher aus Bad Arolsen durch das Programm. Er war mit in den USA, als Moderator, Klavierbegleitung, Betreuer und nicht zuletzt als bester Freund von Markus Wagener. Seine mitreißenden Ansagen zu den Stücken beinhalten auch Streiflichter der Konzertreise und lassen einen jeden Zuhörer spüren, dass es für junge Menschen absolut erstrebenswert ist, eine solche Erfahrung zu machen.
Am Samstag moderiert Markus Wagener dann selbst. Was für eine körperliche Leistung es ist, ein Konzert zu leiten und es auch noch selber zu moderieren, lässt sich kaum erahnen. Das alles vor dem Hintergrund, dass die Kulturhalle gut geheizt ist. In Verbindung mit den Bühnenstrahlern ist es recht „kuschelig“ auf der Bühne, wie Wagener bemerkte. „Die zwei Liter Wasser, die ich während des Konzertes getrunken habe, habe ich komplett wieder ausgeschwitzt“.
Und wenn ein Orchesterleiter die Stücke selber ansagt, ist sicher, dass man allerlei Interessantes und die Hintergründe des Stückes erfährt. Dass er dann auch noch seine eigenen beiden Töchter dirigieren darf, kann kaum emotionaler sein.
Überhaupt sind solche Konzertabende hochemotional. Dass sich in der Pause Schirin Schwarz, die zuvor Mozarts Violinkonzert Nr. 2 spielte, mit ihrer älteren Schwester in den Armen liegt, rührt mehr als an. Zurecht ist die große Schwester sehr stolz auf die Konzertmeisterin, die jetzt schon wehmütig daran denkt, dass das nächste Schulkonzert ihr letztes sein wird. Auch nach dem diesjährigen Abitur werden sich wieder einige Musiker aus dem Orchester verabschieden.
Da sind stolze Väter, die ihre Kinder filmen oder fotografieren, und die Menge der verbrauchten Taschentücher seitens der gerührten Eltern und Großeltern ist nicht unerheblich. Da sind junge Musikerinnen, die Nadine Horsel aufmuntern, weil ihr schwieriges Solokonzert „Badinerie“ nicht ganz geklappt hat. Doch die sympathische Flötistin bleibt gelassen und nimmt lachend den stürmischen Beifall ab. Simon Ptaschnik wird am Samstag 18 Jahre alt. Grund genug für Orchester und alle Zuhörer aufzustehen, um ihm ein Ständchen zu singen. Jeder einzelne im Orchester ist wichtig. Auch die französische Austauschschülerin, die so gut Geige spielt, dass sie sich nach der Generalprobe zutraut, die Konzerte mitzuspielen. Das Orchester nimmt sie ganz selbstverständlich in seiner Mitte auf.
Für eine Berichterstattung über die gespielten Stücke greifen die beliebten Verben „brillieren“, „darbieten“, „zu Gehör bringen“, „überzeugen“ oder „spielen“ nicht mehr. Das Orchester „lebt“ seine Musik. Die Persönlichkeit und das Können eines jeden einzelnen im Orchester kombiniert mit der Empathie und dem Charisma seines Dirigenten führt zu einem Gesamteindruck, der sich nicht mit „gelungen“ oder „gekonnt“ beschreiben lässt, sondern mit umwerfend, euphorisierend.
Markus Wagener holt das Publikum von der einen Emotionswelle ab und schickt es sogleich auf die nächste, wenn er die „Finlandia“ ansagt. Zunächst erfahren die Zuhörer, dass zur Zeit, als diese symphonische Dichtung entstanden ist, alle Stücke „Finlandia“ hießen, und dass diese aus Protest gegen die damalige russische Besatzung Finnlands die heimliche Nationalhymne enthielt. Und dann lädt Wagener das Publikum ein, sich per „Kopfkino“ die Fjorde Finnlands vorzustellen, während die Musik ertönt. Seine Kinder machten das auch so, wenn sie die „Finlandia“ hörten, berichtet er.
Über Antonin Dvoraks Sinfonie „Aus der Neuen Welt“ erfährt man, dass einst der erste Mann auf dem Mond, Neil Armstrong, dieses Stück mit auf seinen Mondflug nahm. Und schon ist der Bogen wieder gespannt zum Flug und zur Reise in die „Neue Welt“, nach Chicago, wo das Orchester unter anderem einen grandiosen Sonnenuntergang aus 344 Meter Höhe im John-Hancock-Tower erlebte. Grandios gespielt auch die Sinfonie, bei der Lennard Gabriel wieder einmal gepaukt hat wie ein Großer.
Wagener lebt als bekennender James Bond Fan auf beim James Bond Medley, das er als - zugegeben sehr eigenwillig verkleideter - „Agent“ mit „Pistolen“ dirigiert. Diesen Orchesterstreich haben sich die Zwölftklässler ausgedacht, eine Tradition des Orchesters, gefürchtet und doch erwartet. Markus Wagener ist für jeden Spaß zu haben und lässt ihn geduldig über sich ergehen. Am Samstag verweigern die Musiker dann als „zweiten Streich“ den Beginn des Danzon Nr. 2 von Arturo Marquez und spielen erst mal den Tanz des „Bi-Ba-Butzemann“. Wagener nimmt es abermals mit Humor und dirigiert dann aber wirklich den mexikanischen Danzon voller unterschiedlicher Rhythmen, bei dem einzelne Register im Stehen spielen und vollen Körpereinsatz zeigen. Hochaktuell die neueste James-Bond-Nummer „Skyfall“, die Martin Fischer arrangiert hat und dessen Melodie Charlotte Pauli mit ihrem Saxophon spielt. Beim Konzert in der Freienhagener Kirche stand Charlotte mit dem Saxophon auf der Kanzel. Was für ein beeindruckender Sound.
Und dann wird es ruhig in der Kulturhalle: Apocalypticas „Nothing else matters“ gespielt von nur vier Celli. Was Lotte Mengel, Julia Goos, Simon Ptaschnik und Kristin Sander da zeigen, ist hohe Kunst. Was die jungen Leute da so scheinbar gelassen spielen, lässt die Emotionen wachsen und dann in minutenlangen Applaus enden. Da bleibt einem vor Erstaunen der Mund offen stehen.
Am Freitag zeigt das Jugendorchester, wie gut es sich vorbereitet hat. Die 70 Kinder aus den Klassen fünf bis neun sichern den Bestand des Jugendsinfonieorchesters, denn die Leistung ist ebenso klasse wie überraschend, weil die Kinder zum Teil erst elf oder zwölf Jahre alt sind. Bei „Can you feel the love tonight“ fühlt man wirklich die Liebe der Kinder zu ihrer Musik und die der Eltern für ihre Kinder, denen sie tosenden Beifall geben. Gertrud Will und Martin Fischer leisten Großartiges bei der Ausbildung ihrer Schützlinge. Und die drei gespielten Arrangements beweisen, dass es bereits für jeden Ausbildungsstand geeignetes Notenmaterial gibt, und sei es aus der Feder von Will und Fischer.
Die drei Arrangements, die Matthias Müller für seine Orchesterklasse geschrieben hat, sind auf den fortgeschrittenen Ausbildungsstand und die Instrumentengruppen der Klasse zugeschnitten und klingen daher mehr als schön. Die Fotoapparate klicken und die Videogeräte schnurren, als die Sechstklässler am Samstag unter anderem „Es waren zwei Königskinder“ spielen. Es lässt sich nicht ausmachen, wer stolzer ist, die Eltern auf ihre Kinder, die Kinder auf sich selbst oder Matthias Müller auf seine Orchesterklasse, die im nächsten Jahr hoffentlich vollzählig im Jugendorchester weitermacht.
Und dann „Pomp and Circumstance“: Die Schulhymne. Sie wird am Schluss stehend von allen beteiligten Musikerinnen und Musikern gespielt und vom Publikum feierlich im Stehen abgenommen. Feuchte Augen. Die Hymne wird nur zur Einschulung, bei der Abientlassung und am Ende eines Konzertes gespielt. Für viele bedeutet sie daher mehr als nur eine Schlussnummer. Am Freitag stehen beeindruckende 150 Kinder auf der Bühne und musizieren zusammen, die älteren nehmen die jungen in ihre Mitte und unterstützen sie. Am Samstag spielen dann die Sechstklässler mit „den Großen“ und fühlen sich sichtlich wohl auf der Bühne.
„Liebe Eltern, danke für so tolle Kinder!“, so bedankt sich der Orchesterchef Markus Wagener schließlich bei allen Eltern und spricht auch mir aus der Seele. Was für tolle Kinder. Was für eine tolle Leistung.
Bürgerreporter:in:Dorothea Wagener aus Frankenberg (Eder) |
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