Midori in Frankenberg - "Wunderkind" aus Japan feiert bereits 30. Bühnenjubiläum - Konzert in Liebfrauenkirche mit Pianist Özgür Aydin

Midori und Özgür Aydin gaben am 9. August 2012 ein Konzert in der Frankenberger Liebfrauenkirche
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Auf den großen Bühnen der Welt ist sie zuhaus. Carnegie Hall in New York, Phoenix Hall in Osaka, Royal Albert Hall in London, Liebfrauenkirche in Frankenberg. Moment mal. Frankenberg? Ja, Midori ist ein Weltstar und gastierte gerade aus Japan kommend mit dem Pianisten Özgür Aydin am Donnerstag in unserem großen „Konzerthaus“.

Kurz vor dem großen Finale des Kultursommer Nordhessen e.V., bei dem in 60 Orten in Nordhessen unglaublich vielseitige Kulturveranstaltungen geboten wurden, fand in Frankenberg auf Einladung der Veranstalter vom Kultursommer ein Konzert mit Midori, einer der ganz großen Geigerinnen unserer Zeit, statt.

Interessant war die Auswahl der Stücke des Konzertabends. Midori und Aydin spielten zwei frühe Beethoven-Sonaten, die eher filigran sind und somit Midoris Typ entsprechen. Beethoven wurde erst durch seine späteren großen, wuchtigen Werke bekannt, die wie die frühen Kompositionen einer formalen Struktur entsprechen. Dem gegenüber standen zwei strukturell komplett gegensätzliche Werke, jedes für sich bot seinen eigenen kleinen Kosmos.

Leoš Janácek komponierte etwa 100 Jahre nach Beethoven eine Violin-Sonate, die durch ihre Form etwas ausdrücken, etwas Außermusikalisches darstellen wollte, nämlich menschliche Emotionen und Ereignisse in der Zeit des ersten Weltkrieges. „Mal sind die vermittelten Emotionen rau, haarsträubend und erschreckend, dann wieder tragisch, sanft und bedrückend“, so Midori in ihrer Erklärung. Das Stück erinnerte in Teilen an eine Rhapsodie, also an ein Instrumentalwerk, dass an keine bestimmte musikalische Form gebunden ist und unzusammenhängende Figuren, Ideen und Themen lose verbindet. Auf die Zuhörer übertrug sich eine tiefe Ergriffenheit und eine große Spannung, als der letzte Ton am höchsten Punkt des Steges schwebte.

Dieses höchst anspruchsvolle Werk bot einen schönen Kontrast zur davor gehörten A-Dur Sonate Nr. 6 von Beethoven. Violine und Flügel standen im musikalischen Dialog, Beethoven hat beiden Instrumenten eine gleichwertige Rolle zugewiesen, die Midori und Aydin zart und völlig unaufgeregt spielten. Auffällig ist, wie wunderbar die beiden Künstler harmonieren, wie sie aufeinander eingespielt sind. Was für ein Glücksfall. Das Publikum kostete jeden Moment der intensiven Schönheit der Musik aus.

Auch die A-Dur Sonate Nr. 2 von Beethoven besticht durch seine musikalische Leichtigkeit und seinen freudvollen Charakter. Die ausgezeichnete Akustik in der Liebfrauenkirche, ein herrlicher Kawai-Flügel, die Perfektion Midoris und Aydins und die Schlichtheit der Musik ließen den Zuhörer an diesem Sommerabend nichts vermissen.

Einen wunderbaren Kontrast dazu bot das „Poème Mystique“ von Ernest Bloch. Diese äußerst selten gespielte sehr anspruchsvolle zweite Violinsonate des Komponisten besteht aus lediglich einem Satz, der dem Geiger höchste technische Voraussetzungen abverlangt: Er mutet so scheinbar mühelos und entspannt an, doch geht es hier nicht um Form, sondern vielmehr um Programm.

In diesem fantasievollen Werk ist alles im Fluß, es entsteht ein nicht enden wollendes Gefühl von Hoffnung und Leidenschaft, ein Klanggefühl voller Bilder und Farben. Midori muß hier über das gesamte Stück die Spannung halten, was das hohe musikalische Niveau ausmacht. Darüber hinaus ist das Klavier nicht nur Begleiter, sondern gleichwertiger Partner. Aydin ersetzte hier sehr klangvoll einen ganzen Orchesterpart, aber auch das schien ihm mühelos zu gelingen. Überhaupt besticht Aydin durch sein gefühlvolles, differenziertes, weiches und doch kraftvolles Spiel. Die erzeugten Emotionen steigerten sich ins Atemlose, bis die Zuhörer sich nach einem ansteigenden Finale zufrieden und beruhigt zurücklehnen konnten.

Die Liebfrauenkirche war nicht ganz ausverkauft, aber voller Emotionen, viele Fans von Midori waren weit gefahren und konnten im Anschluß an eine Zugabe noch persönlich mit der Künstlerin sprechen, bekamen Autogramme und ließen sich ein Buch signieren. Die Nähe zum Publikum macht die zierliche Frau besonders sympathisch.

Hintergrund

Midori Goto wurde 1971 in Osaka geboren. Mit drei Jahren begann sie Geige zu spielen, mit sechs gab sie ihr erstes Konzert. Mit elf stand sie gab sie ihr Debüt mit den New Yorker Philharmonikern unter Zubin Mehta. Midori hat ein abgeschlossenes Psychologie-Studium, sie engagiert sich für Bildung und soziale Projekte, setzt sich für ihre vier gemeinnützigen Organisationen ein und wurde 2007 vom Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, zur Botschafterin des Friedens ernannt. Ganz nebenbei hat sie ihre Autobiografie in einem Buch veröffentlicht und berichtet darin unter anderem von den Schattenseiten ihrer Karriere als Wunderkind: „So deutlich hat lange niemand auf die Gefahren von Ehrgeiz und Leistungsdruck hingewiesen“, heißt es in einer Kritik. Vor acht Jahren befand sich Midori in einer schweren psychischen Krise, herbeigeführt durch zwanghaftes Perfektionsstreben. Trotz langer Krankheit konzertierte sie pflichtbewußt weiter und fand durch ihren Erfolg und großen Zuspruch schließlich zurück zu Stabilität und Zuversicht. Unermüdlich reist sie zu Konzerten und ihren Projekten um den Globus und feiert in diesem Jahr ihr 30. Bühnenjubiläum. Sie lebt in den USA.

Özgür Aydin wurde 1972 in den USA geboren. Der türkische Pianist hat in Ankara, London und Hannover Musik studiert und gewann 1997 den internationalen Musikwettbewerb der ARD in München. Seither konzertiert er bei bedeutenden Festivals auf der ganzen Welt. Er ist Träger verschiedener Auszeichnungen und tourt regelmäßig mit Midori.

Bürgerreporter:in:

Dorothea Wagener aus Frankenberg (Eder)

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