Von Haus und Hof vertrieben – die Geschichte der Familie Friedrichs auf Patzig-Hof
Wir schreiben das Jahr 1888, das Rittergut Patzig-Hof auf Rügen wird von der Familie Raslow für 345 000 Mark an Ernst Friedrichs, dem damaligen Pächter von Silvitz, veräußert. Bis zur Enteignung im Jahre 1945 bewirtschaftete die Familie das Gut.
Ökonomierat Ernst Friedrichs (1846-1926) galt zu jener Zeit als überaus einflussreiche Person des öffentlichen Lebens. So war er vor dem Ersten Weltkrieg Kreistagsabgeordneter, gewählt aus dem Verband der rügenschen Großgrundbesitzer. Des Weiteren war er Provinzialabgeordneter für den Kreis Rügen sowie Gründer der Spar-und Darlehnskasse in Patzig, Rappin und Neuenkirchen. Daneben galt er aber auch als Pragmatiker. Unter anderem reparierte er noch eigenhändig seine landwirtschaftlichen Maschinen und Gerätschaften. Auch legte er mit den damaligen Schmied Gustav Wittstock aus Patzig-Dorf zusammen eine Wasserleitung von der Quelle im Wald durch die Koppel zum Hof Patzig.
Der Grundsteuerreinertrag des Gutes Patzig-Hof mit Woorke und dem Anteil Patzig-Dorf betrug im Jahre 1911 insgesamt 8115 Mark. Im Jahre 1919 übernimmt Sohn Walter Friedrichs das Gut als gelernter Landwirt. In Folge der Inflation verliert die Familie beträchtliches Vermögen. 1934 lässt Walter Friedrichs, die im gleichen Jahr abgebrannten Wirtschaftsgebäude neu errichten. Im Jahre 1937 übernimmt dessen Sohn Hans Jürgen Friedrichs den Gutsbetrieb. 1939 wird dieser zum Kriegsdienst einberufen und schwer verletzt. Sein jüngerer Bruder fällt bei Stalino 1942. Im Jahre 1945 erfolgt dann die Enteignung und Vertreibung. An einen regnerischen Abend im Oktober erhält die Familie von der russischen Kommandantur die strikte Anweisung innerhalb einer Stunde heimatlichen Grund und Boden zu verlassen. Vier Erwachsene, darunter Walter Friedrichs mit seiner Frau, sowie fünf kleine Kinder verlassen zu Fuß und ohne jegliches Gepäck Patzig-Hof. Das Wohnhaus wird ausgeraubt und das gesamte Vieh abgetrieben. Die Familie Friedrichs wird zu großen Teilen auseinandergerissen und in allen Richtungen zerstreut. Patzig-Hof wurde innerhalb der Bodenreform an Neusiedler übergeben. Das Herrenhaus selbst diente in den Folgejahren als Flüchtlingsunterkunft und später als Schule.
Bürgerreporter:in:Thomas Wendt aus Fahrenzhausen |
1 Kommentar
Sie möchten kommentieren?
Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.