„Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan!“ - Werkstatt-Treffen in Bochum

6. März 2010
10:00 Uhr
Kulturzentrum "bahnhof langendreer", 44894 Bochum
Aufgenommen bei einer Friedensdemo in Bonn.  Um 1980

Einladung zum „Werkstatt-Treffen: Heraus aus der Sackgasse in Afghanistan“

am Samstag, 6. März 2010, von 10 – 18 Uhr in Bochum: Auch dank der mutigen Neujahrspredigt von Landesbischöfin Margot Käßmann in Dresden ist das Thema Krieg in Afganistan und die Notwendigkeit des „Exit“ auf der Tagesordnung.

Wir laden hiermit alle Personen, die schon unterschrieben haben oder künftig unterschreiben oder sonst angesprochen werden, ein zu einer eintägigen Beratung am
Samstag, 6.März 2010, von 10 Uhr bis 18 Uhr, im Kulturzentrum „bahnhof langendreer“, Wallbaumstr. 108, 44 894 Bochum-Langendreer

(Tel. 0234 – 68 71 610). Anmeldungen erleichtern die Vorbereitungen.

Ziele:

# Die politische Analyse des Krieges in Afghanistan befördern
# Die Debatte zum „Exit“, zur Abzugsforderung in den Parteien und gesellschaftlichen Organistionen beflügeln
# Zivilgesellschaftlichen Druck auf Parteiführungen, Parlament und Regierung erhöhen.

Folgende Themen werden in diesem Werkstatt-Treffen erörtert:
• Militärstrategische Einschätzung/Exit-Strategie: Andreas Zumach (zugesagt)
• Medienkritik: Margarete oder Siegfried Jäger (zugesagt)
• Diskusssionspunkte im „Appell...“: Jürgen Link (zugesagt)
• Politische Konstellationen: Tobias Pflüger (angefragt)
• Völkerrechtliche Fragen: Norman Paech (angefragt)
• Friedensethische Positionen z.B. Kirchen und andere gesellschaftliche Organisationen:Jan Gildemeister (angefragt)

Wir sind dabei, auch die Friedensnetzwerke (Bonn und Kassel) und „Nord-Süd-Gruppen“ einzuladen. Der Aufruf „Dem Frieden eine Chance – Truppen raus aus Afghanistan“ wirbt um Unterstützung (www.Bundesauschuss Friedensratschlag)

Text unserer Anzeige in der Wochenzeitung „FREITAG“ am 28.1.2010:

„APPELL: HERAUS AUS DER SACKGASSE IN AFGHANISTAN!

Warum ist es nicht nur das Beste, sondern das schlechthin Notwendige, dass die Bundeswehr umgehend und vollständig aus Afghanistan abzieht?

Weil die anfangs und seither gegenüber der Öffentlichkeit für diesen Krieg angeführten Diskursblasen sämtlich längst geplatzt sind und weil die hinter der Phrase von der „gewachsenen deutschen Verantwortung“ verheimlichten tatsächlichen Argumente fatal sind:

Die Diskursblasen von Demokratie, Frauenemanzipation und Wohlstand durch Bundeswehreinsätze nehmen ihre Erfinder selbst seit langem nicht mehr ernst. „Unsere Sicherheit am Hindukusch? Die Terrorquelle schließen? “ Offensichtlich wurde sie durch diese Kriegführung erst richtig geöffnet.

Also die „gewachsene deutsche Verantwortung“: „Wir dürfen uns nicht drücken“ usw. Dahinter steckt ein ganz und gar irrationaler und angesichts der deutschen Geschichte fataler Anspruch auf einen Platz unter den führenden Weltmächten. [...]
Sollte Deutschland in die Rolle eines der führenden Mitglieder in einer Art informeller militärischer „Welt-Junta“ aber bloß absichtslos hineingerutscht sein, so gilt es jetzt, zu einer solchen Rolle vernünftig nein zu sagen.

Der Afghanistankrieg ist dabei der Lackmustest.

Dieser Krieg wird von seinen Strategen als „Krieg gegen den Terror“ („War on Terror“) bezeichnet. Dahinter verbirgt sich ein Anti-Guerilla-Krieg von Typ Vietnam, der außerhalb des Völkerrechts geführt wird, weil die Feinde weder als Kombattanten noch als Verbrecher definiert sind: Wären sie Kombattanten, müssten sie als Gefangene in offen zugänglichen Lagern interniert werden – wären sie (mutmaßliche) Verbrecher, dürften sie auf keinen Fall ohne Anklage, Prozess und Urteil einfach auf Verdacht und präventiv „gezielt getötet“ und „eliminiert“ werden.

Genau das aber ist der strategische Kern dieses Krieges, der daher auch auf Seiten der NATO exterministischen Charakter hat.

Das von der Bundeswehr zu verantwortende „Massaker“ (Jürgen Todenhöfer) von Yakob Baj am 4.9.2009 signalisierte geradezu symbolisch, dass die Bundeswehr, falls sie nicht abzieht, genau dieser exterministischen Strategie verpflichtet ist und weiter sein wird.

Es ist also ein Krieg, dessen entscheidende taktische Mittel „Drohnen“ im wörtlichen und übertragenen Sinne sind: automatische oder von Menschen geflogene Luftangriffe als „gezielte Tötungen“, bei denen zugegebenermaßen „unschuldige“ Opfer in erschreckendem Umfang bereits in einem vorherigen CDE (Collateral Damage Estimate) akzeptiert werden, sowie „gezielte Tötungen am Boden“, ebenfalls mit durchschnittlich hohen zivilen Opfern („Taliban-Jagden“ genannt) durch Elite-Einheiten wie das KSK. Wie sollen junge Männer ohne Sprach- und Kulturkenntnisse einen (von vornherein immer „des Todes schuldigen!?“) „Taliban“ von einem „Unschuldigen“ unterscheiden?

Sie müssen sich auf die Informationen und Befehle ihrer Vorgesetzten verlassen, die ebenfalls sprach- und kulturunkundig sind und sich einfach auf die Denunziation von „Informanten“ verlassen. Der Kern dieser Strategie besteht also darin, Terror mit Gegen-Terror zu bekämpfen und sich auf diese Weise an den terroristischen Gegner anzugleichen. [...] Da „Taliban“ ein Plastikwort ist, wird jede Art von Renitenz zu „Taliban“ – und auch dadurch werden es immer mehr. Die jetzige Situation ist eben die Konsequenz der „Terrorkrieg-Strategie“ und gänzlich von deren Befürwortern zu vertreten. Von den Kritikern dieser Strategie nun das Wunder einer sofortigen alternativen Ideallösung einzufordern, ist ein Gipfel unfairen Diskussionsstils.

Dennoch ist sicher: Weil Eskalation in die Sackgasse geführt hat, gibt es zur Deeskalation keine Alternative. Wer in der Sackgasse steckt, muss umkehren und nicht stur weitermarschieren. Militärischer Rückzug und Deeskalation werden nicht umgehend Wunder wirken, wohl aber bisher noch gar nicht versuchte Optionen öffnen. Das hat auch eine finanzielle Komponente, die nicht verheimlicht werden darf: Der Krieg kostet täglich Unsummen, von denen schon die Hälfte enorme friedliche Alternativpotentiale eröffnen könnte. Die starke Opposition im Iran zeigt im übrigen das Potential eines innerislamischen Pluralismus – würde die Welt-Junta auch dort militärisch intervenieren, so würden die Interventen sofort zum allgemeinen Hauptgegner und die Opposition geschwächt werden. Die Wegnahme des äußeren Drucks wird also mittelfristig Schritte zu einem innerafghanischen Ausgleich und einer innerafghanischen Befriedung auf jeden Fall erleichtern. So viel ist sicher: Die Eskalation des Krieges wird die schon gegebene Katastrophe noch katastrophaler und noch auswegloser machen.

Damit steht Deutschland nun für alle sichtbar am Scheideweg: Entweder sich an die Mitgliedschaft in der informellen militärischen „Welt-Junta“ zu klammern und die exterministische Strategie eines „Terror-Kriegs“ bewusst zu akzeptieren – oder ein vernünftiges Nein zu sagen und die Bundeswehr nachhause zu holen, wodurch nicht zuletzt auch die deutschen Soldaten aus Lebensgefahr und der Gefahr von „Befehlsnotständen“ befreit würden. Ein solcher Schritt Deutschlands könnte auch mehreren schon bestehenden Initiativen für eine Friedenskonferenz unter führender Beteiligung von Vertretern aller Gruppen der afghanischen Zivilgesellschaft eine entscheidende Unterstützung verleihen. [...]“

Unterzeichnet haben:

Stand Freitag, 22. 1.2010, in Anzeige FREITAG 28.1.2010:
(Beruf/Fach/Funktion haben wir in der Anzeige abgekürzt)
Prof. Dr. Wolfgang Asholt, Osnabrück, Literaturwiss.
Karla Leonartz-Aksu, Voerde, Dipl-Päd.
Fatimah Ulfat-Arjumand, Essen, Lehrerin
Dario Azzelini, Berlin/Caracas, Sozialwiss., Autor,
und 154 andere

Jürgen Link (Zeitschrift „kultuRRevolution“, email : juergen@link-heer.com.
blog bangemachen.com )
Hartmut Dreier (Zeitschrift: AMOS, email: dreier.marl@freenet.de )

[Per Email erhalten am 10.02.10]

Bürgerreporter:in:

Dietrich Stahlbaum aus Recklinghausen

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