Die Zukunft des Festivals scheint gesichert. Die über 10.000 Besucher setzen sich aus allen Altersgruppen zusammen. Besonders viele Jugendliche fielen in diesem Jahr auf. Dies liegt mit Sicherheit an der sehr guten Auswahl der auftretenden Künstler. Hier muss man den Veranstaltern ein gutes Händchen bescheinigen. Es ist für alle etwas dabei, ob es sich um Rocklegenden oder kaum bekannten jungen Bands handelt. Musik ist überall, auf der Hauptbühne, der Freakstage, der Mental Stage, der Palettenbühne am Hauptweg oder spontan irgendwo in Freak City. Es sind nicht, wie auf vielen großen Festivals, von Stromgeneratoren angetriebene Monsteranlagen die laute Konservenmusik liefern, sondern oft handgemachte Musik und sei es nur mit der Wandergitarre an einer Feuerstelle. Die Herzberg Atmosphäre legt sich wie ein Schleier auf die Besucher. Eben noch gestresst auf der Autobahn, die Alltagssorgen noch im Kopf, kommt man an und erliegt dem Zauber. Alle sind freundlich und nett, keine Aggression, ein friedliches Festival und kaum alkoholische Ausfälle. Ein paar Ausfälle gab es aber doch, aber die gingen auf das Konto des hochsommerlichen Wetters mit Temperaturen um 32°C.
Zu Festivalbeginn kam nicht nur Klaus der Geiger, sondern auch eine Unwetterfront, die aber nur ein paar Sonnenschirme fliegen ließ und den einen oder anderen Pavillon in die Knie zwang. So richtig geht das Festival am Donnerstag los, wenn die Freak City Band auf der Bühne steht, alles selber Festivalbesucher. Der professionelle Einstieg kam dann mit der charmanten Holländerin Anneke van Giersbergen, die viele noch aus ihrer Zeit mit The Gathering kannten. Sie eroberte mit ihrer neuen Band Agua De Annique sofort das Publikum. Gleich danach ging es mit einer Legende weiter. Seit über 40 Jahren sind Nektar eine Konstante im Bereich progressiver Rockmusik. Die britische Band (inzwischen deutsch-britisch) feierte ihre größten Erfolge in Deutschland und boten ein langes gutes Konzert. Zu einer anderen Generation gehört die letzte Band am Donnerstagabend auf der Hauptbühne. Lazuli ist eine junge französische Band, die mit neuer Besetzung, zum zweiten Mal auf dem Berg auftraten. Zur Musik fällt mir spontan nur die Bezeichnung "erfrischend anders" ein. Irgendwo zwischen Prog-Art-Ethno-Folk sind sie wohl Zuhause und das mit teilweise unüblichen Instrumenten und kaum zu glauben, sie hätten gerne mit dem Publikum den WM-Erfolg von Deutschland gefeiert. Nicht nur für mich ein absolutes Highlight. Auf der Freakstage unterhielt Götz Widmann mit Gästen an diesem Abend.
Am Freitag begannen The Flying Eyes vor allem zur Freude junger weiblicher Besucher den Konzerttag. Sie waren kurzfristig für die Hellsongs eingesprungen, die ihren Terminkalender nicht im Griff hatten. Aus Irland folgten The Vals mit einem Rock-Pop Konzert. Den Soundtrack zum hochsommerlichen Wetter hätte niemand besser liefern können als Osibisa. Sie liefern seit 1969, wie sie ihren Namen frei aus dem ghanaischen mit "criss cross rhythms that explode with happiness" übersetzen echte gute Laune Musik. Vor der Bühne wurde so richtig abgefeiert. Wieder wesentlich jünger und einen ganz anderen Stil hatte die nächste Band Archive. Progressiver Rock mit Trip-Hop-Elementen aus London fand auch ein begeistertes Publikum. Und wieder wurde gleich danach ein musikalischer Haken geschlagen. Mit Hawkwind stand die 40 jährige Space-Rock Legende auf der Bühne, die durch ihre mit Tänzerinnen in Kostümen aufgemotzte Bühnenshow und der treibenden Rockmusik auch junge Besucher begeisterten. Zum Abschluss wieder eine jüngere Band, Astra, die sich aber sicherlich an den großen Prog-Rock Bands der 1970er orientieren. Natürlich auch Musik auf der ständig gut besuchten Freakstage, die ich aber immer nur mal zwischendurch besuchen konnte. Dort waren einige ständige Festivalbands wie die Schweizer Ginger oder Hasenscheisse mit ihren bissigen Texten zu hören.
Der Samstagmorgen brachte zu nächst Regen, aber auch eine willkommene Abkühlung. Leider fiel der Peter Bursch Gitarrenkurs ein wenig ins Wasser. Aber kurz vor einer Festivalsensation hörte der Regen auf. Zur frühen Stunde standen The Brew auf der Bühne, eigentlich eine Band für den späten Abend. Jason Barwick ist gerade mal 21 Jahre alt, aber was er auf der Gitarre zaubert, ist atemberaubend. Er steht in der Tradition der ganz Großen wie Hendrix oder Stevie Ray Vaughan, ist aber kein Cover Gitarrist, sondern hat seinen eigenen Stil, den er mit ungewöhnlicher Energie auf der Bühne präsentiert. Unterstützt wird er vom Vater-Sohn Rhythmus Team Tim und Kurtis Smith. Wer die Möglichkeit hat The Brew live zu sehen sollte dies nutzen, sie wurden auch schon vom Rockpalast aufgezeichnet, das Video gibt es auf der Rockpalast Homepage. Lauten Rock aus Belgien folgte mit Triggerfinger, die ihren ganz eigenen Stil pflegen. Mit Roger Chapman and the Shortlist war dann einer der Shouter des Rock zu sehen und hören. Schon seit Family gehört er zu den Sängern mit einer ganz unverkennbaren Stimme und sicherlich ist er eine prägenden Figur der Rockmusik. Er will sich zur Ruhe setzen, hoffen wir mal das ist nur eine Drohung, denn sein Konzert zu Füßen des Herzbergs mit Songs quer durch seine Karriere strotzte nur so von Energie. Sympathie brachte ihm auch gleich sein Burg Herzberg Festival T-Shirt. Es folgte ein Gitarrist, der auch als Legende gilt. Er war der Nachfolger von Eric Clapton bei den Yardbirds, Jeff Beck. Ein technisch perfekter Gitarrist, der beim Publikum aber gemischte Gefühle erzeugte. Dem einen waren stundenlange Gitarrensoli zu langweilig oder die Musik zu kalt, andere waren einfach nur begeistert. Seine derzeitige Begleitband besteht aus exzellenten Musikern und der Sound war brillant. Bei "People Get Ready" erwische ich mich selber beim Mitsingen, ein fast nur instrumentelles Konzert ist doch so eine Sache, bei "Somewhere Over the Rainbow" oder einer Puccini Arie passt es aber schon. Einen festen und treuen Fankreis haben die Engländer New Model Army, die auch schon seit 30 Jahren im Geschäft sind. Ihre Wurzeln liegen im Punk und der Protest Bewegung gegen Maggy Thatcher und ihre Politik. Sie gelten noch heute als eine Band mit Anliegen, die etwas zu sagen hat. So wundert es nicht, dass Sänger und Gitarrist Justin Sullivan dem Börsencrash einen Song widmet. Ein echtes Power Konzert! Den Abend beenden alte Bekannte, die Band Orange mit ihren Vibes. Besonders beliebt ist an diesem Abend auf der Freakstage die Grateful Dead Cover Band Cosmic Finger.
Der letzte Tag eines Festivals hat immer eine merkwürdige Atmosphäre. Alles ist schon etwas verbraucht und viele reisen im Laufe des Tages schon ab. Auch der eine oder andere Imbisstand meldet ausverkauft und Händler verstauen schon mal ihre Ware. Das ist ein sicheres Zeichen, das es bald Abschied nehmen heißt und der Alltag wieder auf einen wartet. Dieser Sonntag steht irgendwie unter dem Motto "Blechblasinstrumente". Das beweist schon der Auftakt mit der Amsterdam Klezmer Band. Auch The Great Bertholinis haben Bläser in der Band, wichtig ist hier aber die Sprache. Das Konzert wird mal wieder von einem On Stage Heiratsantrag unterbrochen, wird das jetzt zur Mode? Aus New York kommen Hazmat Modine mit einem bunten Stilmix und einem beeindruckenden Sousaphon Spieler. Ein weiteres Festival Highlight betritt gegen 18:45 die Bühne. Asaf Avidan & the Mojos aus Israel waren auch schon im Rockpalast zu sehen. Ihre Musik ist, wie sie sagen, nicht israelisch, sondern bedient sich aller Elemente die von den kulturell verschiedenen Einwanderer mit nach Israel gebracht wurden. Asaf Avidan betritt zunächst alleine mit Akustik Gitarre die Bühne und beweist sein gutes Songwriting, vorgetragen mit seiner eigenwilligen Stimme, die manchmal an Janis Joplin erinnert. Zu ihm gesellt sich dann die bezaubernde Cellistin Hadas Kleinman, die in der Abendsonne wie ein Botticelli Gemälde wirkte. Nach einem weiteren Stück kommt die ganz Band auf die Bühne und sie spielen ein wunderbares Konzert. Das Cello steht oft im tollen Kontrast zu den E-Gitarren. Bereitwillig geben sie nach der Show Autogramme, es sind sogar Fans aus Israel im Publikum. Was dann folgt, hätte wohl niemand beim Burg Herzberg Festival vermutet. Bayrische Blasmusik. LaBrassBanda spielen sie aber nicht traditionell, sondern als Hochgeschwindigkeits Brasspunk oder Bayernska. Dazu interessante Texte und lustige Ansagen. Humor habens scho die Chiemgauer Naturburschen, die natürlich in Lederhosen auftreten. Alleine die Geschichte ihrer Erlebnisse mit dem Chiemsee Reggae Summer, war den Auftritt wert. Zwischendurch kurze Pause um das Hirn wieder mit Sauerstoff zu versorgen. Vor der Bühne noch mal richtig Party, bevor das Herzberg Team auf der Bühne mit einem Foto das Festival beendet. Das Foto machte eine Studentengruppe unter Leitung von Clemens Mitscher von der Hochschule für Gestaltung in Offenbach. Sie waren mit einem professionellen Fotostudio vor Ort und Festivalbesucher konnten sich bei ihnen fotografieren lassen. Zudem entstanden zahlreiche tolle Konzertfotos. So ganz zu Ende war das Festival noch nicht, auf der Freakstage spielten noch Vibravoid. Wieder mal ein tolles Festival, das Wetter war gut und alle sind sich einig: ein großes Lob an die Veranstalter und Helfer, bis zum nächsten Jahr!
270 weitere Festival Fotos sind hier zu finden:
http://www.music-links.de/herzberg10.html
Bürgerreporter:in:Michael Marsch aus Ebsdorfergrund |
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