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Vortrag: Aufforderung zur Untreue

Mit einem abwechslungsreichen Vortrag zum Thema „Relevanzdenken“ startete die Vortragsreihe „WAZ.Wissen“ im Essener Haus der Technik ins neue Jahr. Mit Sabine Hübner und Carsten K. Rath standen dabei erstmals gleich zwei Referenten auf der Bühne. Komprimiertes Seminarwissen in unterhaltsamen Abendvorträgen versprachen die Veranstalter und wurden diesem Anspruch beim Auftakt der Reihe gerecht.

Betreibt Boris Becker „Frauen-Benchmarking“? Diese Frage stellten die Referenten ziemlich zu Beginn des Vortrags und präsentierten Fotos der verschiedenen Lebenspartnerinnen des ehemaligen Tennis-Stars, denen eine gewisse Ähnlichkeit nicht abzusprechen ist. Kurzweilige Beispiele, theoretisches Wissen und einstudierte Späße vermengten sich während des 90minütigen Vortrags zu einem bunten Potpourri. Oft gelte es, die Regeln zu brechen und neue und unkonventionelle Ideen auszuprobieren. So gebe es in Amerika ein Café, das statt der sonst üblichen Treue-Karten eine Untreue-Karte entwickelt habe. Völlig überzeugt von der Qualität des eigenen Kaffees lässt man die Kunden Stempel von acht Wettbewerbern sammeln, um diese dann bei ihrer Rückkehr mit einem kostenfreien Kaffee zu begeistern und zu binden. „Menschen möchten nicht gebunden werden“, erläuterte das gut aufeinander eingestimmte Referenten-Duo dem Publikum. Daher habe diese Idee bei wirklich bester Qualität hohe Erfolgsaussichten. Gleiches gelte für Herzlichkeit und Freundlichkeit, mit deren Hilfe es immer gelinge eine belastbare Verbindung zum Kunden herzustellen.

Besonders gut kamen beim Publikum die aus aller Welt zusammengetragenen Praxisbeispiele und das Faktenwissen an. Weniger überzeugend waren die teils einstudiert wirkenden Dialoge, bei denen mancher Gag nicht zündete. Eine originelle Idee war hingegen der Einsatz eines überdimensionalen Buzzers, mit dem für den Kunden relevante Ideen von anderen getrennt werden sollten. Präsentiert wurden unter anderem eine durch die Beinbewegungen beim Laufen betriebene Trockenhaube und Essstäbchen mit eingebautem Ventilator. Warum Sabine Hübner den Ventilator als Vibrator bezeichnete und dann herzlich lachen musste, wird wohl für immer ein Geheimnis der Österreicherin bleiben. Manchmal sei die Relevanz auch von der Situation abhängig. Eine Tageszeitung im Zug oder Flugzeug sei relevant. Eine im Mietwagen wohl weniger. Dort biete sich an, für das gleiche Geld eine Flasche Wasser bereitzulegen. Manche Dinge würden mit der Zeit ihre Relevanz verlieren. Früher sei ein Telefon im Hotelzimmer sinnvoll gewesen, heute nicht mehr. Dafür biete es sich an, den Kunden kostenfreien Internetzugang zu bieten. Letztlich käme es in jedem Unternehmen auf die Haltung gegenüber dem Kunden an – und das Verständnis für Relevanz.

„Anders sein ist kein Selbstzweck“, so die nächste Erkenntnis aus dem Vortrag. Vielmehr sei die Relevanz ein Treiber der Innovation, wenn man die Zielerreichung nicht aus dem Blick verliert. Faktoren dabei seien Qualität, Design und auch Funktionalität. Manchmal sei es ganz einfach. Eine Mineralwasserfirma habe sich mit Flaschen mit größerem Hals einen Wettbewerbsvorteil verschafft und in einem schrumpfenden Markt neue Kunden gewonnen. Grund sei, dass Restaurantbesucher aus diesen Flaschen mehr Wasser trinken als aus den klassischen und die Restaurants deshalb gerne umstiegen. Generell gelte, dass der Service an Wert gewinnt, wenn das Produkt kein Engpass mehr ist. Dienstleistungen seien gerade dann erfolgreich, wenn sie für Vereinfachung, Komfort oder Individualität sorgten. So sei ein Tankwart-Service trotz Mehrkosten für die Kunden in Deutschland sehr gut angekommen. „Der Herr Rath und ich…“ berichteten weiter aus der Praxis und scheiterten dann an der Vorführung eines Videoeinspielers. Doch nach diesem Tiefpunkt ging es wieder bergauf. Rath berichtete, dass ein Serviceautomat bei der Autovermietung nur dann funktioniert, wenn er auf individuelle Wünsche zum Beispiel zur Automarke Rücksicht nimmt. Schließlich sei jeder Kundenkontakt die Möglichkeit, einen Menschen für das ganze Leben als Kunden zu gewinnen oder zu verlieren.

Mit einer Publikumsumfrage sollte deutlich werden, dass sich nur wenige Kunden bei schlechtem Service beschweren. Manche geben sogar Trinkgeld, obwohl sie unzufrieden waren. Doch fast alle berichten negative Serviceerlebnisse in ihrem persönlichen Umfeld. Daher finde häufig eine Abstimmung mit den Füßen statt, die man nur mit bestem Service gewinnen könne. Nur, dass sich niemand beschwert habe, sei längst kein Indikator mehr für Kundenzufriedenheit. Auch bei Verkaufsgesprächen sei der Preis oft nur ein vorgeschobener Einwand. Manchmal sei es bei der Entwicklung der eigenen Strategie sinnvoll, sich gegen den Trend zu stellen. So habe IKEA sich klar gegen den Trend entschieden, den Kunden immer mehr teure Serviceleistungen anzubieten. Manches davon sei eine „Blindleistung“, die für die meisten Kunden keinen Wert habe. Wer diese nicht mehr anbiete, könne sich auf die echten Wünsche der Kunden konzentrieren. Mit Blick auf die Hotelbranche riet Rath nicht nach einer schönen Anreise zu fragen, die es nur selten gebe und beim Frühstück nach Namen zu fragen, statt nach der für die Kunden unrelevanten Zimmernummer.

Auch in der Werbung gehe es um Relevanz. Statt die Kunden mit schwer merkbaren Zahlen und Fakten zu versorgen, sei es sinnvoll Geschichten zu erzählen. Auch in der Praxis könne man manchmal mit Kleinigkeiten und guten Ideen punkten. So seien Trittflächen auf Gittern für Frauen mit hohen Absätzen relevant, da diese Reparaturkosten sparen. Auch Teewurst aus der Dose habe sich aus Kosten- und Handlinggründen bewährt. Digitale Feedbackstationen und selbst ein Navigationsgerät für Paketdienste, das diese möglichst oft rechts abbiegen lässt, seien sinnvoll. Immer, wenn sich eine Chance für eine relevante Serviceidee biete, solle man diese ausprobieren, so der abschließende Rat.

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