Kurzgeschichte
"Die Leere"
Seit Jahren fühlte er sich eingeengt. Die Wände seines Lebens schienen sich unaufhaltsam zu verengen, bis er kaum noch atmen konnte. Seine Frau hatte ihn verlassen, den Job verloren, und seine Geliebte hatte ihn rausgeschmissen. Ein Trümmerfeld aus Beziehungen und Hoffnungen lag hinter ihm, und er stand allein in der Dunkelheit.
Die Tage verschwammen zu einer grauen Masse. Er wanderte durch die Straßen, ohne wirklich zu wissen, wohin er ging. Seine Gedanken schwebten ins Nichts, wie verlorene Seelen auf der Suche nach einem Zufluchtsort. Die Sonne schien nur noch ein ferner Fleck am Himmel zu sein, der keine Wärme mehr spendete.
Eines Abends, als der Regen auf die Fensterscheiben trommelte, saß er in seiner kleinen Wohnung und starrte auf die leere Flasche Wein vor sich. Der Alkohol hatte seine Schmerzen betäubt, aber jetzt war er wieder da – der Schmerz, der ihn zermürbte. Er fühlte sich wie ein verlassenes Schiff, das auf hoher See trieb, ohne Ziel, ohne Hoffnung.
Doch dann geschah etwas Unerwartetes. Ein Brief landete auf seinem Tisch. Er war alt und vergilbt, die Tinte verblasst. Als er die Zeilen las, spürte er, wie etwas in ihm erwachte. Es war eine Einladung zu einer Ausstellung – eine Ausstellung von verlorenen Träumen und vergessenen Geschichten. Der Ort war abgelegen, tief im Wald, aber er spürte, dass er dorthin musste.
Die Reise war beschwerlich, aber er kämpfte sich durch das Dickicht. Als er den verwitterten Pavillon erreichte, sah er sie: die verlorenen Träume. Sie hingen an den Wänden wie zarte Schmetterlinge, ihre Farben verblasst, aber ihre Schönheit noch immer spürbar. Er betrachtete jedes einzelne Bild, jede vergessene Geschichte, und fühlte, wie etwas in ihm heilte.
Und dann sah er sie – seine eigene Geschichte. Sie war klein und unscheinbar, fast übersehen. Aber sie war da. Er nahm sie in die Hand und las die Worte, die er vor langer Zeit geschrieben hatte. Es war eine Liebesgeschichte, die nie zu Ende erzählt worden war. Die Worte flüsterten ihm zu: “Es ist nie zu spät.”
Er verließ den Pavillon mit einem neuen Gefühl. Die Leere in ihm war nicht mehr so erdrückend. Er wusste, dass er die verlorenen Träume nicht zurückholen konnte, aber er konnte neue finden. Er konnte eine neue Geschichte schreiben, ein neues Kapitel beginnen.
Und so wanderte er weiter, die verblassten Bilder im Herzen. Die Dunkelheit war noch da, aber jetzt wusste er, dass es auch Licht gab. Und vielleicht, nur vielleicht, konnte er es finden – in den verlorenen Träumen und den vergessenen Geschichten.