Zollverein und das Design
Nicht nur das RED-DOT Museeum, sondern eine aktive Gemeinschaft
des Desgins- das Sanaa Gebäude und die Designstadt 1
welche Wirkung zeigt das Ganze?
Auf 35 000 Quadratmetern sollten Unternehmen angesiedelt werden
Die Idee der Designstadt Zollverein hörte sich an wie ein schöner Traum.
Die städtische Wirtschaftsförderung sprach vor zwei Jahren von einem Platz für "Himmelsstürmer", der im ärmsten Teil von Essen entstehen sollte. In der Broschüre "Freiraum Zollverein" hieß es: "Insgesamt stehen 35 000 Quadratmeter Fläche zur Ansiedlung und Gründung von Unternehmen zur Verfügung."
Die Rede ist von der Zollverein School of Design, einem Ort, der Querdenkern und visionären Köpfen den nötigen Spielraum zur Verfügung stellen sollte. Es gab Modelle, in denen sich Dutzende Gebäude in gewagten Konstruktionen zwischen Grünanlagen und Zechenbauten einfügten. Ein Lockruf war das an alle Menschen aus der weiten Welt des schönen Scheins. Und oben drüber ein tolles Logo. Gefördert wurde das Ganze von der Essener Wirtschaftsförderung und der Entwicklungsgesellschaft Zollverein (EGZ).
Doch der Traum ist aus. Die School Zollverein, als Zentrum der Designstadt, geriet schon ein Jahr nach ihrer Eröffnung in die Existenzkrise. Zu wenig Studenten, zu geringe Einnahmen. Die Gebühren für einen 20-monatigen Executive MBA waren mit 22 000 Euro wohl zu hoch. Zumal über Deutschland hinaus bekannte Professoren kaum in der neuen Schule unterrichten wollten. Der spektakuläre Bau der Schule ist mit zuletzt noch 30 Studenten kaum ausgelastet und an wenigen Tagen in der Woche überhaupt geöffnet. Etwa 20 Millionen Euro Fördergelder stecken drin.
Das geplante neue Designstadt-Viertel hinter der Schule, neben der Kohlewäsche? Eine Brache, umzäunt, abgesperrt, leer. Einmal ließ sich ein saudischer Scheich mit Namen Hani Yamani im Helikopter über das Nichts fliegen und versprach, 39 Millionen Euro in den Zollverein-Staub zu investieren. Nur an der folgenden Ausschreibung für das Gelände wollte sich Scheich Yamani nicht beteiligen. Investiert wurde auch nichts.
Der Marketingleiter der EGZ, Ralf Thielen, bestätigt, das nicht viel von den ehrgeizigen Plänen umgesetzt wurde: "Die Designstadt, das ist heute ein Gebäude." Tatsächlich gibt es nur ein Haus, das den Namen trägt "Designstadt Nummer 1". Mehr ist nicht da.
Thomas Stratmann ist einer von den wenigen, die sich von den Versprechungen haben anziehen lassen. Heute sagt der Webdesigner: "Das ist hier nur Blendwerk." In dem Haus "Designstadt Nummer 1" sitzen ein Rechtsanwalt, ein Hallenbauer, ein Ingenieurbüro, eine Zeitarbeitsfirma und noch ein paar andere Gewerke, die mit dem Kreativitätsbusiness soviel zu tun haben, wie ein Elektriker mit Malerei. Ein Haus "Designstadt Nummer 2" wird seit Jahren geplant - jedoch bis jetzt nicht umgesetzt.
Die Kreativen sitzen ausschließlich in der ersten Etage der "Designstadt Nummer 1": ein Dutzend Kleinstfirmen, mit meist einem Beschäftigten. Auch Thomas Stratmann wollte hier seine Agentur aufbauen. Er hoffte auf ein gutes Umfeld. "Aber hier ist nichts. Hier ist eine Wüste drum herum."
Gebaut hat das Haus "Designstadt Nummer 1" der Unternehmer Andreas Schürmann aus Dortmund. Von ihm mietete die Essener Wirtschaftsförderung fast zwei Etagen und vergab diese zu deutlich subventionierten Tarifen über die EGZ an die Design-Gründer weiter. Der geförderte Mietpreis lag etwa bei 8,50 Euro je Quadratmeter warm, inklusive Strom. Für ein kleines Bürozimmer, modern ausgestattet, zahlt beispielsweise ein Mini-Betrieb knapp 195 Euro.
Nun laufen die Subventionsmieten aus. Und die Gründer sollen neue Verträge mit dem Unternehmer Schürmann abschließen. Dieser fordert jedoch einen Preis von etwa 16 Euro je Quadratmeter warm, inklusive Nutzung von Nebenflächen, wie Klo und Teeküche. Das belegen Mietunterlagen, die der "Welt am Sonntag" vorliegen.
Wie viele Subventionen bislang insgesamt an Schürmann und in die Designstadt geflossen sind, wollte die Essener Wirtschaftsförderung auf schriftliche Anfrage nicht sagen. Den Kreativen in der "Designstadt Nummer 1" ist die hohe Miete offensichtlich zu teuer. Sie kündigen Reihenweise ihre Mietverträge. Die Tarife in der Essener Innenstadt sind wesentlich günstiger.
EGZ-Vermarkter Thielen bestätigt: "Etwa 50 Prozent der Verträge wurden bereits gekündigt." Dieser Zeitung gegenüber behaupteten dagegen fast alle Design-Mieter, ihre Verträge auflösen zu wollen. "Hier ist doch nichts wahr gemacht worden. Warum sollen wir hier bleiben?", fragt Norman Bruckmann, der einen Internet-Fernsehsender aufbauen will. Statt auf eine interessante Umgebung blickt er auf einen Metallzaun. Der direkte Zugang zur Kohlenwäsche ist versperrt. Parkverbotsschilder stehen im Abstand von wenigen Metern.
Nun hoffen alle Beteiligten auf die Zukunft. Die Landesentwicklungsgesellschaft NRW (LEG) hat mittlerweile als Eigentümerin der Brache rund um die Design-Etage einen europaweiten Wettbewerb ausgelobt. Neue Investoren sollen auf Zollverein Hotels bauen, Kneipen und Wohnungen. Das neue Viertel wird allerdings nicht unter dem Namen Designstadt angeschoben. Ergebnisse sollen im Juli präsentiert werden. Niemand wollte sagen, wie viele Interessenten sich beworben haben.
Das sei geheim, heißt es.