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Ohne Glauben und Hoffnung - Leben am Rande Wer aus der Kirche ausgetreten ist, muss nicht ohne Heimat bleiben

Während viele Menschen nur enttäuscht waren und sich empört haben, haben sich in den vergangenen Wochen zahlreiche Menschen zu dem Schritt entschlossen, aus der römisch-katholischen Kirche auszutreten. Der Grund: vier Bischöfe, die im Juli 1988 vom Vatikan exkommuniziert wurden, weil ihre Weihe nicht vom Papst genehmigt war, sind Ende Januar von Papst Benedikt XVI. wieder zu den Sakramenten zugelassen worden. Das bedeutet letztlich die Aufhebung der Exkommunikation. Vier Einzelpersonen, die bis heute weite Teile der Ergebnisse des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnen, das unter anderem den Dialog mit anderen Religionen verstärkte, die ökumenischen Beziehungen förderte, die Gemeinschaft der Bischöfe betonte, die Stärkung der Ortskirchen vorantrieb und die Liturgie, wie sie heute in der Heimatsprache und den Menschen zugewandt in den römisch-katholischen Gemeinden gefeiert wird, erneuerte. Gegen diese vier Bischöfe stehen Tausende von Menschen, die enttäuscht sind über diese Entscheidung des Papstes. Darunter solche, die geschieden und wieder verheiratet sind, andere, die in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben, oder Priester, die ihren Beruf geliebt haben, sich aber für die Liebe zu einer Frau entschieden haben. All diese Menschen leben aus Sicht der Herren, die im Vatikan die jüngsten Entscheidungen getroffen haben, weiterhin im Zustand der Exkommunikation, in einem Zustand der Sünde.

Dies hat dazu geführt, dass in den vergangenen Wochen zahlreiche Menschen aus der römisch-katholischen Kirche ausgetreten sind, nicht selten solche, die sich seit Jahren in der Kirche engagiert haben und die sich auf Grund einer wichtigen Lebensentscheidung dennoch nie richtig angenommen gefühlt haben. Wer geschieden und wieder verheiratet ist, darf bis heute nicht zur Kommunion gehen. Dagegen hat Papst Benedikt XVI. – „bewegt von väterlichen Empfindungen angesichts der von den Betroffenen bekundeten geistlichen Notlage wegen der erfolgten Exkommunikation“, wie es in einem Dekret des Vatikans zu lesen ist, die vier Bischöfe wieder in die Gemeinschaft der Kirche aufgenommen, die weiterhin munter nur die Alte Messe zelebrieren, für die die Juden außerhalb allen Heils stehen und unter denen sich ein Leugner des Holocausts befindet, der sich grotesker Weise auch noch eine wochenlange Bedenkzeit erbitten durfte. Alle Reaktionen der Piusbruderschaft zeigen weiterhin, dass sie nicht bereit ist, das 2. Vatikanische Konzil zu akzeptieren. Im Gegenteil, man tanzt Rom auf der Nase herum. Die Geduld des Vatikans ist rätselhaft strapazierbar.

Viele sind jetzt auf der Suche nach einer neuen kirchlichen Heimat. Dass ein Papst vor nur wenigen Jahrzehnten schon einmal zahlreiche Katholiken aus der Kirche vertrieben hat, wissen nur wenige. 1870 verkündete Papst Pius IX. auf dem Ersten Vatikanischen Konzil die Unfehlbarkeit in allen Glaubensfragen und beanspruchte für sich, in allen kirchlichen Angelegenheiten allein entscheiden zu können. Dieser so genannte Jurisdiktionsprimat führte unter anderem bis heute zur Durchsetzung von Bischöfen, die der Papst wollte, die Ortskirchen jedoch nicht. Das war bereits 1988 bei der Ernennung von Joachim Kardinal Meisner zum Erzbischof von Köln der Fall, und das bestätigte sich jüngst durch die Ernennung des Pfarrers Gerhard Maria Wagner zum Weihbischof für die Diözese Linz.

Damals, im Jahr 1870, entstand die alt-katholische Bewegung. Katholiken schlossen sich zusammen, weil sie die Exkommunikation nicht hinnehmen wollten und den synodalen Strukturen der Kirche des ersten Jahrtausends treu bleiben wollten. In den Anfängen der Kirche wählten die Ortskirchen ihren Bischof selbst, sie entschieden ihre Angelegenheiten eigenverantwortlich und ließen sich von dem Bischof in Rom, dem sie nicht mehr als einen Ehrenrang zuerkannten, nichts vorschreiben. Heute sind alt-katholische Christen in ganz Deutschland in mehreren Gemeinden aktiv. Auch in Essen gibt es eine lebendige alt-katholische Gemeinde. Jeden Sonntag versammeln sich Menschen zum Gottesdienst in der inzwischen wegen ihrer künstlerischen Ausgestaltung berühmten Friedenskirche in der Bernestr. Neben der Alten Synagoge . Dort wird seit langem schon das gelebt, was sich viele Katholiken in ihrer Kirche wünschen: der Pfarrer, der von der ganzen Gemeinde gewählt und nicht einfach vorgesetzt wird, ist in der Regel verheiratet und hat eine Familie. Eine Verpflichtung zum Zölibat gibt es bei den Alt-Katholiken nicht. Und mittlerweile kommt es auch vor, dass eine Frau eine Gemeinde leitet und als Priesterin dem Gottesdienst vorsteht. Damit hat man sehr gute Erfahrungen gemacht. In der Osterwoche wird bereits die neunte Frau für den Dienst im alt-katholischen Bistum geweiht.

Auch in der alt-katholischen Gemeinde in Essen sind die jüngsten Entscheidungen aus Rom Gesprächsthema. Verstärkt besuchen in letzter Zeit Gäste aus anderen Konfessionen die Gottesdienste. Pfarrer Ingo Reimer, der für die Gemeinde zuständig ist, meint dazu: „Man befindet sich als engagierter Ökumeniker und zugleich als entsetzter Seelsorger und glühender Katholik in einer schwierigen Lage. Einerseits muss man die enttäuschten Katholiken aus der „großen Schwester“ auf die Alternative der alt-katholischen Gemeinde hinweisen, andererseits tut ein solcher Hinweis manchen unserer römisch- katholischen Geschwister weh, weil sie in ihrer angestammten geistlichen Heimat bleiben wollen, trotz allem. Andererseits wissen aber viele nicht um die Möglichkeit, katholisch bleiben zu können, ohne alles Römische ertragen zu müssen. Sie sind oft mehrfach enttäuscht: nach dem Konzil 1965, der Würzburger Synode 1972, nach den jeweiligen Bistumssynoden, nach dem Scheitern des Kirchenvolksbegehrens Mitte der neunziger Jahre, nach den vielen unsäglichen Entscheidungen und Verlautbarungen der beiden Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. Sie verlassen die Kirche ganz - innerlich oder äußerlich- und wechseln in keine andere Konfession. Das ist für die Betroffenen unendlich traurig, für Kirche und Gesellschaft aber ein verheerender Kulturabbruch. Da muss man etwas sagen.

Inzwischen hat der Papst einen Brief an die Bischöfe der römisch- katholischen Kirche geschrieben (11.03.2009). Darin entschuldigt er sich für Verfahrensfehler. Es wird aber in keiner Weise angedeutet, dass auch nur ein wenig vom eingeschlagenen reaktionären, restaurativen Kurs zurückgenommen und bisherige diesbezügliche Entscheidungen und Verlautbarungen zurückgenommen wird. Keine Spur von Entgegenkommen gegenüber „Abweichlern“ auf der anderen Seite des kirchlichen Spektrums. Es wird gefragt, ob man z.B. 490 Pius- Bruderschafts- Priester verstoßen solle? Was aber ist allein mit 8000 Priestern in Deutschland ( weltweit 100 000 in den letzten 30 Jahren !), die lediglich wegen Eheschließung verstoßen wurden? Etc., etc., etc.

Es ist richtig, dass eine solche Entschuldigung eines Papstes etwas ganz Neues und sehr hoch einzuschätzen ist. Sie zeugt auch von der persönlichen Größe des Papstes. Es bleibt aber zu befürchten, dass ihre Wirkung- nicht ihre Absicht !- die einer mächtigen Nebelkerze ist. Es wird wieder alles ruhig werden: der Papst meint es ja nur gut, entschuldigt sich sogar, steht hinter dem Konzil etc. Am Kurs wird sich nichts ändern, womöglich weil der Papst gar nicht einsieht, was er anrichtet. Die Schönredner sind jedenfalls schon kräftig am Werk. “

Auch Bischof Joachim Vobbe, der seinen Dienstsitz in Bonn hat, aber für ganz Deutschland zuständig ist, ist sehr enttäuscht über die Entscheidung des Papstes, die vier Traditionalistenbischöfe wieder in den Schoß der römisch-katholischen Kirche zurückzuholen. Zwar befürwortet er jede Bemühung um Einheit unter den Christen, aber er fragt sich, ob eine Versöhnung mit den Alt-Katholiken nicht vorrangig wäre. Vobbe ist davon überzeugt, dass alt-katholische Christinnen und Christen viel bewusster auf der Linie des Zweiten Vatikanischen Konzil lägen als ein Holocaust-Leugner oder ein Traditionalisten-Priester, der in der Karfreitagsliturgie noch für die „perfiden“ Juden betet. Bischof Vobbe ist über die rückwärts gewandten Wege von Bendedikt XVI. verwundert und blickt mit Verwunderung auf die neue Kleiderordnung im Vatikan: „Die Mitren werden wieder größer, und alles wird wieder goldener und pompöser. Das sagt viel.“, meint Bischof Vobbe.

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