„Lateinamerika erfahrbar“ und näher an unserer Lebensart als wir es denken.
Unsere Aufgabe ist es, solidarisch an der Seite der Menschen in Lateinamerika zu stehen und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten.“ Das hat Prälat Bernd Klaschka am 16. Juli 2011 in Essen betont. Der Geschäftsführer von Adveniat hatte an diesem Tag allen Grund zur Freude. Denn: mit einem Tag der offenen Tür feierte das Lateinamerika-Hilfswerk seinen 50. Geburtstag, mitten in der Essener Innenstadt, auf dem Burgplatz, in der Volkshochschule, im Dom und in der Geschäftsstelle.
Den zahlreichen Besuchern wurde viel geboten: Jede Menge Informationen rund um Lateinamerika, Gebet, Tanz, Musik, Modenschauen mit lateinamerikanischen Trachten und kulinarische Spezialitäten. Und für die Kinder wurde in Trommel- und Tanzworkshops „Lateinamerika erfahrbar“ – so lautete auch das Motto des Tages.
Die Distanz zwischen den Kontinenten zu überwinden, gelang offensichtlich auch trotz kleinerer „Handicaps“. So nahm der 11-jährige Raphael mit großer Begeisterung an einem Tanzworkshop teil, und das, obwohl er „seit 122 Tagen Gips trägt“. Denn er hatte sich das Schienbein gebrochen. Doch davon merkte man nichts, als er sich zusammen mit anderen Tanzbegeisterten zur Conga-Musik bewegte. „La Conga“, so erklärte Tanz-Lehrerin Matilde Morales Ramos, im „normalen Leben“ Rezeptionistin bei Adveniat, sei ein traditioneller kubanischer Tanz. „Eins, zwei, drei, Drehung, springen“, rief sie laut, und selbst beim Springen geriet Raphael nicht ins Stolpern.
Sehr viel leiser als beim Tanz-Workshop ging es bei den Vorträgen zu: über Freiwilligendienst in Lateinamerika, die Besonderheiten des Fairen Handels, wie eine gerechte Wirtschaftspolitik aussehen muss und auch die Armutsbekämpfung wurde berichtet und diskutiert. Hierzu gab Bischof Lucio Alfert aus Pilcomayo in Paraguay ganz konkrete Einblicke. Der Bischof machte deutlich, dass die Ureinwohner Paraguays, die Indigenen, noch immer um ihre Rechte kämpfen müssten; in Paraguay heißt das vor allem: Kampf um das Land, das ursprünglich einmal den Indigenen gehörte, bis sie im 19. Jahrhundert enteignet wurden. Heute ist dieses Land im Besitz von wenigen Großgrundbesitzern, und die Kirche, so betonte der Bischof, setze sich dafür ein, dass die Indigenen ihr Land zurückerhielten. „Immerhin 120.000 Hektar konnten wir in meiner Diözese für die Indigenen zurückgewinnen“, sagte Bischof Alfert.
Neben dem Recht auf ihr Land müssten die Indigenen auch das Recht haben, sich so zu organisieren, wie sie es wollen und nach ihren eigenen kulturellen Vorstellungen zu leben. Jeder Mensch, so sagte der Bischof aus Paraguay, suche „ein Leben in Fülle“, und das Ziel müsse es sein, „Leben in Fülle für alle“ zu erreichen. Tatsächlich, so beklagte Alfert, wachse jedoch die Kluft zwischen den wenigen, „die skrupellos Reichtum anhäufen, und den Unzähligen, denen das Existenzminimum vorenthalten wird“. Adveniat habe in den vergangenen fünf Jahrzehnten viel dazu beigetragen, diese Kluft zu überwinden und Brücken zu bauen. Das hatte auch Prälat Klaschka schon bei der Eröffnung des Tags der offenen Tür betont. Der Geschäftsführer unterstrich, dass es beim Lateinamerika-Engagement von Adveniat um eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“ gehe. Ohne die Gleichwertigkeit aller Menschen zu akzeptieren und ohne, dass die Menschen in Lateinamerika selbst die Handelnden sind, sei Adveniat nicht denkbar.
Auch Bischof Franz-Josef Overbeck besuchte den Tag der offenen Tür. Er sagte: „Wenn wir etwas für die Kirche in Lateinamerika tun, tun wir auch etwas für uns.“ Und auch der Essener Oberbürgermeister Reinhard Paß ließ es sich nicht nehmen, Adveniat zu gratulieren. Das Lateinamerikahilfswerk bringe „ein großes Maß an Internationalität“ nach Essen und sei ein „großartiger Werbefaktor für die Stadt“. Von den Essener Entsorgungsbetrieben hatte er sogar einen 2.500 Euro hohen Scheck für Adveniat mitgebracht.