Täter und Opfer
Es gibt zwei Arten von Menschen: Die einen sind die Täter, die Bösen; die anderen sind die Opfer, die Guten. Und nun?
Es ist eigenartig, die Opfer sind offenbar schon immer und nur die Opfer; sie führen genau darüber Buch, wann sie wo von wem, selbstverständlich völlig unverschuldet, zum Opfer gemacht wurden; diese historische Zeitreise geht nicht nur Tage, Wochen Monate, sondern Jahre, Jahrhunderte, Jahrtausende zurück: einmal Opfer, immer Opfer!
Sehen wir etwas genauer hin. Dieses Opferbild gibt es zum Zeitpunkt Heute und dem hiesigen Ort; also immer zu der Einheit von Zeit und Ort. Zu einem anderen Zeitpunkt und/oder an einem anderen Ort ist diese Wahrnehmung von Täter/Opfer ganz anders. Der sich heute als Opfer Fühlende, als Opfer Bezeichnende, wechselt also blitzschnell zum Täter – und das verschweigen die heutigen „Opfer“.
Es kommt noch schlimmer: Die Rollenverteilung hängt stets davon ab, wer im Moment der Tat gerade die Macht hat, nur der Mächtige kann auch Täter sein. Und welch ein Wunder, kaum erlangt das bisherige Opfer eine Machtposition, schon tut das bisherige Opfer ohne zu zögern und ohne jede Hemmung genau das anderen an, was es eben noch als so ungerecht empfunden und bezeichnet hat.
Hör dir die heutigen Nachrichten an, achte darauf, wer wem was antut, überlege, was eben noch dieser jetzige Täter, ja fast parallel und zeitgleich ihm als völlig ungerecht in kaum vergangener Zeit angetan beklagt.
Wenn ich gerade ermordet werde, schreie ich: Ich bin ein Opfer! Aber wenn ich meine Ermordung überlebt habe, zögere ich nicht einen Augenblick, eben so grausam und noch gemeiner meinen Nächsten zu ermorden. - Höre Nachrichten, und du findest die Beispiele.
Moral: Sorge als Täter immer dafür, dass es keine Überlebenden, Zeugen, Beweise gibt. - Ob die Opfer diese Folge wohl auch bedenken?
31.07.2021
Hermann Müller
Bentierode
Bentieröder Bruch 8
D-37574 Einbeck