Deutsch – (nicht nur) für Nicht-Deutschsprachige
Mit „Deutsches Sprack, schweres Sprack, - hat sich drei Artikel: das die der Deibel hole!“ versuchte meine ältere Schwester mir die drei Artikel in der deutschen Sprache näherzubringen. Mit der Schulnote in Deutsch um „Mangelhaft“ und zwei Abiturzeugnissen (eines in der DDR und eines in [dem damaligen] Westberlin) wurde mir nicht nur bei Zeiten der Wert eines Zeugnisses nach den Maßstäben der deutschen Verwaltung beigebracht, sondern bin ich auch hinreichend qualifiziert, um über die Feinheiten und Gemeinheiten der deutschen Sprache zu schreiben.
Beginnen wir ganz einfach. Ein „Hamburger“ ist etwas zum Essen oder ein Bürger der Stadt Hamburg. Ein „Kasseler“ ist ein Stück Fleisch oder ein Bürger der Stadt Kassel – und ein „Kassler“ ist ein Schreibfehler. Ein „Zigeunerschnitzel“ ist kein geschnitzelter und gebratener Zigeuner und ein „Jägerschnitzel“ ist auch kein gebratener Jäger (in beiden Fällen geht es nur um die Art der Zubereitung). Eine „Braunschweiger Wurst“ kommt nicht zwingend aus Braunschweig und der „Königsberger Klops“ kommt nicht zwingend aus Königsberg (die Stadt trägt heute einen anderen Namen). Ein „Berliner“ ist was zum Essen oder ein Bürger Berlins und ein „Wiener Würstchen“ ist etwas Essbares – oder ein glückloser Spieler der dortigen Fußballmannschaft?
„Ganz Berlin kennt Meyer!“ oder „Meyer kennt ganz Berlin!“ - beide Sätze sind nicht eindeutig: Kennt der Meyer die ganze Stadt Berlin oder ist der Meyer eine bekannte Persönlichkeit sodass ganz Berlin ihn kennt? Sätze mit dieser Mehrdeutigkeit lassen sich leicht konstruieren, wenn (Grammatik hilf!) der erste und vierte Fall gleichlautend sind.
Vorsicht! „Polnische Wirtschaft“ bezeichnet nicht die Wirtschaft Polens, sondern ist ein Schimpfwort und bedeutet eine liederliche Misswirtschaft. „Spanische Stiefel“ sind keine in Spanien hergestellten hohen Schuhe, sondern ein Folterinstrument zur Zeit der Hexenverfolgungen: zwei Bretter werden beidseits des Fußes angelegt und so lange zusammengedrückt, bis die Knochen brechen. „Judenschule“ ist keine Schule für oder der Juden, sondern ein Schimpfwort und bezeichnet eine Versammlung, in der alle durcheinander schreien (und sich schlagen).
In der Verhandlung eines Mordprozesses vor dem Landgericht Hannover antwortete der Zeuge, ein Kriminalhauptkommissar aus Hameln, alle von der Verteidigung vorgelegten Fragen, ob eine in den Akten genannte Aussage so richtig sei, stets mit „Wenns in den Akten steht.“ Mehrdeutigkeit: „Es steht in den Akten, weil es richtig ist“ oder „Es ist richtig, weil es in den Akten steht.“ Die Juristen im Prozess bemerkten die Tücke der Aussage des Zeugen nicht – oder wollten es nicht bemerken. (Die Akten enthielten viele Fehler, der Angeklagte wurde trotzdem verurteilt.)
Grußformel unter einem Brief, einem Schreiben. Zunächst: ein „Brief“ ist an eine Privatperson gerichtet; ein „Schreiben“ ist an eine Verwaltung gerichtet oder kommt von dort; ein „Schriftsatz“ ist an ein Gericht gerichtet. Ehedem wurden Schreiben an die oder von der Verwaltung mit „Hochachtungsvoll“, selten an die Verwaltung mit „vorzüglicher Hochachtung“ beendet. Heute eher mit „Gruß“ oder „mit freundlichen Grüßen“. Die Formulierung „Mit der Ihnen gebührenden Hochachtung“ oder gar „Mit der Ihrer Leistung gebührenden Hochachtung“ wurde vom Behördenempfänger und dann vom Gericht als Beleidigung bewertet; - Vielen Dank deutsches Gericht für die richterliche Bestätigung, dass die Behördenleistung miserabel schlecht war – oder haben Sie schon mal davon gehört, dass sich ein Nobelpreisträger wegen eines Bezugs auf seine Leistung beleidigt gefühlt hat?
Zusammen oder getrennt. „Wir können alles zusammen schreiben aber nicht alles zusammenschreiben!“ Beachte die Bedeutungsänderung! Und dann das Kinderwortspiel: „Mein Eid“ aber „Meineid“.
Groß oder klein. Aus dem Vernehmungsprotokoll eines von drei Verdächtigen, Beschuldigten: Frage: >Haben sie geschossen?Ja!Haben Sie geschossen?“ Antwort: >„Ja!“< dann hat der Befragte eben ein Geständnis abgelegt. Es kommt also auf die Schreibung an: Groß (Anrede) oder klein. - es soll Ermittler geben, die – scheinbare, absichtliche – Schreibfehler in Protokollen ausnutzen.
Ja oder Nein. Deutscher Bundestag, der FDP-Redner wird ständig von einem CDU-Schreier unterbrochen: „Ja oder Nein?“. Der FDP-Redner geht endlich darauf ein: „Es gibt Fragen, die nicht einfach mit JA oder NEIN beantwortet werden können: Wann haben Sie aufgehört Ihre Frau zu verprügel?“
Mehrdeutigkeit. Ein preußischer Gesandte beklagte sich bei Bismarck, die deutsche Sprache habe für die gleiche Sache so viele verschiedene Wörter. Bismarcks Antwort: „Sie sind Gesandter aber kein Geschickter!“
Zweideutigkeiten sind nicht einfach die kleinste Mehrdeutigkeit; Zweideutigkeiten sind eben deshalb eindeutig – mindestens in diesem Bereich: „Da wo andere die Moral haben, hatte sie ein Loch!“ (Zitat, von wem?).
Mehrdeutigkeiten in der Politik bringen den Sprecher ins Gespräch – und bringen ihn manchmal auch ins Gerede: „Denkmal der Schande“ - ist die Tat, an die das Denkmal erinnern soll, eine Schande? Oder ist die Ausführung jener Tat, ob der produzierten Berge und nicht rechtzeitig beseitigten Beweise, eine Schande? Oder ist die Ausführung des Denkmals so jämmerlich, dass es eine Schande ist? Oder … - Anderes Beispiel: „Vogelschiss der Geschichte“: ein Vogelschiss ist etwas Unbedeutendes, was sind zwölf Jahre gegen die viertausend Jahre der geschriebenen Geschichte oder der mehrere Millionen Jahre der ungeschriebenen Geschichte? Oder sind diese zwölf Jahre von überragender, historischer Bedeutung, sind sie einmalig, weltbewegend, herrlich? - Ich bewundere die Einfältigkeit der Kritiker, nur durch ihr lautes Geschrei erinnert man noch an diese Entgleisungen, Ihr lieben Kritiker müsst mal lernen, zu schweigen: totschweigen!
Du kannst im Deutschen alles sagen - du musst es nur können! Deutsch ist eine herrliche Sprache – du musst sie nur können!
Nachtrag. Im einführenden Satz „… das die der Deibel hole!“ ist nur das Wort „der“ ein Artikel – und „das“ ist hier falsch geschrieben („daß“, neue Schreibung: „dass“).
23.01.2019
Hermann Müller
Bentierode
Bentieröder Bruch 8
D-37574 Einbeck