Paul Klee im K21
„100 x Paul Klee Geschichte der Bilder“ heißt eine Ausstellung, die seit dem 29. September 2012 im K21 in Düsseldorf zu sehen ist. Ursprünglich bis zum 10. Februar 2013 angesetzt, ist die Ausstellung wohl so erfolgreich, daß sie bis zum 21. April verlängert worden ist.
Der Ankauf von 88 Werken Paul Klees (1879 – 1940) war nach Angaben des Museums im Jahre 1960 der Anstoß zur Gründung der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, die bekanntlich schon seit jenen Tagen in Düsseldorf beheimatet ist. Heute zählt die inzwischen auf 100 Arbeiten angewachsene Sammlung nach eigenen Angaben „zu den umfangreichsten Beständen dieses Künstlers in Deutschland und ist ein international bedeutender Anziehungspunkt.“
Erstmals werden nun alle Werke gemeinsam der Öffentlichkeit präsentiert, wie das Museum berichtet. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht demnach nicht nur das Schaffen Klees, sondern auch die oft wechselvolle Geschichte der Kunstwerke.
Die Beziehung zu Düsseldorf kommt dabei nicht von ungefähr. In der Schweiz als Sohn eines Deutschen geboren, lehrte Klee seit Anfang der 1930er Jahre an der Düsseldorfer Kunstakademie. Unter dem Druck der nationalsozialistischen Diktatur wanderte er schon Ende 1933 in die Schweiz aus.
„Im Bestand der Kunstsammlung sind alle Schaffensphasen des Künstlers vertreten. Der Bogen spannt sich von dem noch unter Jugendstil-Einfluss stehenden Hinterglasbild Bildnis der Frau v. Sinner, Bern (1906) bis zu Klees späten Arbeiten auf Papier wie der Zeichnung scharfes Wort, entstanden im Todesjahr 1940. Präsentiert werden die Arbeiten in der zeitlichen Abfolge ihrer Entstehung, verteilt auf die drei Säle der Bel Etage im Ständehaus. Den Anfang machen Zeichnungen aus der Zeit nach der Jahrhundertwende. Werke um 1914 spiegeln die Erfahrungen wider, die Klee während seiner legendären Tunisreise gemacht hat. Präzise komponierte Gemälde geben Aufschluss über die Ölmalerei, mit der der Künstler 1919 begann. Wieder andere Arbeiten – wie etwa Polyphone Strömungen (1929) – entstanden in den geometrisch-konstruktivistisch geprägten Jahren, in denen Klee an der staatlichen Hochschule für Gestaltung, dem Bauhaus, tätig war. Zeichnungen und Ölgemälde in der zeichenhaft reduzierten und verschlüsselten Bildsprache geben Einblick in das Spätwerk.
Die Präsentation in K21 bietet eine Fülle von Informationen. Ein eigener Bereich in der Ausstellung ist den Erläuterungen zu einer Auswahl der Werke gewidmet. Im Blickfeld steht zum Beispiel das Engagement der Galeristen, durch deren Hände die Arbeiten gegangen sind: So gehört das Aquarell Erinnerung an einen Garten von 1914 zu den Blättern, für die sich der Berliner Kunsthändler Herwarth Walden (1878–1941) eingesetzt hat. Walden gab ab 1910 die Zeitschrift Der Sturm heraus und leitete die gleichnamige Galerie. In den Jahren 1913 bis 1921 zeigte er mehr als zehn Ausstellungen mit Werken Klees und produzierte Kunstdrucke und Kunstpostkarten mit dessen Motiven.
Vor dem Hintergrund der NS-Diktatur in Deutschland verschob sich das Interesse an Klees Werken in die USA. Um 1940 gab es etwa 80 Klee-Sammler in Amerika, davon rund 30 allein in New York. Das Aquarell Der L=Platz im Bau (1923) wurde im Juni 1948 von Anatole Litvak (1902–1974) erworben. Der aus der Ukraine stammende Hollywood-Regisseur feierte in den USA in den 1940er und 1950er Jahren Erfolge mit Filmen wie Hölle, wo ist dein Sieg oder Lieben Sie Brahms? Manche Werke, die während Klees Zeit an der Düsseldorfer Kunstakademie entstanden sind, haben offensichtlich regionalen Bezug: Das Gemälde Blick in die Ebene (1932) könnte ein unmittelbarer Reflex auf die niederrheinische Gegend sein. Die Linien, die die Bildfläche wie Pfade durchschneiden, vermitteln den Eindruck einer sanft geschwungenen Hügellandschaft. Das Bild ist auch ein Beispiel, wie politische Gegebenheiten und juristische Unklarheiten den Weg von Kunstwerken bestimmen können. Blick in die Ebene befand sich 1945 im Nachlaß einer amerikanischen Kunsthändlerin. Das US-Justizministerium zog die Arbeit 1950 ein. Es berief sich dabei auf ein Gesetz, daß die Beschlagnahme von feindlichem Besitz aus der Kriegszeit vorsah. Die Werke kamen 1954 in eine vom „Office of Alien Property“ ausgerichtete Auktion.
Das genaue Studium der Werke bietet auch Aufschluß über die künstlerischen Strategien Klees. Offensichtlich sah der Künstler einige seiner Arbeiten als plastische Gebilde, denn er hat immer wieder die Rückseite eines Werkes in die Gestaltung einbezogen. Das Werk „43“ von 1928 wirkt wie ein skulpturales Objekt. Die Vorderseite scheint die Wechselbeziehung zwischen konstruktiver und intuitiver Gestaltung zum Thema zu haben. Auf der Rückseite ist dicke Spachtelmasse zu sehen, so dass ein ungegenständliches weißes Relief entsteht.
Der Blick auf das Publikum, dem die Werke von Paul Klee in mehr als fünf Jahrzehnten präsentiert wurden, zeigt, wer zu welchem Zeitpunkt welche Werke sehen konnte. Die Schilder auf den Rückseiten der Arbeiten geben Auskunft über Ausstellungen, in denen die Bilder gewesen sind. Aber sie berichten nicht nur über Reisen in ferne Länder, sondern auch über die politisch-diplomatische Aufgabe, die die Klee-Sammlung seit den 1960er Jahren zu erfüllen hatte. Nicht zufällig führte die erste Reise der Klee-Bilder 1966 in Museen nach Jerusalem und Tel-Aviv, um sich vorsichtig denen anzunähern, die Opfer des Nazi-Terrors gewesen waren. In den kommenden zwei Jahrzehnten war die Düsseldorfer Sammlung unter anderem in Australien und Indien, in Brasilien und Kanada, Japan oder Neuseeland ausgestellt.
Die Düsseldorfer Klee-Sammlung gibt einen unvergleichlichen Einblick in das Oeuvre dieses Künstlers. Dafür sorgte nicht nur das erste Konvolut an Werken, sondern auch die weiteren Erwerbungen seit den 1960er Jahren. Die Gemälde, Zeichnungen, Aquarelle und anderen farbigen Arbeiten vermitteln einen umfassenden Überblick in Klees nahezu unerschöpfliche Kreativität. Der Künstler reflektiert sensibel und mit scharfem analytischem Blick die Ereignisse seiner Zeit und erschafft auf diese Weise einen künstlerischen Kosmos, in dem sich Tragikomik, Leichtigkeit, Ernst, Ironie, Spiel und Kalkül verbinden,“ stellt das bedeutende Museum seine Ausstellung vor.
Inhaltlich würde die Ausstellung ja eher ins K20 passen, da sie Kunst des 20. Jahrhunderts zeigt. Im K21 sind die Räumlichkeiten aber wesentlich angenehmer zur Kunst passend.
Ein Besuch lohnt sich hier auf jeden Fall. Nicht nur, weil es Paul Klee ist, also ein Künstler mit klangvollem Namen, den man schon kennen sollte. Der hier verfolgte kuratorische Ansatz ist durchaus beachtenswert. Schließlich werden nicht nur die Bilder gezeigt, sondern auch in leicht verständlicher Art und Weise viele nützliche Informationen geboten. Der Besucher bekommt also nicht nur Unterhaltung geboten, sondern nimmt auch einen Nutzen, einen Mehrwert in Form von vielen Informationen mit. Welcher kunstinteressierte Laie hätte sich sonst schon die Mühe gemacht, sie nachzuschlagen?