Gedenkkapelle in Duisburg
"Am 4. Juli 1987 wurde auf dem Grundstück der ehemaligen Duisburger Synagoge eine Kapelle eingeweiht, die die Erinnerung an die ehemalige jüdische Gemeinde Duisburg und an die schreckliche Ereignisse des 9. November 1938 und die damit vorher und nachher verbundenen nationalsozialistischen deutschen Gewalttaten an Juden und jüdischen Gemeinden wachhält und bewußt macht. Sie wurde von der evangelischen Kirchengemeinde Duisburg-Innenstadt nach einem Entwurf des Architekten Dr. Lutz Voigtländer mit der Unterstützung der Evangelischen Kirche im Rheinland und des Landes NRW errichtet und ist zugleich Andachtsraum im Integrierten Diakoniemodell der Gemeinde, das Menschen verschiedener Altersgruppen, Behinderte und Nichtbehinderte zu gemeinsamen Tun zusammenführt.
Beim Betreten der Kapelle öffnet der Besucher die Türe zum Innenraum mit einem Bronzegriff, der von Claus Pohl (Duisburg) geschaffen wurde. Er stellt den großen Fisch dar, der den Propheten Jona verschlungen hatte, nachdem dieser sich weigerte, Gottes Auftrag auszuführen. Hier wird er kopfüber wieder an Land gespieen, nachdem er im Bauch des Fisches eine Wende erlebt hatte. So steht diese Geschichte an diesem Ort für die Christen als Erinnerung an die für sie nötige Umkehr des Denkens und Handelns im Blick auf das vergangene Verhältnis zum Judentum.
Am Standort des ehemaligen Aron Ha Kodesch (Thoraschrein) erhebt sich - daran zum Gedenken - heute ein Fenster und eine Stele. Das dreieckige Fenster zeigt auf der äußeren Scheibe die Zehn Gebote in hebräischer und auf der inneren Scheibe in deutscher Sprache. Davor steht eine Glasstele, die in Hohlform (in 1.000 Glasscheiben eingeschnitten) die Gestalt eines Leidenden bildet. Das Material erinnert an die Progrome des 9. November 1938. Die Form bricht an der Oberkante abrupt ab. Die Glasbehandlung im oberen Bereich läßt an Flammen denken. Mit der Gestalt des Leidenden ist sowohl der leidende Prophet (etwa Jeremia) als auch der gefesselte und von der römischen Soldateska Jude Jesus von Nazareth, als auch die jüdische Gemeinde Duisburg identifizierbar. Die Kapelle ist zeltförmig gebaut - in Erinnerung an die Wüstenwanderung Israels und als Hinweis auf "das wandernde Wüstenvolk" des Alten und des Neuen Bundes. Die Endpunkte der sechs Firstlinien dieses Zeltes ergeben - bei Verlängerung bis auf den Erdboden und bei Verbindung dieser Endpunkte - den Davidstern. die zwölf Lampen rufen den Gedanken an die Zwölf Stämme Israels wach.
Wer die Synagoge verläßt, öffnet die Tür mit dem zweiten Bronzegriff von Claus Pohl, der die Rückkehr der Kundschafter aus dem Gelobten Land zeigt (4. Mose 13). Diese Darstellung an dieser Stelle soll als Hinweis verstanden werden. Wer sich der Vergangenheit stellt, wer sich in gottesdienstlichem Gedenken der eigenen Geschichte seiner jüdischen Vorfahren erinnert, wird feststellen, daß er den Boden des Landes der Verheißung betreten hat.
Die Thorarolle (5 Bücher Mose) wurde am 22. Tischri des Jahres 5690 (am 26. Oktober 1929 christlicher Zeitrechnugn) am Schloßtag des Laubhüttenfestes von den Vorstehern und Repräsentanten der Gemeinde in die Synagoge gebracht. Blumenstreuende Kinder begleiteten sie. Sie war (mit vollem Schmuck ausgestattet: Mantel, Krone, Schild und Jad) ein Geschenk der Kinder des vor kurzem verstorbenen Emanuel Haas, der wenige Tage zuvor noch seinen neunzigsten Geburtstag feiern konnte. Sie war mit genau jener Mappah (gesticktes oder bemaltes Band zum Zusammenhalten der Thorarollen) umwickelt, die er vor fast 90 Jahren beim ersten Betreten seiner Heimatsynagoge in Würzburg als Geschenk mitgebracht hatte.
Bei den Ausschachtungsarbeiten zum Bau der Kapelle entdeckte man ein zunächst undefinierbares Knäuel aus Stoffresten, Lederstückchen, Kettchen, Metallringen und Bändern, die sich hinterher als der Rest des ehemaligen Thoramantels herausstellte. Auf der Glasscherbe fanden sich - nur als Druckerschwärze übriggebliebene - hebräische Worte: dreimal das Wort "Nacht" und das Sätzchen "Öffne mir das Tor". Es sind die letzten sichtbaren Worte der zerstörten Gemeinde und ihrer Synagoge. Sie stammen aus dem Gebet am Schabbathausgang nach Habdalah.
Der Fundamentteil, der eimal den Nordostpfeiler der Synagogenkuppel trug, ist mit dem Rest der Apsis das einzige erhaltene Mauerwerk. In seiner jetzigen Gestaltung drückt er den Wunsch nach einem neuen Anfang im Verhältnis zwischen Christen und Juden aus: Frisches Wasser aus den Steinen der bösen Zerstörung. Die Hoffnung auf solchen Neubeginn wollen auch die Maulbeerfrucht auf dem Kapellendacht und der neben dem Brunnen gepflanzte Maulbeerbaum stärken, die an das Gleichnis von Lukas 13 anknüpfen," berichtet ein Faltblatt der evangelischen Duisburger Innenstadtgemeinde. Die Duisburger Synagoge kenne ich. Dort bin ich schon mal gewesen. Ich gestehe aber gerne, daß mir die Kapelle noch nie aufgefallen ist. Von daher berichtet das Faltblatt auch mir persönlich etwas Neues.
Bürgerreporter:in:Andreas Rüdig aus Duisburg |
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