Das vergessene Space Shuttle
Sie war nur einmal im All. Am 4. November 1988 startete die Raumfähre Buran, das sowjetische Pendant zum Space Shuttle, vom Kosmodrom Baikonur in den Weltraum. Der unbemannte und vollautomatische Flug endete nach zwei Erdumkreisungen erfolgreich auf der Landebahn in Kasachstan. Der Jungfernflug lief mit unglaublicher Präzision ab: So landete die Raumfähre mit nur einer Sekunde Rückstand auf den Flugplan, setzte nur ganze anderthalb Meter neben der Mittellinie der Landebahn auf und kam ganze 80 Zentimeter vom errechneten Bremspunkt ab zum stehen.
Gegen andere Konzepte hatten sich die Sowjets in den 1970er-Jahren auch für eine Raumfähre entschieden, die wie die amerikanischen Shuttles kurzfristig mehr Nutzlastkapazität bei weniger Kosten versprach. Ähnliche Anforderungen führten zu einem fast gleichen Aussehen. Allerdings ist der Vorwurf falsch, dass die Sowjets durch Spionage die Baupläne einfach kopiert hätten. Denn die Entwicklung des Space Shuttle wurde ja öffentlich publiziert. Wesentliche Unterschiede des Burans zum US-Shuttle sind: Ein vollautomatisch gesteuerter Flug, eine höhere Nutzlast und ein widerstandfähigerer Hitzeschild. Die Starttriebwerke befinden sich bei der Buran nicht an der Raumfähre, sondern an der Trägerrakete Energia. Dadurch ergab sich eine maximale Nutzlast von maximal 30 Tonnen, gegenüber 24,5 Tonnen des Space Shuttles. In Zeiten des Kalten Krieges war noch daran gedacht, Weltraumplattformen für militärische Zwecke zu installieren als Antwort auf das amerikanische SDI-Programm. Aber auch für Versorgungsflüge zur Raumstation „Mir“ wären höhere Nutzlasten von Vorteil gewesen.
Weitere Flüge waren geplant. Zwei weitere Fähren waren im Bau
Die zweite Fähre mit Namen „Ptichka“ (auf Russisch heißt das „Vögelchen“) sollte 1990 fertig sein und in den Weltraum starten. Doch das Ende des Kalten Krieges und der Zerfall der Sowjetunion bedeuteten auch das Ende für das Buran-Programm. Buran heißt übrigens auf Russisch „Schneesturm“. 1993 wurde die staatliche Finanzierung des Raumtransportersystems vollständig eingestellt. Die Testmodelle werden in Baikonur in Hangars abgestellt, dann aus Platzgründen ins Freie geschafft. Im Mai 2002 wird die einzige Fähre, die jemals in All geflogen ist, mit der Trägerrakete Energia im Hangar bei Dacharbeiten komplett zerstört. Sieben Arbeiter kommen dabei ums Leben. Damit könnte die Geschichte des sowjetischen Raumtransporters enden, wenn es nicht noch die Buran OK-GLI gegeben hätte. Der Prototyp OK-GLI wurde 1984 gebaut, um in mehreren Testflügen die Steuerungsparameter für die automatische Steuerung zu überprüfen. Im Gegensatz zum amerikanischen Space Shuttle „Enterprise“, das von einer Boeing 747 zu einem antriebslosen Gleitflug startete, konnte der sowjetische Prototyp selbst von einem Flugplatz starten und landen. Dazu erhielt der Protoyp vier Düsentriebwerke am Heck. Am 10. November 1985 startete die OK-GLI zu ihrem Erstflug, 1987 landet der Raumgleiter erstmals vollkommen automatisch gesteuert auf einem Flugtestgelände in der Nähe von Moskau. Nach insgesamt 24 erfolgreichen Testflügen wird das Testprogramm abgeschlossen. Das Landesystem der Buran hatte sich bewährt.
Eine weite Reise bis nach Speyer
Die OK-GLI wird 1999 vom Hersteller NPO Molniya als Ausstellungsobjekt an die australische „Buran-Space-Corporation“ vermietet und während der Olympischen Sommerspiele 2000 im „Darling Harbour“ als Touristenattraktion ausgestellt. Danach geht die Buran in den Besitz einer Investorengruppe aus Singapur über. Diese planen eine große Asien-Tournee mit dem Raumgleiter. Erste Station ist das Königreich Bahrain, die Buran wird zur Hauptattraktion des Sommerfestivals 2002. Nach finanziellen Konflikten zwischen den russischen Eigentümern und den Investoren strandet die Buran für über ein Jahr im Hafen von Bahrain. Dort wird sie eher zufällig von Freunden des Technik-Museums Speyer gefunden. Museumsdirektor Hermann Layher nimmt Kontakt mit den Eigentümern in Russland auf und erwirbt im Sommer 2003 die Buran. Doch es dauert noch bis zum Frühjahr 2008, bis die Raumfähre auf die weite Reise nach Speyer gehen kann. Die Investoren aus Singapur hatten gegen den Kaufvertrag vor einem bahrainischen Gericht geklagt und verloren.
Der Transport von Rotterdam über den Rhein nach Speyer wird zum Triumphzug. Überall warten die Menschen an den Ufern, um einen Schnappschuss vom Buran zu ergattern. Am 12. April 2008 erreicht die gewaltige Raumfähre (36 Meter lang, 16 Meter hoch und etwa 80 Tonnen schwer) nach einem letzten Transport über die Straße das Technikmuseum. Hier wurde eigens eine neue Ausstellungshalle gebaut. Am 2. Oktober 2008 feierte das Technik Museum Speyer mit 800 Gästen die Buran und die Eröffnung der Weltraumausstellung „Apollo and Beyond“.
Bürgerreporter:in:Norbert Opfermann aus Düsseldorf |
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