Wieviel Chancen haben Menschen mit Behinderung auf dem Arbeitsmarkt?

2Bilder

Pressegespräch des ifd Schwaben in Donauwörth
Maßnahme "Unterstützte Beschäftigung" als Chance

Es ist ihr besonderes Anliegen, jungen Menschen mit Lernschwierigkeiten, mit Lernbehinderung eine Chance zu eröffnen, in eine geregelte Arbeit zu kommen: Der Integrationsfachdienst Schwaben fokussiert diese Problematik und bietet mit der Initiative "Unterstützte Beschäftigung" eine Brücke ins "normale" Berufsleben für alle Menschen mit Behinderung an.

Nicht nur in Zeiten der Wirtschaftskrise zeigen sich für Menschen mit Behinderung oftmals unüberwindliche Hürden auf dem Weg ins Arbeitsleben: Es sind Jugendliche mit Behinderung, um die es das Team des ifd geht. Nach einer Änderung im Sozialgesetzbuch 9 sah sich die Arbeitsagentur in der Lage, speziell für Jugendliche mit Handicap die Maßnahme "Unterstützte Beschäftigung" auszuschreiben.

Seit Mai 2009 berät, begleitet, informiert Qualifizierungstrainerin Katja Zeh gemeinsam mit Gertrud Welchner vier Jugendliche aus dem Landkreis, die durch dieses Projekt eine neue Perspektive gewonnen haben. Etwa Marcel aus Harburg, der seit August ein Praktikum in der Kreisgärtnerei absolviert.

"So mancher Hauptschüler findet heute schon keine Arbeitsstelle mehr. Durch das Praktikum hier ist Marcel, der fleißig, motiviert und engagiert mitarbeitet, eine Perspektive geboten," berichtet Hans Weidel, Leiter der Kreisgärtnerei.

Es erfordert viele Gespräche, viel persönliches Engagement, wenn Katja Zeh für ihre Schützlinge einen Praktikumsplatz finden will: Wer gibt einem Jugendlichen mit Handicap schon eine Chance? Und doch kann sie helfen, denn es sind manchmal ganz elementare Hilfestellungen, ganz lebenspraktische Fingerzeige, Unterstützung dort, wo sie gebraucht wird, etwa wenn es um Wohnungssuche geht, oder ganz praktisch der Einstieg in eine neue Stelle.

"Wir begleiten die Jugendlichen durch das Praktikum, vermitteln, unterstützen und helfen," erläutert Robert Neuhauser, Leitung ifd-Schwaben Augsburg.

Möglichst früh wäre es wünschenswert für die jungen Menschen, kompetente Hilfe zu finden, um im Arbeitsmarkt sich integrieren zu können, nicht auf eine vorzeitige Hartz-IV-Schiene zu geraten, Weichen Richtung Selbständigkeit zu stellen, anstatt an den Rand der Gesellschaft zu driften.

Ulrich Schneid, Teamleiter in der Arbeitsagentur Donauwörth, fügt hinzu: "Je früher ein junger Mensch mit Behinderung adäquate Unterstützung sucht und findet, desto besser."

Aus einem langjährigen Abseits am Rande des Arbeitsmarktes herauszukommen, ist schwer; viel förderlicher wäre es, so Roland Vogel (Diakonie), wenn in der Gesellschaft noch mehr präventiv geschehen könnte, etwa Defizite in Bildung und Sozialisation vermieden werden könnten.

"Wir kämpfen auch gegen Klischees an: Die Jugendlichen, die zum ifd bzw. zur "Unterstützten Beschäftigung" kommen, sind motiviert und fleißig. Sie brauchen eben nur je etwas Hilfe," erklärt Katja Zeh. Mit Geld umgehen lernen, eine Monatskarte einlösen, soziale Kontakte knüpfen, in eine WG einziehen, Selbständigkeit lernen: Da ist Potential, das der Jugendliche in den Arbeitsmarkt einbringen kann - es fehlt ihm oft nur die Chance.

Und doch klappt es immer wieder, z. B. mit einem Praktikum für Marcel, oder für Ramona und Mareike, beide 19 Jahre im Hotelfach. Für Marcel jedenfalls würde ein Traum in Erfüllung gehen, wenn er später eine Anstellung in einem naturverbundenen Beruf bekäme, z. B. in einer Gärtnerei, Landschaftspflege o. ä.

Ist es nicht erschreckend, wie rasch unsere Gesellschaft "auszusortieren" geneigt ist? Junge, motivierte Menschen, die durchaus verschiedene Handicaps haben können, etwa eine Medikamentierung prophylaktisch gegen Epilepsie, engagiert sind, aber ohne Projekte wie die des ifd Schwaben und Arbeitgeber mit Verständnis keine Chance auf dem Arbeitsmarkt hätten?
Vielleicht stimmen uns gerade jene Lebensläufe nachdenklich, die uns zeigen, wie wenig menschlich und human eine Arbeitswelt wäre, wenn Tendenzen der Selektion, wie sie bislang geschehen, nicht ein Gegengewicht erhielten, ein Gegengewicht, durch das unser gesellschaftliches Leben, auch das Leben in der Arbeitswelt menschlicher, mehr mit- als ständig gegeneinander, zu leben.
Vielleicht ist es gerade j e t z t an der Zeit, Weichen in eine lebenswerte, menschliche Zukunft der Arbeitswelt und der Gesellschaft zu stellen, denn wer würde sich eine auf Robotermanier reduzierte Hochleistungsmaschinerie wünschen, in der ein Arbeiter (und nicht nur jemand mit Handicap) auf standardisierte Leistungsnormen hin funktioniert. Zivilisation ermisst sich zweifellos gerade daran, wie menschlich sie mit Menschen und ihren Lebensläufen und Schicksalen umgeht.-

Foto: Pressekonferenz in den Räumlichkeiten des ifd in der Donauwörther Spitalstraße: "Gerade junge Menschen mit Lernschwierigkeiten dürfen nicht an den Rand der Gesellschaft geschoben werden!"
Robert Neuhauser ifd, Ulrich Schneid, Iris Gruber, Wolfgang Kohout, Wolfgang Rebele, Roland Vogel ifd-Diakonie, Gertrud Welchner und Katja Zeh, "Unterstützte Beschäftigung" Donauwörth (von links nach rechts).

Foto: Praktikum in der Kreisgärtnerei: Hans Weidel mit Marcel und Mitarbeiter

Bürgerreporter:in:

Wolfgang Leitner aus Donauwörth

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

Folgen Sie diesem Profil als Erste/r

9 Kommentare

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.