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Sehen Sie mal da – ja, da drüben! Freiheit, die ich meine!

  • Stellen wir uns vor, das Pumpenhaus stört die Grenzsicherheit - also weg, die Laternen sind auch kein Beitrag zur Sicherheit - WEG damit
  • hochgeladen von Christel Pruessner

Sehen Sie mal da – ja, da drüben!
Freiheit, die ich meine!

Es war im Winter 1986, wenige Tage vor Weihnachten, in Dömitz an der Elbe. - Wir hatten uns das erste Mal direkt in die DDR getraut – nicht nur für einen Tag, sondern für ein verlängertes Wochenende. Und als Gastgeber hatten wir auf seltsamen Wegen eine Familie in Boizenburg aufgetan, die wir umgehend als unsere Verwandten ausgaben. Unser Gastgeber, seit dem „Don Alfredo“ *) genannt, hatte sich als besondere Überraschung für uns – und wie sich später herausstellte auch für sich – eine Fahrt mit dem Dienst-Wagen (Trabant 601) nach Dömitz ausgedacht. Schon die Fahrt ein Art Hindernislauf, denn der kürzeste Weg war (bis zum Öffnen der „Mauer“) versperrt – aus staatssicherheitsrelevanten Gründen.
Wer es sich nicht sofort und wirklich vorstellen kann, dem ist das auch nur sehr schwer zu erklären. Die ohnehin schon martialische und offiziell nahtlose Abschottung der Grenze mit Zäunen (Plural!) und Sicherheitsschneisen und Signaldrähten usw. reichte nicht aus. Das war auch noch entlang der Grenze zum Westen jeweils ein Sperrgebiet. Dieses Sperrgebiet umfasste einen vom ersten Grenzzaun gemessen einen etwa 5km tiefen Raum. Und wenn durch diesen Raum eine Straße führte, war sie nur für solche Menschen befahrbar, die eine wirklich besondere Sondergenehmigung dafür hatten, was aber nicht besagte, dass diese nicht auch von Jetzt auf Nu wieder aufgehoben werden konnte, ohne jede Begründung. Und wer diese Genehmigung erhalten wollte, musste in Berlin(!) schon sehr gute Gründe vorlegen, Bewohner des Sperrgebietes hatten eine solche Erlaubnis, aber deren eventuelle Gäste bekamen sie nur mit nachgeprüften verlässlichen Verhalten dem Staat gegenüber. Besucher aus dem Westen hatten eher eine Chance von 0,001%. Und damit auch keiner meinte, man könnte sich über das Verbot der Einfahrt hinwegsetzen, war auch das Sperrgebiet schon mit einem gesicherten Kontrollposten versehen.
Zu diesem Sperrgebiet gehörten nach dem radikalen Dichtmachen der Grenzanlagen 1961 auch kleinere Städte wie Boizenburg und Dömitz. Anfang der 1980er Jahre (1982??) wurde das Sperrgebiet bei einzelnen Orten (wie eben auch bei Boizenburg und Dömitz) so verengt, dass die Bewohner des Ortes ohne Sondergenehmigung in Richtung DDR-Binnenland ein- und ausreisen und auch Gäste aus dem Bereich der DDR ungehindert hierher fahren durften. - ABER auch der sogenannte kleine Grenzverkehr für die parallel zur Grenze liegenden westdeutschen Landkreise konnten nun in diese Orte fahren.
Don-Alfredo, hatte zwar nun die Grenze gleich hinter den Häusern Boizenburgs in anschaulicher Sichtweite, er kannte auch das Regime innerhalb des Sperrbezirkes durch seinen beruflichen Alltag und war froh, dass seine Stadt nun etwas freier atmen konnte. Aber er hatte von Dömitz gehört, dass sich dort ein besonders seltsame Situation ergeben habe. Und das wollte er uns zeigen und selber ansehen. Die Fahrt dahin also führte schon auf Umwegen um den Sperrbezirk herum und verlängerte so die kürzeste Route künstlich! Und dann war es klar, rund um Dömitz war der Zaun nun gezogen, so dass man nur auf der einen Straße in die Stadt gelangen konnte. Wir staunten über die Stadt mit der starken Ausstrahlung, der weniger Kohleabgase aus den Schornsteinen und viel Fassaden-Pflege bestimmt zu einem stolzen Bild verholfen hätten. Don-Alfredo kannte einen Weg in die Kirche und machte uns eine Besichtigung möglich. Und dann wollte er zur Festung, sagte er demonstrativ. Wir nahmen den direkten Weg und er wurde immer langsamer „schrecklich!“ sagte er leise. Ich muss zugeben, mir war das zunächst nicht bewusst - OK, kurz bevor der Weg nach rechts zum Eingang der Festung abbog, war ein Zaun zu sehen. Und dahinter arbeiteten auch Männer in Maurerkleidung, nicht ungewöhnliches, vielleicht ein Firmengelände, davor auch der rotweiße Schlagbaum quer über die Straße – erst bei unserem Näherkommen traten von rechts und links jeweils zwei uniformierte Männer mit Maschinengewehr hinter die Maurer. Nun erst nahm ich auch den nächsten Zaun wahr und dahinter noch einen dritten und dahinter sah ich das Ufer der Elbe. Erst als Don-Alfredo leise sagte: „Sehen Sie mal da!“ ich war noch mit der idiotischen Situation zwischen den Zäunen befasst. Vier Soldaten bewachten zwei Maurer bei deren Arbeit. In einem reichlich engen Raum zwischen zwei Zäumen. „Sehen Sie mal da drüben!“ - Was meinte er, „was soll da sein!??“ fragte ich ratlos. „Da spielen Kinder am Ufer!“ kommt es prompt aus Don-Alfredo - „mmmh, stimmt, - aber was ist daran besonderes, die spielen im Wasser!“ - Ganz entgeistert und immer noch in der leisen Tonlage darauf wieder Don-Alfredo „ja, aber da ist doch die Grenze, das geht doch nicht!“ - So war es tatsächlich, da drüben spielten die Kinder ohne Bewachung am Wasser der Elbe, und hier konnten die Dömitzer die Elbe lediglich durch drei Reihen mit engen Zaunmaschen sehen. - Genauso, wie in seinem Wohnort, Boizenburg, der schon immer den Zusatz „Elbe“ trägt, aber an die Elbe gelangte ein Boizenburger auch erst etwa ab Wittenburg.
Die Grenze hatte hier eine Macht, die viele, vielleicht die meisten im „Westen“ sich gar nicht ausmalen konnten. Selbst innerhalb der DDR, so erfuhren wir in den Monaten nach der „Maueröffnung“ hatten viele von dem Grenzregime im Westen der Republik nichts mitbekommen. Die wenigen Gerüchte, sollten besser Gerüchte bleiben, als sie zu überprüfen. - Eine Leipzigerin sagte es uns 1990 mal so: Was sollte ich mich mit Dingen belasten, die ich eh nicht ändern konnte!“

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*) Wir bekamen in den Tagen auch eine LP geschenkt, von der Gruppe „Karat“ und darauf auch das Lied „Don Alfredo“ - und wenn unser Gastgeber auch (bis heute) ein überaus friedvoller Mensch ist, so war er immer mit einer gefährlichen Waffe anzutreffen, seinem geschliffenen Wort, nicht zu viel, kurze feine, direkt sitzende Sätze. An deren Inhalt nichts zu deuteln war und ist. Und soweit ich das bis heute einschätzen kann. Selbst „die Firma Horch & Guck“ kam darum nicht wirklich an ihn heran und ließ ihn gewähren...

Don Alfredo (Karat)

Wo kommst du her, Don Alfredo, noch so spät?
Du trägst einen Hut aus Chicago. Dein Gang ist so leicht.
Hast du noch gespielt im Casino? Für dein Geld?
Du trägst um den Hals schöne Ketten aus Perlenglanz
und Gold.

Wo kommst du denn her, Don Alfredo, noch so spät?
Du bittest den Herrn um Vergebung, und hast dabei gelacht.
Was hast du getan, Don Alfredo, heute Nacht?
Man sagt: Heute Nacht brennt der Himmel.
Warum machst du ein Kreuz?
Mama liest so laut in der Bibel von Abel und von Kain.

Wo kommst du denn her, Don Alfredo, noch so spät?
Du trägst einen Colt aus Virginia.
Sein Lauf ist ja noch warm.
Komm, trink noch den Rum aus Jamaica. Mama hat ihn gekauft.

Wo kommst du denn her, Don Alfredo, noch so spät?
Bist du bezahlt von den Killern? Mama hat schon geweint.
Es liegt vor der Tür mein großer Bruder, wie Che Guevara tot.

  • Stellen wir uns vor, das Pumpenhaus stört die Grenzsicherheit - also weg, die Laternen sind auch kein Beitrag zur Sicherheit - WEG damit
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  • eigentlich müsste jetzt auch noch alles Buschwerl rechts und links weg,viel zu viele Möglichkeiten, sich als Gnrezstörer zu verstecken.
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  • Und nun noch einen Schutzwall aus scharfkantigem Maschengeflecht. - Drei Reihen hinter einander --- der Daich war damals nicht vorhanden, der Zaun verlief auf Höhe des PKWs - aber besser war es darum nicht anzusehen und auszuhalten
  • hochgeladen von Christel Pruessner
  • Bild 3 / 4

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DDRDömitz/ElbeEiserner Vorhang

3 Kommentare

Ein wunderbarer Bericht über die menschliche Perversität.
Fast allen heutigen jungen Menschen unvorstellbar.
Das müßte Pflichtlektüre in jeder deutschen Schule sein.
Uns ging es nach 1945. ähnlich, mit den Nazigreueln.
Jahrzehnte wurde da vieles geheimgehalten und keiner
wollte etwas gemerkt haben. Erst jetzt, man höre und
staune, wurde die Mittäterschaft des damaligen
Außenministerium bekannt. Diese Verbrecher wurden
auch noch geehrt und verzehrte hohe Anerkennungs-
Pensionen, während die überlebenden Opfer oft leer ausgingen.
Das ganze steht und fällt nur mit den Seilschaften der Politik.
Alle hatten Angst, vor dem Wissen der Anderen.
Zwischen den Pleitebanken und den Aufsichtsräten,
besteht ähnliches , parasitärisches Verhalten,
das schon heute wieder gut funktioniert.

Ein toller Bericht den Ich gut verstehen kann da ich gezwungener Maßen 1979-81 an der Grenze dienen musste !

Ein sehr interessanter Bericht, vielen Dank dafür.

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