Dokumentarfilmerin und Schauspieler - Ehepaar Sittler Stresstest auf dem Peterswörther Sofa bestanden
Es war ein anderes, das 27. PeterswörtherSofagespräch zu dem Walter Kaminski, Vorsitzender des Peterswörther Sprachrohr e.V., im vollbesetzten Bürgersaal die Dokumentarfilmerin Sigrid Klausmann-Sittler und ihren Ehemann Schauspieler Walter Sittler begrüßte. Einmal, weil das Kanapee – für drei Menschen doch nicht so bequem - diesmal nur als Kulisse diente, und zum Auftakt ein Dokumentarfilm gezeigt und dann noch das Bild „Vielfalt“ versteigert wurde (siehe weiteren Berichte).
Die vor der Fußballweltmeisterschaft 2010 entstandene Dokumentation „Thomas Hitzlsperger und die Township Kinder“ zeigt nicht nur betroffen machende Bilder vom Leben der HIV-positiven Kindern im zweitgrößten Township Südafrikas, sondern verdeutlicht die persönliche Motivation die in den Dokumentarfilmen von Sigrid Klausmann-Sittler steckt. Filme, die sich mit Schicksalen und dem Engagement von Menschen beschäftigen. Eine Arbeit, die sie nicht loslässt. So unterstützt sie, wie sie beim Gespräch mit Moderator Mirko Zeitler (hitradio rt1 nordschwaben) schilderte, gemeinsam mit Ehemann Walter die Organisation „Ubuntu Africa“, ein für Südafrika einmaliges Betreuungsprojekt für HIV-positive Kinder.
Und dann entwickelte sich diesmal auf Stühlen eine unterhaltsame, abwechslungsreiche, wie auch nachdenkliche 2-stündige Gesprächsrunde. Schlagfertig, charmant, antwortete Sigrid und Walter Sittler offen auf alle Fragen und die Zuhörer erlebten ein Künstlerehepaar zum Anfassen, bodenständig ohne Allüren, wie die sympathischen Nachbarn von neben an. So erfuhren die Besucher, dass Walter Sittler vor dem Fernseher bei eigenen Filmen sehr nervös sei, dass Ehefrau Sigrid im Fernsehen am liebsten Filme mit Geschichten, die sie bewegen, anschaut und sie in einem Mietshaus wohnen. Über zu wenig Arbeit kann Walter Sittler nicht klagen, denn bis Mitte 2012 sei er ausgebucht. Da können dann Angebote schon abgelehnt werden. Welche Rolle er denn nicht spielen würde, fragte Mirko Zeitler neugierig, kurz überlegend, schmunzelnd „eine schlechte“ die Antwort. Es ist doch für jeden Schauspieler schön, wenn man das spielen kann, was man spielen will und nicht, was man muss.
Der in Chicago, „da kann ich nichts dafür“, geborene Sittler, besuchte das Internat in Salem, „ich würde es nicht mehr machen“ und schaffte sein Abitur „zu meinem Erstaunen war ich durch“. Wollte dann Medizin studieren, was der Numerus Clausus verhinderte, Arzt wurde er dann doch noch in der Comedyserie „Nikola“. „Kleine Spreißel bei den Kindern konnte er ganz gut ziehen und er ist ein sehr fürsorglicher Mensch“ wusste Ehefrau zu berichten. Doch bis es so weit war, war Walter Sittler in verschiedenen Berufen in Lima tätig, „in Südamerika habe ich nichts gefunden“ und ging dann auf die Schauspielschule. „O Gott, Walter auf die Schauspielschule“, rief seine Mutter aus. Bereits in der Schule spielte er schon gerne, erinnerte sich Walter Sittler noch an die Rolle als Jugendlicher Held – „da durfte man küssen“.
Selbst wenn der „Daddy“ viel weg war, er war trotzdem da, beschrieb Sigrid Klausmann-Sittler die Zeit des Aufwachsens der 3 Kinder. Und wenn er da war, konnte er, erzählte Walter Sittler mit spitzbübischem Lächeln die Windeln sechslagig zusammenlegen, bügeln und Betten machen könne er auch, nur nicht so gut kochen wie Sigrid. Die Kinder sind wichtig für die Sittlers. Man müsse Vertrauen in Kinder haben, Kinder müssen ihr Leben leben, man darf sich nicht viel einmischen, sie müssen Liebe verspüren, weil sie da sind, ist ihr Credo. Man müsse ihnen Angst nehmen, die meist eine der Eltern ist, vermitteln, Dinge positiv zu sehen und Kinder in Ruhe wachsen lassen, ist Teil ihrer Lebensphilosophie.
Ehrungen haben beide schon erhalten, so Sigrid Klausmann-Sittler für ihren ersten Dokumentarfilm „Fliegen wirst du noch“ im Jahr 2007 und Walter Sittler den Deutschen Fernsehpreis und den Grimme-Preis, „der ist schon etwas verfallen, ist nicht so schlimm“ mit schwereren Preisen könnte man wenigstens Fensterläden aufhalten.
Eine wunderbare Rolle ist für Walter Sittler der Kommissar in „der Kommissar und das Meer“ einer schwedisch-deutschen Fernsehproduktion natürlich auch wegen des Drehortes auf Gotland. Wie weiß man bei zweisprachigen Filmen denn wenn man beim Dialog dran ist, fragte Mirko Zeitler, „wenn einer nicht mehr weiterredet, ist das gegenüber dran“, die einfache Antwort des Kommissars Anders alias Walter Sittler.
Für Walter Sittler ist es immer wieder eine neue Herausforderung, als Schauspieler in eine Rolle etwas einbringen zu können. „Ich bin auch ich selbst bei meiner Arbeit und zufrieden mit ihr“ brachte Sigrid Klausmann-Sittler ihre Antriebskraft für ihr Schaffen auf den Punkt.
Und selbstverständlich wurde auch das Thema „S 21“ bei den exponierten Projektgegnern beim PeterswörtherSofagespräch nicht ausgeklammert. Nein, wir fühlen uns nicht als Wutbürger, sondern wir weisen auf Probleme, Fehlentwicklungen hin, machen auf unvollständige und falsche Informationen und Zahlen aufmerksam, betonte Walter Sittler. Ja, er habe sich bei der ersten Demonstrationsrede nicht ganz wohl gefühlt, räumte er auf eine Zuhörerfrage ein, „ich hatte keinen Text zum Vortragen, sondern musste selber formulieren, eine völlig neue Rolle“. Für Sittler ist die Frage, wofür heute Milliarden ausgegeben werden von entscheidender Bedeutung. Er würde sie lieber in Bildung investieren, als unter der Erde in „S 21“ vergraben. Sittler bedauert, dass beim Stresstest nicht ein Vergleich zur Leistungsfähigkeit des Kopfbahnhofes gemacht wurde, denn für was benötige ich eine Tieferlegung, wenn bei einer umfassenden Sanierung das gleiche Ergebnis realisiert werden könnte. Und es gibt noch zu viele weitere ungeklärte Fragen. Zudem hat die Bahn noch nie ein Projekt im geplanten Finanzrahmen verwirklicht, verweist auf die absehbaren Kostensteigerungen. Walter Sittler, ein politischer, im Grunde werteorientierter Mensch, bekennt sich zu einer sozial ökologischen Politik. Für ihn erfordere Demokratie Austausch und Wechsel, wie sie Anerkennung und Respekt für Bürger benötige.
Was ist für sie persönlich Leitlinie sei, lautete dann kurz vor 22.00 Uhr die Schlussfrage von Mirko Zeitler. „Bei sich bleiben und teilen“ die Antwort von Sigrid Klausmann-Sittler und Walter Sittler ergänzte „sich nicht wichtig nehmen, schauen was draußen los ist, einen eigenen Beitrag leisten, auch wenn nicht immer alles gelingt.“