Marie - Jeder Mensch braucht eine Eiche
BUCHTIPP
"Marie - Jeder Mensch braucht eine Eiche"
von Katharina Herzog
Wie begegnen wir einem Buch? Der Titel spricht an, vielleicht nur ein Wort, oder die Optik des Titeleinbandes; der sogenannte Klappentext reizt mich genau mit den richtigen Stichworten... oder die Werbung des Verlages erreicht Dich genau im richtigen Moment oder - beim Klassentreffen nach 49 Jahren wird nach einer konkreten Person gefragt, die damals der Schwarm aller Mädchen war – ach, der! - und dann kommt eine dieser schwärmerischen Mädchen auf einen Roman zu sprechen, in dem die Schriftstellerin auch den Namen besagten jungen Mannes aufnimmt. - Die Zeit vor fünfzig Jahren – unsere Zeit – unsere Gegend - in einem Roman? - Das macht neugierig. - In der Buchhandlung am Ort liegt das Buch sogar bei den Regionalia bereit. - Vom Titel war nur „Marie“ bekannt und nun kommt ein Nachsatz hin zu „jeder Mensch braucht eine Eiche“ - Da schwingen Zerbrechlichkeit und Halt-geben mit. - Das Blättern mit dem Daumen lässt den Namen sogar erscheinen...
Ich habe das Buch gekauft – und ich habe noch am selben Tag am vermeintlichen Ort des Geschehens begonnen zu lesen. Am selben Tag noch entdeckte ich für mich die Gedenkstätte des Außenlagers des K.Z.Neuengamme, ganz in der Nähe unserer Schule – und uns Schülern hatte selbst Anfang der 1960er Jahre keiner etwas gesagt - „es“ war kein Thema. - Das Buch zeigt mit die Lebensgeschichte, nein, die Lebensumstände eines Mädchens, seiner Familie, seiner Umwelt – nicht alles ist eitel Sonnenschein, die heile Welt des Kindseins muss von Jahr zu Jahr kommen mehr dunkle Wolken über dieses Leben – Bis auf ein einziges Mal gibt es keinen Ortsnamen im gesamten Roman – Marie also könnte gleich im Dorf nebenan groß geworden sein, zur Schule gegangen sein, geheiratet haben, Kinder geboren haben. - Und selbst das neben das ehemalige KZ wirst Du wieder finden. - Es sind über fünfzig Lebensjahre, die von Marie immer wieder hautnah an mich als Leser herangetragen werden – ich muss mich entscheiden, aussteigen und das bewährte Programm „Ignoranz“ aktivieren oder weiterlesen und mitgehen, sich anrühren lassen. Das sind auch Spuren meiner Zeit, als ich dort im Ort zur Schule ging. Spuren über die zu akkurat ein Mantel des Schweigens legt wurde, darüber sollte nicht gesprochen werden. - Das tut man nicht, das denkt man nicht, was sollen Leute von uns denken. - Gut, es da eine Eiche gibt.
Der Schriftstellerin Katharina Herzog ist es mit diesem Roman gelungen, zwischen den Brückenköpfen „damals“ und „heute“ mich auf den anderen Weg zu lenken, den in unserer Gesellschaft so gern erfolgreich verschütteten.
Und wer den Schwarm der Mädchen unserer Zeit in diesem Roman sucht, es gibt ihn nicht, es ist nur der Name, pur zufällig identisch mit unserer Zeit damals – wie überhaupt alle Namen nur zufällig mit dem Dorf in Deiner Nähe im Zusammenhang stehen. - Wir Insider glauben, ihn entdeckt zu haben.
Marie - Jeder Mensch braucht eine Eiche
Katharina Herzog (Taschenbuch) – 261 Seiten
ISBN-10: 3-00-033092-5
Verlag: Herzog Verlag
Eine Fortsetzung ist bereits auf dem Markt und ein dritter (letzter) Band soll 2015 erscheinen
So ist es, Peter!
Hoffentlich gibt es auch weiterhin Historiker, die zu Wort kommen und gehört werden! :)