Vom Riessee (gäbe es ihn heute noch wäre er der drittgrößte See Europas)
Allerorten im Ries sind noch Bruchstücke von Sagen erhalten, die vom vorhandensein des Riessees und seinem Ablauf in die Donauebene verkünden.
Ehe die Stadt Nördlingen erbaut wurde, war der ganze weite Kessel von einem großen Wasser überschwemmt. Mit Einbäumen konnte es gut befahren werden. An den Ufern des Sees hausten nämlich zahlreiche Fischer, die fleißig ihrem Gewerbe nachgingen. Wenn sie mit reicher Beute etwa am Felsen bei Harburg anlegten, sollten sie gerufen haben: "Harre, har an de Burg!" Deswegen nennt man heute noch die Feste auf dem Felsen "Harburg".
Weitere Anlegestellen waren die Felsen von Wallerstein, der "Wellenstein", an dem, wie auch am Goldberg bei Goldburghausen große, eiserne Ringe angebracht waren, dann der "Fluchtberg" (die Leute sagen, so hätte Flochberg einst geheißen), wo die Fischer Zuflucht suchten, sowie der Burschelberg bei Hainsfarth, wo eine "Einfahrt", ein Halteplatz, gewesen sein soll.
Von ewiger Dauer aber war das Bestehen des Sees nicht. -Bei Harburg nagten seine Wellen am Uferfelsen, und das Wasser fraß sich schließlich durch. Der See floß ab, riß alles lockere Erdreich mit sich und legte die Felsen bloß.
An dem Tag, als bei Harburg die Felsen, die den Riessee abriegelten, zerbarsten, schrieb (wie sich später herausstellen sollte), Longinus, der Hauptmann der römischen Kreuzeswache auf dem Ölberg, an seine Angehörigen in Zöbingen bei Ellwangen folgenden Brief: "Mir geht es in Jerusalem gut; das Leben hier verläuft alle Tage ruhig, nur kürzlich mußten wir einen Mann kreuzigen, der viel Wunderbares getan, alle möglichen Krankheiten mit seinem bloßen Worte geheilt und Tote wieder lebendig gemacht hat. Mit den frommen Juden, allerdings, ist er nicht gut gestanden, und da sie ihn nicht leiden konnten, haben sie auch keine Ruhe gegeben, bis er aus der Welt geschafft war."
Im Antwortbrief aus Zöbingen stand auch für Longinus eine Neuigkeit. "Am gleichen Tag, als ihr Euren merkwürdigen Wunderdoktor gekreuzigt habt, ist bei Harburg der Riessee abgelaufen! Der Boden ist wohl noch etwas schlammig und man braucht unbedingt hohe Schaftstiefel, aber er wird zusehends trockner." Und sie sind geblieben, die hohen Stiefelschäfte zur Rieser Tracht, bis auf den heutigen Tag.
(H.D. nach K. Hagl, In meiner Heimat, 1926)
(Gg. Monninger, Das Ries, 1893)
Geschichten, Sagen und Legenden aus dem Ries und seiner Nachbarschaft
Bürgerreporter:in:Maria Beyer aus Harburg (BY) |
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