Nachmittagsplauderei
Was sind schon 25 Jahre? Sie fliegen dahin. Bald werde ich hoffentlich meine 75 erreicht haben. Vielleicht auch nicht. Die royale Family ist heute, am 19.7.17, in Berlin eingetroffen. 1965 fuhr die Queen in Berlin an mir und meiner Freundin vorüber. Sie winkte, ich filmte 8 mm Umkehrfilm in einer Bell & Howell, die man mit einer Kurbel aufziehen musste, aber schon einen integrierten Belichtungsmesser hatte. Die Szenen sind Teil eines kleinen Filmchens geworden, das ich „produzierte“ als Teilnehmer einer Berlinfahrt des Marburger Stenografen-Vereins. Ich nahm als Maschinenschreiber an den Deutschen Meisterschaften in der Meisterklasse teil. 425 Minutenanschläge reichten aber nicht und so musste ich es olympisch sehen.
Wir wohnten im Jugendgästehaus Swing-Point in Spandau, gleich in der Nähe des Zitadellenweges. Dort war meine heutige Frau nach ihrer Flucht über 3 Monate im Flüchtlingslager bevor sie nach Hannover ausgeflogen wurde. Die Teilung Deutschlands war uns in diesen Tagen sehr bewusst, und wir hatten noch Kennedys Worte in den Ohren „Ich bin ein Berliner!“. Noch heute sind sie es. Ebenso wie der Liedtext der „Insulaner“:
Der Berliner verliert die Ruhe nich,
der Berliner liebt ken Jetue nich,
der Berliner hofft unbeirrt,
dass seine Insel wiedern richtges Festland wird.
Ach wär das schööön!
25 Jahre später dann, ist Berlin wieder ein richtiges Festland geworden. Die Mauer und die Grenze wurden eingerissen. Ich habe immer daran geglaubt und es mir fest vorgenommen als ich damals über den Grenzübergang Bahnhof Friedrichstraße alleine nach Ostberlin ging. Im November 1989 gingen meine Frau und ich über die Werrabrücke nach Vacha und feierten in die Nacht hinein. Jetzt konnte auch sie wieder lachen angesichts der Vopos, die etwas hilflos aber wohl auch zufrieden aus ihren Uniformen zuschauten, wie die Menschen an ihnen vorbei hin und her die Seiten wechselten.
In diesen 25 Jahren wurde ich oftmals von meinen Schülern in der Verwaltungsschule belächelt, wenn sie bei mir in Staats- und Verfassungsrecht unterrichtet wurden und ich ihnen erklärte, dass es eine Wiedervereinigung geben würde und dass Europa den Weg dahin ebnen werde. Wenn die Berliner schon „unbeirrt hoffen“, dann sollten wir das auch können.
1968 heirateten wir und bekamen 1970 und 1971 unsere Söhne. Mit ihnen und einem französischen Austauschschüler fuhren wir an die Zonengrenze und erzählten den jungen Männern, dass man im Leben nie die Hoffnung verlieren dürfe, auch wenn die Grenzen noch so hoch scheinen. Auf der Wasserkuppe schauten wir zu den Segelfliegern auf und fühlten in ihre Freiheit hinein.
Irgendwie musste es wohl so kommen, dass wir unsere Silberhochzeitsreise im Segelboot 1993 über die Ostsee nach Warnemünde, Rostock, Wismar, Timmendorf auf Poel und später auch Dänemark unternahmen. In diesen Tagen jetzt meldete sich unser Jüngster von seinem Törn, auf dem er von Schweden kommend die Insel Rügen erreichte. Sie leben in einem unmittelbaren Gefühl der Grenzenlosigkeit. Alles ist möglich. Aber es ist nicht selbstverständlich. Es muss behütet und verteidigt werden.
Wenn wir im nächsten Jahr nach 50 Jahren gemeinsamen Erlebens hoffentlich unsere dritte Hochzeitsreise antreten, dann wollen wir es in Dankbarkeit und der Gewissheit tun, dass sich die unbeirrte Hoffnung immer als das richtige Mittel erweisen wird.
„Ich bin auch ein Berliner!“
Bürgerreporter:in:Gerhard Falk aus Dautphetal |
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