Bockwindmühle Wettmar: Aufsegeln – setting of the sails – habiller les ailes – opzeilen
Das viersprachige “Wörterbuch der Molonologie” nennt uns die englischen, französischen und niederländischen Begriffe für das, was jetzt am sonnigen Frühlingssamstag ganz praktisch auf deutsch getan werden musste: Zwölf Mitglieder der Müllerguppe des Heimatvereins Wettmar trafen sich zum AUFSEGELN ihrer Bockwindmühle.
Die winterliche Ruhephase, die der Mühle in diesem Winter wegen Sturm oder anderer extremer Wetterlagen nicht viel abverlangt hatte, war zu Ende. Die Sturmwachen hatten im Übrigen kontinuierlich nach dem Rechten gesehen und so waren die Voraussetzungen günstig, die Vorbereitungen für die neue Saison durchzuführen.
Bevor die Mühle für die ersten Besucher geöffnet werden konnte, waren aber auch noch andere Dinge zu erledigen: Rasen mähen (war schon geschehen), Heckenpflege, Unkrautjäten, Reparatur des traditionellen Flechtzaunes usw. Das alles war außerhalb der Mühle zu tun. Im Inneren stand neben den Reinigungsarbeiten eine kompliziertere und körperlich schwerere Arbeit auf der Tagesordnung: Zerlegung des gesamten Mahlwerks, Ausbau des Läufersteins, Reinigung beider Steine und Zusammenbau in umgekehrter Reihenfolge. Hinzu kam die Neujustierung der Steine, die sich absolut parallel drehen müssen: Maximalabstand bei Leerlauf 5mm und Minimalabstand für Feinmehl weniger als ein Millimeter! Früher galt mancherorts als Test nach dem Zusammenbau der geschärften Steine: Eine zwischengelegte Zeitung musste gleichmäßig angerissen sein!
Dem Hinweis auf die erforderliche Endpräzision soll nur noch hinzugefügt werden, dass der auszubauende Läuferstein 1,4 t wiegt und natürlich auf kleinstem Raum auf dem Mahlboden der Mühle bewegt werden muss. Was steht als Hilfsmittel zur Verfügung? Die Körperkraft mehrerer Müller und eine simple, aber wirkungsvolle Hebeltechnik, nämlich ein eingebauter „Steinkran“ – sonst nichts – traditionelle, mechanisch unterstützte Handarbeit in Reinkultur.
Nach ca. zweieinhalb Stunden war diese gemeinsame Anstrengung geschafft unter fachkundiger Mithilfe des weithin bekannten Mühlenexperten, Sachverständigen, Mühlenbauers und Kollegen der Wettmarer Müller, Rüdiger Hagen aus Brelingen/Wedemark.
Nun also aufsegeln, opzeilen.
Um sie im Winter zu schonen, zu reinigen und zu reparieren waren die Segel abgebaut worden und mussten jetzt wieder auf dem Segelgatter befestigt werden. Der Sprecher der Müllergruppe Axel Heckler nahm es auf sich, zweimal die beiden Flügel zu besteigen, d.h. jeweils acht Meter hoch zu klettern und die Segel oben, in der Nähe vom Flügelkreuz einzuhängen. Nichts für die Pensionäre unter den Müllern und nichts für Schwindelfreie! Die Flügel wurden senkrecht auf das weithin sichtbare „Mühlen-Sprachzeichen“ „kurze Arbeitspause“ gestellt und die selbst organisierte und finanzierte Mittagspause mit Bratwürstchen und Getränken konnte in der Frühlingssonne beginnen.
Der Nachmittag war vorgesehen für die Auffrischung der Mahlkenntnisse und Vorbereitung von Prüfungen neuer Mahlmüller. Und am Sonntag war für diese Saison der erste „Tag der offenen Mühle“ mit Führungen für Besucher und dem Mahlen von Dinkel geplant. „Glück zu“ für die neue Saison.
700 Jahre Windmühlen-Technik
400 Jahre Windkraft-Nutzung in Wettmar
Bürgerreporter:in:Reinhard Tegtmeier-Blanck aus Wedemark |
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