Absegeln – und Winterruhe
Bockwindemühle Wettmar auf den Winter vorbereitet
Am Samstag, dem 28. November war es wieder so weit: Eine Müllerin und mehrere Müller der Wettmarer Mühle, Eigentum des dortigen Heimatvereins, beendeten die Saison „ihres“ kulturhistorischen Denkmals. Seit die Windmühle 2011 wieder in Betrieb genommen wurde, ist sie die touristische Attraktion der Region um Burgwedel und ist im Umkreis von 50 Kilometern die einzige funktionsfähige Windmühle mit Mahlbetrieb. Ihr Motto lautet:
„700 Jahre Windmühlen-Technik
430 Jahre Windkraft-Nutzung“
In der Zeit vom 1. April bis zum 31. Oktober 2015 war sie wieder Ziel zahlreicher Besucher, Ort des Engagements von Müllerinnen und Müllern, Gegenstand vieler Führungen, Ort von großen Veranstaltungen am Deutschen Mühlentag, Pfingstmontag 2015, und am Entdeckertag der Region Hannover / Tag des Offenen Denkmals im September.
Nun aber beginnt die Winterruhe und es müssen die dazu notwendigen Vorkehrungen in und an der Mühle getroffen werden. Das ist typisch für „Schau-Mühlen“, weil das touristische Interesse in dieser Zeit „einfriert“ und es notwendig ist, die Mühle sicher durch die Zeit des bevorstehenden Stillstands im Winter zu bringen.
Als solche Wind- und Wassermühlen in früheren Zeiten lebensnotwendig waren, um die Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen, dem Müller Lohn und Brot zu geben – und den Feudalherren ein arbeitsloses Einkommen zu bescheren, da war die Zeit vom Herbst bis zum Frühjahr die Hauptbetriebszeit, weil die Ernte eingebracht war und Wasser und Wind reichlich zur Verfügung standen. Jetzt ist das Gegenteil der Fall: Wind gibt es zwar reichlich, aber das Getreide mahlen seit Jahrzehnten die Großmühlen.
Die Müllergruppe in Wettmar erledigte am Samstag neben der allgemeinen technischen Kontrolle zwei Hauptaufgaben vor der Winterruhe, nämlich das „Absegeln“ und die abschließende Jahresendreinigung.
Als „Absegeln“ wird der Vorgang der Entfernung der Segel von den beiden Segelgatterflügeln bezeichnet, um sie vor Regen und Frost zu schützen oder eventuell zu reparieren. Während der Mahlsaison sind diese beiden Segel von je 10 qm Fläche am oberen Flügelende in der Nähe der Flügelwelle festgeschraubt. Wenn die Mühle nicht dreht, werden diese Segel von unten zu einer langen „Wurst“ zusammen gedreht / aufgerollt und am Flügelende festgebunden, damit sie wie eine Art Seil keinen Windwiderstand bilden. Will man mahlen, entrollt man sie so, dass sie das gesamte Segelgatter bedecken und bindet sie am Flügelende fest und der anströmende Wind hat seine erwünschte Dreh- und Angriffsfläche.
Die Mühlenreinigung war und ist stets eine Selbstverständlichkeit, wenn es um die Befreiung des Mühlenbodens von herein getragenem Schmutz geht und um die Entfernung von Mehlstaub, der beim Mahlen anfällt. Wichtiger aber ist in unserem Falle die gründliche Reinigung des Mahlganges und des Sechskantsichters, in dem das Mahlgut „gefiltert“, d.h. die gröberen Mahlbestandteile vom eigentlichen Mehl getrennt werden.
Waren die Mühlen in früheren Zeiten im Winterhalbjahr regelmäßig in Betrieb, d.h. mahlten fast durchgängig, dann waren grundsätzliche Reinigungsaktivitäten zwar auch immer notwendig, aber keine Intensivreinigungen wie in „Schau-Mühlen“ beim gelegentlichen Schau-Mahlen.. Denn in diesen Mühlen ist es nötig, Getreide- und Mehlreste in Mahlgang und Sichter möglichst pedantisch zu entfernen, damit im feuchtkalten Winter-Mühlenklima „Schadnager“, z.B. „niedliche Mäuschen“, keine Nahrung finden, Getreidereste in irgendwelchen Winkeln zu schimmeln beginnen o.ä. Denn schließlich soll im nächsten Jahr wieder ein Lebensmittel, das Windmühlen-Mehl, mit hohen Qualitätsansprüchen produziert werden.
„Absegeln – und Winterruhe“ bedeutet also für die Müllerinnen und Müller eine allgemeine Grundreinigung der Mühle, Zerlegung des Mahlganges, nicht Ausbau!, Zerlegung des Sechskantsichters und Handreinigung mit Besen, Kehrblech, Spachtel, Pinsel usw. Für die früheren Müller sind damit die wichtigen Reinigungsgeräte für eine mühselige Arbeit aufgezählt. Für die Heutigen, die sich hier in ihrem Hobby-Bereich befinden und nicht mit dieser Arbeit ihr Leben sichern müssen, stehen neben den obigen Geräten zur zeitgemäßen Arbeitserleichterung ein Honda-Aggregat zur Stromerzeugung und ein Profi-Staubsauger der Firma Kärcher zur Verfügung, gesponsert vor drei Jahren.
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen: Nach Absegeln und Reinigung gönnten sich die Müllerkollegen am dem zugigen Bock der Wettmarer Windmühle zum Saisonabschluss Grillwürstchen, Bier und andere Köstlichkeiten. Temperatur bei Westwind und Windstärke 2 - 3: gefühlt 3 Grad Celsius. – Winterpause! Nur die Sturmwache läuft ohne Unterbrechung auch in der Zwischenzeit wetterunabhängig weiter.
Bürgerreporter:in:Reinhard Tegtmeier-Blanck aus Wedemark |
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