Die Grubenanschlussbahn „Kasparbahn“ Burgdorf – Hänigsen ! -Geschichte, Anekdoten sowie Daten & Fakten-
Der Bau der Grubenanschlussbahn Hänigsen - Burgdorf startete 1907
Die Grubenanschlussbahn, die vom Kaliwerk Riedel in Hänigsen zum Kleinbahnhof in Burgdorf (Standort: Verlängerung der heutigen Raiffeisenstraße – in Höhe der Fußgängerbrücke) führte, ist 1907 bis 1908 erbaut worden.
Im Burgdorfer Kreisblatt ist nachzulesen, dass am 24.Februar 1908, 10:30 Uhr, unter Teilnahme prominenter Gäste auf der neuen Strecke von Burgdorf nach Hänigsen die Probefahrt stattfand.
Zur Feier des Ereignisses hatte der Gärtnermeister Michelssen aus Burgdorf die Lokomotive mit einer Girlande geschmückt. Am 2.März 1908 kam die erste eigene Dampflokomotive, eine Borsig 6441, in Hänigsen an, und am 11.Juni 1908 wurde die Strecke für Materialtransporte in Betrieb genommen.
Die von Hermann Meyer zusammengestellte Chronik des Kirchspiels Hänigsen ist zu entnehmen, dass die Fertigstellung dieser Bahn rund 600.000 Mark gekostet hat.
Als am 15.März 1909 die Förderung und der Versand von Kalisalzen sowie andere Güter begann, da zeigte sich bald, dass bei keiner anderen der zahlreichen Kalibahnen die Verladungen sonstiger Unternehmer und der Landwirtschaft so umfangreich wie bei dieser Bahn waren.
Dazu trugen vor allem die Erdöltransporte bei.
1909 waren nördlich von Hänigsen so ergiebige Erdöllagerstaääten erschlossen worden, dass 1910/11 auf halbem Wege zwischen dem Bahnhof Hänigsen und dem Schacht Riedel ein besonderer „Ölbahnhof“ mit drei Gleisen und neun Weichen entstand.
Die hannoverschen Eisenbahnfreunde haben für das halbe Jahr vom April 1910 bis September 1910 folgende Verkehrszahlen ermittelt:
Richtung Hänigsen – Burgdorf
Kali 33.874 Tonnen
Erdöl 13.729 Tonnen
Landwirtschaftliche Produkte 368 Tonnen
Zwei Bierflaschen vergessen ?
Über die Baugeschichte der genau 9,730 Kilometer langen Bahnstrecke von Burgdorf nach Hänigsen sind nur wenige Nachrichten von Zeitzeugen überliefert. Der Altbauer Hermann Hansen aus Weferlingsen berichtet, dass sich während des Bahnbaues ein fliegender Händler einstellte, der jeweils mit der Arbeitskolonne mitzog. Er hieß von der Heide und wohnte vorübergehend im Weferlingser Hirtenhaus, der sogenannten Burg, am Nordende des Dorfes.
Bei ihm konnten die Bahnarbeiter während der Mittagspause eine warme Mahlzeit kaufen und natürlich auch Flaschenbier. Als Andenken fand man 1962 beim Wegräumen des Bahnschotters zwei leere Bierflaschen, die wohl aus Versehen liegenblieben und dann zugeschüttet wurden. Hermann Hansen erinnert sich auch an die wirtschaftlichen Auswirkungen, die der Bahnbau für die Landwirtschaft in Hänigsen, Obershagen, Weferlingsen und Sorgensen hatte.
So nahm der Anbau von Zuckerrüben, die jetzt per Bahn und nicht mehr mit Pferdefuhrwerken nach Lehrte transportiert wurden, einen starken Aufschwung, umsomehr als nun auch der Kunstdünger auf dem Schienenwege angeliefert wurde.
Das änderte sich erst, als 1950 Traktoren die Pferde auf den Bauernhöfen ablösten.
„Schuf`n betten, schuf´n betten" !
Durch den Bahnbau kam die Weferlingser Staugenossenschaft unverhofft zu einer neuen Schleuse, die sie sonst gar nicht hätten bezahlen können. Da die Bahntrasse auf einem zwei bis drei Meter hohen Damm das Auetal überquerte, musste sich das Bauunternehmen verpflichten, mehrere große Durchlässe und eine große Schleuse zu bauen.
Neben diesen Vorteilen haben die Weferlingser auch Nachteile von der Kleinbahn gehabt.
In Ortsnähe führte die Bahnstrecke an einem Gehölz vorbei. Durch Funkenflug aus der mit Kohlen beheizten Lok kam es in trockenen Jahreszeiten wiederholt zu kleinen Waldbränden. Einmal brannten dabei 24 Morgen Kieferwald ab, die dem Landwirt Ebeling gehörten.
Von Weferlingsen bis Sorgensen verlief die Bahnstrecke parallel zur Kreisstraße. Dabei musste der zwischen den beiden Orten gelegene kleine Kirchberg überwunden werden. Die Steigerung bereitete den leichten Lokomotiven gelegentlich solche Schwierigkeiten, dass sie es erst nach mehreren Anläufen schafften, die
Anhöhe zu überqueren. Es kam auch vor, dass der Heizer auf diesem Abschnitt vor der Lok hermarschierte und aus einem Eimer Sand auf die Schienen streute, damit die Räder nicht durchdrehten.
Entsprechend den Zischlauten, die aus der schwer arbeitenden Dampfmaschine ertönten, sagten die Zuschauer dann zur Untermalung langsam und betont:
„Schuf`n betten, schuf`n betten, schuf`n betten“
(Schieb` ein bißchen)
War die Anhöhe geschafft und die Lokomotive kam wieder auf Touren, dann hieß es in schneller Folge:
„Kann`t alleene, kann`t alleene, kann`t alleene“
(Kann`s alleine)
Hänigser Kaspar oder Allie
Es ging gemütlich zu bei der Kreisbahn, die die Burgdorfer liebevoll „Hänigser Kaspar“ nannten, weil das der Neckname für die Einwohner aus dem Kalidorf war.
Die Hänigser aber nannten ihren Kleinbahnzug der oder die „Allie“.
Woher diese Bezeichnung kommt, ist schwer zu erklären. Vielleicht verbirgt sich darin das französische Verb allez = vorwärts oder es ist die verbalhornte Abkürzung der Gesellschafterbezeichnung Alkaliwerke Ronnenberg, in deren Besitz der Schacht Riedel bis 1925 war.
„Blumenpflücken während der Fahrt verboten“
Beschaulich und ungezwungen war eine Fahrt mit dieser Bahn. Der Zug benötigte für die rund 9 Kilometer lange Strecke eine Fahrtzeit von 25 Minuten. Der ironisch gemeinte Hinweis an die Fahrgäste „Blumenpflücken während der Fahrt verboten!“ galt abschnittsweise auch hier.
„Halbe Fracht“
Da kein Gegenverkehr herrschte, konnte sich das Bahnpersonal erlauben, unterwegs einmal eine Ruhepause einzulegen. Vor allem war es die Gastwirtschaft Eickmann, die auf halber Strecke in Weferlingsen unmittelbar an der Bahnstrecke lag und zur Einkehr einlud, besonders spätabends, wenn der letzte Güterzug von Hänigsen nach Burgdorf fuhr.
Heute noch schmunzeln ältere Weferlingser über den Streich, den sie Lokführer und Heizer einmal spielten. Während die beiden Ihren Durst löschten, koppelten Jugendliche den größten Teil des Zuges heimlich ab, sodaß das Zugpersonal nach dem Wirtshausbesuch nur mit halber Fracht den Transport in Richtung Bahnhof Burgdorf fortsetzte.
Am Kirchberg merkte Lokführer „Titte“ Winkelmann, dass die Anhöhe überraschend leicht genommen wurde und musste dann feststellen, dass der halbe Zug fehlte.
Fluchend fuhr er zurück und brachte danach alle Wagen gut zum Bestimmungsort.
„Von Bahn auf Bus“
Der öffentliche Personenverkehr auf dem Schienenwege zwischen dem Kalidorf und der Kreisstadt kam am 30.Juni 1949 zum Erliegen und wurde dann von der damaligen Kraftverkehr Burgdorf GmbH übernommen. Nach Übernahme der Schachtanlagen durch die Burbach AG pendelten weiterhin jeweils zu Schichtbeginn und-ende die sogenannten Arbeiterzüge zwischen Burgdorf und Schacht Riedel, bis auch der Werksverkehr am 1.Juli 1957 auf Busse umgestellt wurde.
Von jetzt an diente die Kleinbahn, die immer noch Burgdorfer Kreisbahn hieß, ausschließlich dem Güterverkehr. Dieser nahm durch die steigenden Kalitransporte und auch durch die reichen Ölfunde, die südlich von Hänigsen gemacht wurden, zunächst einen starken
Aufschwung. Jedoch im Laufe der Jahre verlor die Kleinbahnstrecke an Bedeutung und
am 31.Juli 1961 fuhr der letzte Zug....
So ging im heimischen Raum ein Kapitel Eisenbahnromantik zu Ende.
Hier jetzt noch so einige nette Anekdoten, die zum Schmunzeln einladen:
"Titte" legte den „Brenner“ rein
Zusammen mit dem Brennereibesitzer Hermann Wietfeld und dem Busunternehmer Ernst Kohlstruck spielte Karl“Titte“ Winkelmann regelmäßig in dem damaligen"Stadtwappen" in der Hannoverschen Neustadt einen zünftigen Skat. Beiläufig erzählte der Brenner eines Tages seinen Skatbrüdern, daß bei ihm zu Haus ein Schwein geschlachtet und die Wurst besonders gut geraten sei. Er schwärmte auch von dem Mett so sehr, daß seinen Mitspielern das Wasser im Munde zusammenlief.
Darauf machte "Titte" Winkelmann folgenden Vorschlag: "Wenn du die Getränke bezahlst, dann hole ich Wurst und Mett, und wir lassen es uns ebenfalls gut schmecken." Hermann Wietfeld war einverstanden, und Karl Winkelmann machte sich auf den Weg. Der führte ihn direkt zur Ehefrau des Brenners. Mit todernstem Gesicht sagte er zu ihr: "Martha, Hermann schickt mick, wie woll´n dewost probeiern un dat Mettverseuken. Du schöst mick´n betten inpacken!"
Ahnungslos gab sie ihm das Gewünschte, und stolz kehrte Karl Winkelmann mit den gehamsterten Fleischwaren zu seinen Skatbrüdern zurück. Die ließen es sich gut schmecken, und an Getränken wurde ebenfalls nicht gespart. Am nächsten Tag erst kam der Brenner dahinter, daß ihm "Titte" Winkelmann einen Streich gespielt und er neben den Geträken auch noch das Essen für den lustigen Abend geliefert hatte.
Lok im Gemüsegarten
In der 53jährigen Geschichte der Burgdorfer Kreisbahn hat es nur wenige Betriebsunfälle gegeben.
Einmal passierte es jedoch, dass die schwere Lokomotive plötzlich im Gemüsegarten stand, der zur Dienstwohnung eines Steigers gehörte. Und das kam so.
Nach Schichtschluß war es die Aufgabe des Heiers, die Lok abzuschlacken und den Kessel auszuwaschen. Das geschah
Vor dem Lohschuppen. Der zum Heizer umgeschulte Schuhmacher Karl Laffert hatte sich so viele Kenntnisse angeeignet, dass er meinte, nach getaner Arbeit die maschine allein in den Schuppen fahren zu können.
Doch er irrte sich in der Bedienung des Regulators. Die Lok hatte so viel Energie gespeichert, dass sie mit Volldampf in den Schuppen hineinfuhr, die rückwärtige Mauer durchbrach und erst im angrenzenden Garten zum Stehen kam.
Ein aus Hannover angeforderter Kranzug setzte die kaum beschädigte Maschine wieder auf die Schienen, sodaß schließlich der Schaden geringer als der Spott war.
Schwarze Gesichtscreme
EinesTages feierten Karl Winkelmann und seine Arbeitskollegen in der Burgdorfer Bahnhofswirtschaft das Schichtende so tüchtig, daß "Titte" betrunken und willenlos war. Das nutzten seine Kumpel aus und schwärzten sein Gesicht mit Schuhcreme ein. Als sie danach schwankend das Lokal verließen und der eingeschwärzte Karl unterwegs fletschend sein kräftiges Gebiß zeigte, da sah das wirklich furchterregend aus.
Seine Zechkumpane brachten ihn bis zur Haustür und verschwanden, bevor diese geöffnet wurde. Aber "Titte" hatte eine verständnisvolle Ehefrau, die Röschen hieß. Während er auf dem Sofa seinen Rausch ausschlief, machte sie sich daran, sein Gesicht zu säubern. Danach ging sie zur Nachbarin, um ihr von dem jüngsten Streich der Kreisbahner zu berichten.
In der Zwischenzeit erschien der Lokführer und Mitzecher Ernst Richter in Winkelmanns Wohnung und wollte sich nach dem Befinden seines Arbeitskollegen und der Reaktion der Familie erkundigen. Als er Karl allein schlafend und gesäubert vorfand, da geizte es ihn, das Gesicht erneut einzuschwärzen und ungesehen zu verschwinden. Wie Röschen bei ihrer Rückkehr darauf reagierte, ist nicht überliefert. Wahrscheinlich glaubte sie, ein Gespenst sei dagewesen und hätte ihren Karl zum zweitenmal zu einem Neger gemacht.
Angeschweißt
Wie rauh aber herzlich das Verhältnis der Arbeitskollegen bei der Burgdorfer Kreisbahn untereinander war, das macht folgende Begebenheit deutlich, die leicht schwerwiegende Folgen hätte haben können.
Während "Titte" Winkelmann auf dem Werkshof neben der Lok stand und sich intensiv und laut mit dem Maschinenpersonal unterhielt, schweißten Mitarbeiter seine Schuhe an den Bahnschienen fest, ohne daß er es bemerkte. Das war möglich, weil Karl Winkelmann Unfallstiefel trug, deren Sohlen aus Eisen versehen waren, und weil nebenan gerade Schweißarbeiten ausgeführt wurden.
Die Reaktion des auf so ungewöhnliche Art Angeschmiedeten kann man sich vorstellen. "Titte" wird sich bei passender Gelegenheit entsprechend revanchiert haben.
Quelle: VVV-Burgdorf & Heimatbund Hänigsen
Sehr interessant. Habe als Burgdorfer oft davon gehört, ohne weitere Hintergründe zu kennen. Informativ und unterhaltsam zugleich.