Jakobsweg - vor einem Jahr: am Ziel
Donnerstag, 29.05.2008 - der 36.Tag
Pedrouzo – Santiago de Compostela 21,7 km
Nachdem wir gestern zwangsweise weiter gegangen sind, als wir eigentlich geplant hatten, wollen wir den Rest der Strecke nicht noch einmal teilen. Ursprünglich wollten wir in Monte do Gozo bleiben, das wären heute aber nur 16 km.
Die tatsächliche Wetterlage hätte mich dann aber doch zum Stopp auf dem „Berg der Freude“ verleitet. Walter ist aber seit langem wieder weit voraus, auch weil ich in einem zweiten Stempelheft auf den letzten 100 Kilometern zusätzliche Stempel gesammelt habe. Zum Beispiel in der Bar „Tor von Santiago“, wo ich zu einer Kaffeepause einkehre. Das Ablegen und Wieder-Anziehen der Regenkleidung erfordert zusätzliche Zeit.
Regen seit unserem Abmarsch. Das erste Zeichen von Santiago ist die Flugplatzbefeuerung von Lavacolla. Aber von den gut 20 km ist bisher erst die Hälfte geschafft. Zu dem Regen, der immer heftiger wird, kommt noch ein unangenehmer Wind von vorn. Das Wasser steht auf der Brille. Fast nur durch Zufall sehe ich das Denkmal auf dem Monte do Gozo, das den Papstbesuchen gewidmet ist. Ich gehe durch die Ferienanlage, in der für Pilger Unterkünfte fest reserviert sind, und treffe am Ausgang wieder auf einen gelben Pfeil. Vor Regen und Wolken ist vom nun nahen Santiago nichts zu sehen. Kurz hinter der Brücke über den Río Sar steht das Ortsschild von Santiago de Compostela.
Bei diesem äußerst trostlosen Wetter empfinde ich meinen Einzug in Santiago als würdelos. Erst kurz vor dem Praza do Obradoiro erblicke ich zum ersten Mal die Türme der Kathedrale. Am nächsten steht der Glockenturm.
Walter hat sich am Polizeipräsidium gegenüber der Kathedrale untergestellt. Der Platz wirkt wie leergefegt. So nass wie ich bin, mit Poncho und Rucksack will ich nicht in die Kathedrale. Ich gehe zunächst mit Walter zum Pilgerbüro, um die „Compostela“, die Urkunde, die meine erfolgreiche Pilgerfahrt bestätigt, abzuholen. Die Warteschlange reicht vom ersten Stock bis an den Anfang der Treppe im Erdgeschoss. Plötzlich steht Kurt neben uns. Er ist schon seit gestern hier und will nun an der täglichen Pilgermesse um 12.00 Uhr teilnehmen. Er hatte seinen Rückflug erst für den 11.Juni geplant, will aber nun nicht so lange warten und möchte seinen Flug umbuchen. Das wird ihm gelingen, wie wir später erfahren. Nach einer ¾ Stunde halten wir unsere Compostela in den Händen und verpacken sie sorgsam in einer Papprolle (Kosten: 1 Euro).
Als wir das Pilgerbüro verlassen, werden wir von einer Frau angesprochen, die uns bei der Zimmersuche helfen will. Solche Hilfe wird hier ständig angeboten. Bei dem Regen ist es vielleicht keine schlechte Idee, nicht lange selbst zu suchen. In der ersten Pension ist schon alles belegt, in der zweiten, die wir über verschlungene Wege erreichen, klappt es dann. Das Doppelzimmer kostet bei zwei Übernachtungen 35 € für jeden von uns, eigentlich ein zu hoher Preis. Aber wir wohnen direkt am Zentrum. Die Heizung wird derzeit nicht betrieben, obwohl die Temperatur draußen es verlangen würde. Dafür wird uns in einem abenteuerlichen, engen Kellerverschlag, in dem die Warmwasserheizung steht, eine Möglichkeit geboten, nasse Kleidung und Schuhe zu trocknen.
Nach der Rückkehr vom geplanten Ausflug nach Finisterre/Fisterre wollen wir in ein anderes Hostal ziehen.
Das erste, was ich beim anschließenden Gang durch die Altstadt tue, ist mir einen Schirm zu kaufen. Den braucht man hier wirklich, denn alle 10 Minuten ändert sich das Wetter, so scheint es. Zum etwas späten Mittagessen wähle ich Pulpo – Tintenfisch auf galizische Art. Sollte man wirklich gegessen haben.
Nach einer ausgiebigen Rast in der Pension gehen wir in die Kathedrale. Auch wir wollen unsere Pilgerreise mit den traditionellen Handlungen beschließen, wie sie in Führern und auf Web-Seiten beschrieben sind. Vom großen Platz vor der Kathedrale betreten wir über die breiten Treppen die Kathedrale.
Hinter den Eingangstüren öffnet sich ein Vorraum mit dem „Glorientor“ (Pórtico de la Gloria). An der Mittelsäule oben thront Jakobus. Am Fuß dieser Säule befindet sich die Figur des Baumeisters Mateo, die die Pilger mit ihrem Kopf berührten, nachdem sie zuerst die Säule mit ihren Händen gefasst hatten. Seit längerer Zeit verwehrt nun eine schmiede-eiserne Barriere den ankommenden Pilgern das Anfassen der Säule und selbst das Berühren des Kopfes von Mateo schaffen nur extrem große Pilger mit langen Armen, wenn sie sich weit über das Gitter lehnen.
Durch das Mittelschiff gehen wir am Hauptaltar seitlich vorbei und steigen über eine enge Treppe hinter die Figur von Jakobus, die wesentlicher Teil des Hauptaltars ist. Wir umarmen die Figur von hinten, steigen auf der anderen Seite herab und wenden uns der Krypta zu. Der Strom der Pilger, die sich hinter der Figur entlang bewegen, wird übrigens auch bei Messen nicht unterbrochen. Wer im Hauptschiff sitzt, sieht immer wieder die Pilger vorbeigehen. Wir steigen hinab in die Krypta und verharren einen Moment still am Grab des Apostels. Damit haben wir, wie alle Unzähligen vor uns, unsere Pilgerreise beendet. Es ist 17.30 Uhr am 36.Tag unseres Weges.
Bis zu unserem Rückflug nach Deutschland am 03.06. bleiben noch vier Tage. Wir nutzen sie für die Stadt und seine Sehenswürdigkeiten und hoffen auf besseres Wetter. Vor allem aber wollen wir diese Frage beantwortet haben: Wo ist das Ende der Welt?
Bürgerreporter:in:Heinz Schumann aus Burgdorf |
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