Dresdens schwarzer Aschermittwoch '45
Erinnerungen eines Soldaten aus Dresden :
Noch am Morgen des 13. Februar 1945 war ich frohgemut , als der Stabsarzt im Lazarett mir sagte : ,, Sie sind doch Dresdner , können sie nicht bei Ihren Eltern wohnen ? “ Es war klar , dass ich diese Großzügigkeit des Arztes dem Näherrücken der Front verdankte , weil jedes freie Bett dringend benötigt wurde . ( Lazarett bei Leipzig ) Schnell hatte ich meine wenig Habseligkeiten gepackt und humpelte zur Straßenbahnhaltestelle .
Am Nachmittag schlug meine Mutter vor : ,, Wie ist es , wollen wir uns den neuen Film mit Christina Söderbaum anschauen ?” Mein Geist war wohl willig, aber die Wunde machte Schwierigkeiten , und der Kinobesuch wurde verschoben . Ich bin sicher , diese Entscheidung rettete und das Leben !
Angefangen hatte es ziemlich harmlos . Als das eintönige Ticken aus der Luftwarnzentrale um 21.40 Uhr die Sendung des Reichssenders Leipzig unterbrach und der Nachrichtensender starke feindliche Bomberverbände im Anflug auf Mitteldeutschland ansagte , ahnte kein Dresdner , dass diesmal seine Stadt an der Reihe war . Die Durchsage war noch nicht zu Ende , als sich alles überschlug. Mit dem Einsetzen der Sirenen fielen bereits die ersten Bomben . Das vorbereitete Handgepäck für alle Fälle in der Hand , trafen sich die Hausbewohner im Keller. Etwa um 22.13 Uhr fiel die Stromversorgung aus .An den Leuchtziffern meiner Uhr konnte ich erkennen , dass etwa eine Stunde vergangen war. Für die elf ängstlichen Menschen im Keller eine Ewigkeit Ununterbrochen detonierten die fallenden Bomben , es wollte kein Ende nehmen . ,,Das müssen Hunderte sein “,dachte ich ( etwa 9000 Flugzeuge waren eingesetzt !).Das widerliche Heulen der
ihr Ziel suchende Bomben hörte nicht auf , und der alte Handke jammerte : ,, Wie soll das bloß enden ? “, als ein Einschlag ganz in der Nähe den Schutzraum zum Beben brachte . Die kleine Bärbel aus der zweiten Etage weinte still vor sich hin , und Frau Röhrig betete seit einer halben Stunde ,, Vater unser...”.
Wenn ich bisher alle Höhen und Tiefen des unbarmherzigen Krieges mitgemacht hatte und annahm , mich könnte nichts mehr erschüttern , so wurde ich in dieser Nacht - zum Aschermittwoch der Jahres 1945 - eines Anderen belehrt.Was in dieser Nacht geschah , war die Hölle , und was übrig blieb das Grauen ! Staub nahm die Luft weg. Das war verdammt nahe , und während einige im Keller Sitzenden erschreckt aufschrien, hatte ich nur einen Gedanken : ,, Hoffentlich geht alles schnell ! “ Danach war Stille, nur Bärbel wimmerte leise. Auch Frau Röhrig
hatte zu beten aufgehört. ,, Kommen Sie “ , forderte der Luftschutzwart meinen Vater auf , ,, wir wollen einmal nachschauen ! “
Ich schloss mich den beiden Männern an , und gemeinsam stiegen wir die Treppe hoch. Außer geborstenen Fensterscheiben waren in der Dunkelheit keine nennenswerte Schäden festzustellen
Als aber mein Vater dann auf dem Dachboden durch die kleine Luke schaute, rief er entsetzt :
,, Das ist ja furchtbar ! “ Auch ich blickte auf die in ein Flammenmeer gehüllte Stadt. Ob über die Elbe Richtung Friedrichstadt oder geradeaus zur Leipziger Vorstadt und Antonstadt , überall himmelwärts lodernde Flammen. Unter uns auf der Leipziger Straße verließen von panischer Angst gepeinigte Menschen die Stadt .Ich dachte nur noch : ,, Dieser verfluchte Scheißkrieg “.
Schwach klang das ,, Tatü - Tata “ der von auswärts anrollenden Feuerwehren über die Elbe herüber. Sie kamen nicht mehr zum Einsatz ! Während die Löschfahrzeuge auf der Bremer Straße schon von den Bomben zerschlagen wurden , gerieten diejenigen , die durch die Schläfer - und Wettiner Straße die Innenstadt erreichen wollten, zusätzlich in den Feuerorkan , der wie ein Hurrikan durch die Straßen tobte . Nicht ein einziger der Feuerwehrleute überlebte . Während wir noch durch das Dachfenster schauten , hörten wir über unseren Köpfen erneutes Brummen: Die nächste Wellen flogen an . Schnell liefen wir zurück in den Keller und mußten das grelle Pfeifen der fallenden Bomben und die Detonationen der Einschläge wiederum über uns ergehen lassen.
Zu diesem Zeitpunkt wußten wir noch nicht, dass unser Leben von einem Berechnungsfehler der alliierten Meteorologen abhing. Nach dem Angriff stellte sich heraus , dass diese ,, Wetterpropheten “ die Geschwindigkeit der Luftströmung während der Angriffszeit von Nord nach Süd nicht richtig berechnet hatten. Dadurch blieben viele Bewohner der Stadtteile nordwestlich der Linie Mickten, Uebigau über die Elbe hinweg nach Cotta am Leben.
Nach einem Bericht des obersten Luftschutzleiters der Stadt Dresden wurden bis zum 6.Mai 1945 39.773 Tote indendifiziert . Berücksichtigt man dabei die verstümmelten und verbrannten Leichen ebenso wie diejenigen , von denen nichts als ein Häufchen Asche übrigblieb , dann erscheint die Zahl von 135.000 Toten, die der Leiter der ,, Abteilung Tote “ , Hans Voigt , nach vorsichtiger Schätzung nennt , eher zu niedrig als zu hoch .Die angezweifelte Zusammenstellung des damaligen Polizeipräsidenten von Dresden vom 23.März 1945 nannte 202.040 Tote, und er rechnete mit einer ansteigenden Zahl bis zu 250.000 .
Als die Russen am 8. Mai 1945 in Dresden einmarschierten , wurden den über dreihundert Angestellten der sieben über Dresden verteilten Dienststellen der ,, Vermissten - Nachweis - Zentrale “ die weitere Identifizierungsarbeiten untersagt. Lediglich Voigt durfte mit drei Mitarbeitern in seiner Dienststelle in Dresden - Leuben an etwa achtzig - bis neunzigtausend angelegten Karteikarten über unbekannte Opfer weiterarbeiten .Berücksichtigt man ferner , dass gerade von den Flüchtlingen aus den Ostgebieten , die während der Angriffe in den Straßen und auf den Plätzen lagerten , ganze Familien umkamen und sich ca. 25.000 Kriegsgefangene in der Stadt befanden , dann kann die wirkliche hohe Zahl der Toten nicht annähernd geschätzt werden Wer sollte wohl in diesen Fällen Vermißtenanzeige erstatten? Von den 28410 Wohnungen im Stadtzentrum wurden 24866 völlig vernichtet. In der Seidnitzer Straße überlebten von 864 registrierten Menschen acht , im haus Nr.22 von achtundzwanzig Bewohnern einer , und im Nachbarhaus , der Nr. 24, kamen alle zweiundvierzig Bewohner um.
Mit einem Satz aus Gerhart Hauptmanns Nachlass soll die Schilderung dieser Katastrophe abgeschlossen werden : ,, Wer das Weinen verlernt hat , der lernt es wieder beim Untergang Dresdens “.
Bürgerreporter:in:Your Beoland aus Bösel |
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