myheimat.de setzt auf dieser Seite ggf. Cookies, um Ihren Besuch noch angenehmer zu gestalten. Mit der Nutzung der AMP-Seite stimmen Sie der Verwendung von notwendigen und funktionalen Cookies gemäß unserer Richtlinie zu. Sie befinden sich auf einer sogenannten AMP-Seite von myheimat.de, die für Mobilgeräte optimiert ist und möglicherweise nicht von unseren Servern, sondern direkt aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern, wie z.B. Google ausgeliefert wird. Bei Aufrufen aus dem Zwischenspeicher von Drittanbietern haben wir keinen Einfluss auf die Datenverarbeitung durch diese.

Weitere Informationen

Flüchtlingsrat NRW zu schwarz - grüner Landesregierung

Schwarz-Grün ohne menschenrechtliche Bodenhaftung?

Drei Bundesländer loben Wettlauf der Schäbigkeiten im Flüchtlingsrecht aus.

Mit Befremden stellen wir fest, dass in der asylpolitischen Debatte von Schutzbedürftigen und Menschenrechten kaum mehr die Rede ist. Die schwarz-grünen Landesregierungen von Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg sind mit einem gemeinsamen Entschließungsantrag für den Bundesrat endgültig in den Wettlauf um die schäbigsten Maßnahmen zur Verschärfung des Flüchtlings- und Migrationsrechts eingetreten. Als Flüchtlingsräte aus Schleswig-Holstein und Nordrhein Westfalen fordern wir unsere Landesregierungen auf, ihre an den Bundesrat adressierten populistischen und ganz offen und schamlos gegen geltende grund- und europarechtliche Standards gerichteten Forderungen zurückzunehmen und stattdessen die Menschenrechte und die sowohl rechtlich wie humanitär gerechtfertigten Ansprüche von Menschen zu verteidigen, die bei uns vor Kriegen, politischer Verfolgung oder anderen Überlebensnöten Schutz suchen.

Zur Kritik im Einzelnen:

1. Die drei Bundesländer fordern eine „Verbesserung der Rahmenbedingungen für Dublinüberstellungen“ durch mehr Druck und längere Fristen. Als hätte es die vernichtende Kritik der Fachleute zum „Sicherheitspaket“ der Bundesregierung nicht gegeben, fordert das Papier „Streichung/Kürzung“ von Leistungen für Personen, die nach der Dublin-III-Verordnung überstellt werden sollen, auch wenn sie gar nicht freiwillig ausreisen können. Für schwarz-grün scheint das Thema Dublinüberstellungen eine rein technische zu sein. Kein Wort fällt zu den verheerenden Menschenrechtsverletzungen in Dublin-Vertragsstaaten wie z.B. Bulgarien. Dass das Attentat von Solingen durch eine rechtzeitige Dublin-Überstellung des mutmaßlichen Täters zu vereiteln gewesen wäre, ist ein Narrativ, das angesichts des in den Dublinstaaten üblichen wieder Zurückschickens der dorthin Überstellten nicht verfängt. Auch die Lage der durch die geplanten Verschärfungen in erster Linie Betroffenen gerät vollkommen aus dem Blick: kein Wort zur psychischen Belastung für Menschen, die nach langem Aufenthalt in Deutschland verpflichtet werden, Integrationskurse, Schulbesuch, begonnene Berufsausbildungen oder eine erfolgreiche Beschäftigungsintegration in Deutschland zu beenden, um in einem anderen EU-Land wieder ganz neu anzufangen. Dublin ist kein technisches Problem, sondern ein Problem fehlender Standards, mangelnder Solidaritäten und systematisch verletzter Menschenrechte.

2. Als schlicht zynisch ist die Forderung an den Bund zu bewerten, anerkannten Schutzsuchenden bei Reisen in ihr Herkunftsland den gewährten Schutzstatus abzuerkennen. Tatsächlich sind solche Reisen das Ergebnis der von den zuständigen Bundesbehörden zu verantwortenden Dysfunktionalitäten bei der Umsetzung von Bundesaufnahmeprogrammen (hier Afghanistan) oder der Missachtung des Rechts auf Familiennachzug aus Herkunfts- und Transitstaaten. Würde der Bund hier innerhalb zumutbarer Fristen den rechtlichen Ansprüchen der betroffenen anerkannten Flüchtlinge genügen, könnten diese auch die regelmäßig in Sorge um Existenz- und Überlebensnöte ihrer Angehörigen begründeten und damit notgedrungenen Reisen unterlassen.

3. Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien? Es entsetzt uns, dass schwarz-grün regierte Bundesländer dies fordern, ohne auch nur im Ansatz zu reflektieren, dass es sich bei den Taliban sowie bei der Assad-Diktatur um Regime handelt, für die ein Menschenleben nichts zählt. Wollen die schwarz-grünen Länder diese Paria-Staaten, die Menschenrechte systematisch verletzen, als Partnerländer hoffähig machen? Missbräuchlich bezieht sich der Entschließungsantrag auf ein Urteil des OVG NRW vom 16.07.2024, das, anders als behauptet, die Schutzbedürftigkeit eines Syrers gar nicht in Frage gestellt hat: Es ging in dem Verfahren lediglich um die Frage, ob „nur“ Abschiebungsschutz oder auch die Flüchtlingsanerkennung zuzusprechen ist. Bei drohender Todesstrafe, Folter oder sonstiger menschenrechtswidriger Behandlung hat eine Abschiebung gem. der Europäischen Menschenrechtskonvention zu unterbleiben.

4. Die schwarz-grünen Bundesländer fordern „humanitäre“ Asylverfahren an den europäischen Außengrenzen. Dass die Reform des im April 2024 beschlossenen Gemeinsamen europäischen Asylsystems grund- und europarechtswidrig ist, ist unter Expert*innen und in der Fachwelt unumstritten. Davon völlig unbeeindruckt fordern nun die schwarz-grünen Länder in ihrem Entschließungsantrag die Umsetzung der GEAS-Vereinbarung, die zumindest von den Grünen wegen ihrer ungenügenden Beachtung menschenrechtlicher Standards auf ihrem Parteitag noch scharf kritisiert und von den Grünen im EU-Parlament sogar abgelehnt wurde.

5. Schwarz-Grün fordert die uferlose Ausweitung der Liste „sicherer Herkunftsstaaten“ auf alle Herkunftsländer mit einer Schutzquote von unter 5 %. Noch vor einem Jahr hat die Bundesregierung dies vehement abgelehnt. Das Konzept der „sicheren Herkunftsstaaten“ zielt darauf, Schutzsuchende aus diesen Ländern abzuschrecken und sie schnell abschieben zu können. Es folgt nicht menschenrechtlichen Tatsachen, sondern politischer Willkür. Das Bundesverfassungsgericht hat dazu eindeutige inhaltliche Vorgaben formuliert: „In den betreffenden Staaten muss Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen.“ Die Schutzquote ist für eine solche Feststellung kein geeignetes Kriterium.

6. Gerade erst hat die Bundesregierung den sog. „Ausreisegewahrsam“ von 10 auf 28 Tage verlängert – ein Schritt, gegen den selbst Bundesjustizminister Buschmann „verfassungsrechtliche Bedenken“ erhob: Die Zeit des Ausreisegewahrsams würde damit nahezu verdreifacht, so Buschmann damals, er sei aber „in zeitlicher Hinsicht auf das unmittelbare Vorfeld der Abschiebung“ zu begrenzen, daher bestände „ein verfassungsrechtliches Risiko“. Die schwarz-grünen Bundesländer scheren solche verfassungsrechtlichen Bedenken offensichtlich nicht – sie fordern eine „Aufhebung der zeitlichen Begrenzung des Ausreisegewahrsams“ und dringen bei Menschen, denen nichts vorzuwerfen ist, als sich am vermeintlich falschen Ort aufzuhalten, auf die Eskalation egelmäßiger Verstöße gegen das Grundrecht auf Freiheit der Person.

"Es ist erschütternd zu sehen, wie schnell CDU und Grüne einen reinen law-and-order-Diskurs in der Asylpolitik fahren und dabei jegliche menschenrechtliche Bodenhaftung verlieren", mahnt Birgit Naujoks vom Flüchtlingsrat NRW. „Humanität“ erscheine nur noch als Appendix in der Überschrift, im Text des Entschließungsantrags sei davon nichts mehr zu lesen.

Von den Rollbacks in der Politik gegenüber Geflüchteten profitiert indes vor allem die AFD, die sich zu Recht darüber freuen kann, dass alle ihre Forderungen sukzessive von den demokratischen Parteien nicht nur übernommen, sondern auch durchgesetzt werden. "Indes lehrt die Geschichte, dass rechtsextreme Ideen nicht demokratisch domestiziert werden können, denn im Zweifel halten sich rassistische Souveräne an den Wahlurnen doch an das Original", ist Martin Link vom Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V. überzeugt.

Doch es gibt mittlerweile auch Gegenstimmen in allen demokratischen Parteien, die diesen Wettlauf der Schäbigkeiten nicht mitmachen wollen und einen grundsätzlich anderen Kurs fordern. Es ist höchste Zeit, den Schalter umzulegen und wieder zu einer menschenrechtsbasierten und im Übrigen auch mit Blick auf wirtschaftspolitische und demographische Bedarfe im Einwanderungsland Deutschland zurückzukehren.

Diese Text stammt vom Flüchtlingsrat Nordrhein-Westfalen höchstpersönlich.

Weitere Beiträge zu den Themen

landesregierung-nrwFlüchtlingsrat NRW

2 Kommentare

  • Bea S. am 02.10.2024 um 10:01

Es gibt derzeit einen Überbietungswettbewerb "um die schäbigsten Maßnahmen zur Verschärfung des Flüchtlings- und Migrationsrechts". Da hat der Flüchtlingsrat NRW Recht. Man sieht offenbar, dass mit diesem Thema Wähler*innen gewonnen werden können. Deshalb nähern sich auch Vertreter*innen demokratischer Parteien den Positionen der AfD mehr und mehr an.

Die frühere AfD-Chefin Petry schreckte bereit 2016 nicht vor dem Gebrauch von Schusswaffen an der Grenze zurück zurück. Petry, die in der DDR aufgewachsen ist, forderte, dass deutsche Grenzschützer „im Notfall“ auf Schutz suchende Männer, Frauen und Kinder schießen sollen. Auch ihre damalige Vize Beatrix von Storch, immer noch Mitglied der AfD-Fraktion im Bundestag, vertrat damals schon diese Ansicht.

Immerhin: Ganz so weit wie diese schießwütigen Flintenweiber es fordern, geht schwarz-grün in NRW in dieser Angelegenheit nicht.

  • Bea S. am 02.10.2024 um 10:47

Ach ja, dieses Zitat stammt übrigens auch von Beatrix von Storch, AfD-Bundestagsabgeordnete:

„Wenn jemand kommt, und den ganz großen Knüppel rausholt und das damit schafft, innerhalb von zwei Tagen zu beenden, bin ich sofort dabei.“

Wenn diese Äußerungen, die unverblümt kriminelle Handlungen begrüßen und sich gegen unsere Verfassung richten, selbst Bundestagsabgeordnete befürworten, ist das natürlich eine Blaupause für andere, ähnliche Gewaltfantasien zu propagieren und damit Teile der AfD-Wählerschaft weiter  zu radikalisieren. Damit ist die Kampagne der Alternative:  "AfD, ganz normal"  treffend zusammengefasst. Da braucht sich doch niemand mehr über brennende Flüchtlingsheime oder zusammengeschlagene Andersdenkende zu wundern:

„Das Pack erschießen oder zurück nach Afrika prügeln.“ Dieter Görnert, AfD

„Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde.“ Marcel Grauf, Referent von Dr. Christine Baum, AfD und Heiner Merz, AfD

"Bescheidenheit bei der Entsorgung von Personen ist unangebracht“ – Jörg Meuthen, früherer AfD-Vorsitzender. Meuthen ist mittlerweile kein AfD-Mitglied mehr, weil ihm die Partei zu radikal geworden ist:-))

„Ich würde niemanden verurteilen, der ein bewohntes Asylantenheim anzündet.“ Marcel Grauf, Referent von Dr. Christina Baum, AfD und Heiner Merz, AfD

„Wir sollten eine SA gründen und aufräumen!“ Andreas Geithe, AfD

„Wenn wir kommen, dann wird aufgeräumt, dann wird ausgemistet!“ Markus Frohnmaier, AfD

„Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression.“ Sandro Hersel, AfD

"Solche Menschen müssen wir selbstverständlich entsorgen. “Petr Bystron, AfD, Europaabgeordneter

„Das große Problem ist, dass man Hitler als das absolut Böse darstellt.“ Björn Höcke, AfD, Landtagsabgeordneter

„Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. SIEG HEIL!“ Marcel Grauf, Referent von Dr. Christina Baum, AfD und Heiner Merz, AfD

„Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns ggf. anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren aber wenn wir endlich soweit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand. (…) Grube ausheben, alle rein und Löschkalk oben rauf.“ Holger Arppe, ehemaliger AfD-Funktionär

Beteiligen Sie sich!

Um zu kommentieren, öffnen Sie den Artikel auf unserer Webseite.

Zur Webseite

Themen der Woche

Glasklare FotosMakroPoesieAphorismusBildergalerieStilllebenNaturOktoberLaubNahaufnahmeGedankenHerbst

Meistgelesene Beiträge