Wir alle sind Weltmeister

Wir alle sind Weltmeister, jeder einzelne von uns. Auch Jogi Löw hat das erkannt, und er hat es bei der Jubelfeier in Berlin nicht nur so dahin gesagt.
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Naja, eigentlich sind nicht wir Weltmeister, sondern die deutsche Nationalmannschaft ist es. Aber irgendwie fühlen wir uns doch nun alle als Weltmeister. Und das zurecht, wie ich meine. Denn wir Fans sind es schließlich gewesen, die die deutsche Mannschaft bedingungslos unterstützt haben. Die sie angefeuert haben und wenn es aus der Ferne war. Die aber auch wirklich alles aus sich herausgeholt und alles gegeben haben.

Und was haben wir nicht alles auf uns genommen, um das große Ziel zu erreichen. Unser Eheleben haben wir für vier Wochen auf Eis gelegt. Bierkästen haben wir geschleppt, bis uns die Arme zitterten und uns der Schweiß auf der Stirn stand. Vom Jahresurlaub haben wir abgezwackt, um rechtzeitig zu Spielbeginn zu Hause oder beim Public Viewing sein zu können. Wir haben unsere Stimmbänder und unsere Kehlen heiser geschrien. Wir haben unsere Nerven strapaziert, die nicht selten blank lagen. Wir haben bis tief in die Nacht vor der Glotze gehockt und die Nachberichterstattung verfolgt. Dabei mussten wir uns die einschläfernden Kommentare von Oliver Kahn zu Gemüte führen und uns kräftig kneifen, um nicht wegzunicken. Wir haben am nächsten Tag müde im Büro gehangen und den Feierabend herbeigesehnt, damit wir uns wieder in den Fernsehsessel schmeißen konnten, um ja nichts aus Brasilien zu verpassen. Wie mussten wir uns über unsere Tipp-Ergebnisse in der Firma ärgern und zusehen, wie Arbeitskollegen in der Platzierung an uns vorbeizogen. Wie haben wir mit den deutschen Spielern mitgelitten, die bei 30 Grad im Schatten und bei über 90 Prozent Luftfeuchtigkeit über ihre Grenzen gegangen sind. Wie haben wir mit Miro Klose mitgefühlt, als er seinen Salto nicht ganz schaffte. Und dann sind uns auch noch vor Schreck die Chips im Hals steckengeblieben, als die Argentinier im Endspiel ihr Abseitstor machten und als Benedikt Höwedes die Kugel per Kopf nicht in die Maschen, sondern an den Pfosten setzte. Stockender Atem und Herzflimmern waren die Folge. Wie haben wir gestöhnt, als Christoph Kramer von einem Argentinier gecheckt wurde. Als der hinterher selber nicht mehr wusste, dass er noch 10 Minuten weitergespielt hatte. Wie sind wir zusammengezuckt, als Basti Schweinsteiger einen Faustschlag ins Gesicht bekam und das Blut nur so über seine Wange rann. Dabei können wir doch kein Blut sehen. Wie haben auch wir uns in der Verlängerung gequält, und wie haben auch wir vom stundenlangen Sitzen im Fernsehsessel Wadenkrämpfe bekommen. Und wir mussten mit ansehen, wie Lionel Messi die Auszeichnung des besten Turnierspielers erhielt, die doch glasklar an unseren Toni Kroos hätte gehen müssen.

Das alles und noch viel mehr haben wir auf uns genommen, mussten es ertragen und sind damit selber an unsere Grenzen gegangen. Und deswegen ist nicht nur die deutsche Mannschaft Weltmeister geworden, sondern auch wir, wir alle sind es. Das hat selbst Jogi Löw bei der Jubelfeier am Brandenburger Tor gesagt, und der muss es ja wissen. Wir alle haben uns diesen Titel schwer und redlich verdient, ja, von zu Hause aus erkämpft. Deswegen müssten wir auch alle dieses „Scheißding“, wie Schweini es formulierte, in den Händen halten. Doch das würde schwierig werden. Denn bevor es 80 Millionen Mal rumgegangen wäre, wären wohl schon wieder ein paar Weltmeisterschaften vergangen. Also stemmen und küssen wir diesen goldenen Baumstumpf mit der Kugel drauf mal im Geiste.
Und ob es beim nächsten Mal in Russland wieder klappen wird, das wissen wir nicht, das steht in sämtlichen Sternen. Aber natürlich werden wir dann wieder zur Stelle sein. Und wiederum werden wir alles geben und das Letzte aus uns herausholen. Denn nur so kann es die deutsche Nationalmannschaft schaffen. Nur so können wir wieder alle gemeinsam auf dem Fußball-Olymp stehen, denn dort gehören wir schließlich hin.

Bürgerreporter:in:

Kurt Wolter aus Hannover-Bemerode-Kirchrode-Wülferode

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