Der Jude - ein Gedicht, zitiert anlässlich des Holocaustgedenktages
Der Jude Johannes R. Becher
Er stand gefangen da in ihrem Haufen.
"Was bist du?! Sag: Ich - bin ein - Juden-Schwein."
Es wurde still. Er hörte nur ein Schnaufen.
Wie lange wird es noch so stille sein?!
Er horcht, um die Antwort dort zu finden
in dieser Stille. Sag, was bin ich, sag!
Schon sah er um sich her den Haufen schwinden.
Da holte einer aus zum ersten Schlag:
"Was - bist - du? ein - verfluchtes - Juden-" "Nein!"
warf der Gefangene sich dem Schlag entgegen.
- O würde es noch einmal stille sein.
Dann wüsste ich ... Und unter ihren Schlägen
wuchs er empor, und wie er höher ragte
als alle rings, da sah er weit um sich
die Welt. Es war die Welt, die ihn befragte:
"Was bist du, sag! Wir alle hören dich."
"Ich bin -, ich - bin - ein -" O welch jubelnd Glück
dies Wort, es riss ihn los aus ihren Banden.
Da wichen sie entsetzt vor ihm zurück,
als sei ein Geist vor ihnen auferstanden -
"Ein Mensch! Ich - bin - ein Mensch!" O neu geboren
ward hier der Mensch in seiner Folterqual.
Es brauste seinen Henkern in den Ohren,
als hörten sie das Wort zum ersten Mal,
und duckten sich, und Schritt für Schritt, so schlichen
sie auf den Menschen in der Mitte zu.
Sie maßen ihren Feind, den fürchterlichen,
sie schoben vor das Kinn und knurrten "du" -
"Ich bin ein Mensch!" So hörten sie ihn schwören.
Er hob die Hände, als er niederbrach.
"Ich bin ein Mensch!" Es klang ihm wie in Chören,
die eigene Stimme klang im Tod ihm nach.
Bürgerreporter:in:Helmut Feldhaus aus Rheinberg |
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