Totgesagte leben länger: Ein Exkursionsbericht über die Entdeckung einer ausgestorben geglaubten Tierart: Die Kleine Zangenlibelle.
Liebe Leser von „myHeimat“, liebe Natur- und Libellenfreunde,
Heute möchte ich Euch von einer Exkursion berichten, die wieder einmal anders war als all die Anderen.
Ihr, die aufmerksamen Leser meiner Berichte, habt schon viel über Libellen erfahren. Ihr habt von extrem seltenen Moosjungfern gelesen und der Art und Weise, wie wir sie fanden. Dies ist eine andere Geschichte. Es ist die Geschichte von drei Leuten, die auszogen um etwas zu finden, was es eigentlich gar nicht mehr gibt.
Die Rede ist von der Kleinen Zangenlibelle, (Onychogomphus forcipatus), einer etwa 6 Zentimeter langen und bis zu 8 Zentimeter breiten schwarz – gelben Schönheit, die nur sehr saubere Bäche und kleine Flüsse besiedelt. Da es solche Refugien in der heutigen Zeit so gut wie nicht mehr gibt, ist es im Allgemeinen um die Kleine Zangenlibelle schlecht bestellt. In meiner Heimat, der Niederrheinischen Bucht, galt dieses Tier seit 1925 als verschollen, später als offiziell ausgestorben.
Im Sommer 2008 fanden wir ein einzelnes Tier und konnten es fotografieren. 86 Jahre lang hatte niemand mehr solch eine Libelle gesehen. Diese „Sensation“ führte zu ganzseitigen Artikeln in der Lokalpresse, bis hin zu Live-Auftritten im Fernsehen. Weitere Funde blieben aus, sodass das Tier als sogenannter „Einfluggast“ bezeichnet werden musste. Hierzu muss man wissen, dass die Tiere in der Lage sind, große Höhen wund weite Strecken zurück zu legen. Die Alpen oder gar das Mittelmeer stellen für sie kein Hindernis dar.
Seit den letzten Wochen machte sich unter Libellenexperten ein Gerücht breit, dass es in der tiefsten Eifel ein Flüsschen gäbe, wo die Kleine Zangenlibelle angeblich gesehen worden sei. Diesem Gerücht gingen wir nach. Unterstützt wurden wir dabei von unserem Freund und Hobby – Paläontologen Werner Heydrich, dessen geologische Kenntnisse, sein gutes Auge und seine Kamera eine willkommene Verstärkung darstellten.
Bereits am frühen Morgen, bei Temperaturen um die 14°C waren wir am Ziel. Zu kalt für die Libelle! Zeit, um die Ausrüstung und das Gelände zu checken, letzte Gespräche im Bezug auf die Vorgehensweise zu führen und zu frühstücken. Nun ging es ins Wasser. Wir suchten die ersten, von der Sonne beschienenen Stellen der Ufer von der Wasserseite ab, wo sich die Tiere eventuell aufhalten könnten. Wir fanden nicht einen einzigen Flügel.
Nach etwa zwei Stunden nahmen wir einen Ortswechsel vor. Dafür musste eine Kuhweide überquert werden, die mittels eines Elektrozaunes umfriedet war.
Etwa einen Kilometer von der ersten Stelle entfernt, bei nun 23°C, sah ich etwas auf einem Stein sitzen, was der Kleinen Zangenlibelle ähnlich sah.
Das Tier war sehr scheu und flog mit Höchstgeschwindigkeit zum anderen Ufer. Also: Wieder ins Wasser. Das Terrain zeigte sich sehr gefährlich. Extrem rutschiger Untergrund, eine Tiefe, gut kniehoch und mittelstarke Strömung machten uns zu schaffen. In diesen Fluss hatte seit ewigen Zeiten keiner mehr einen Fuß hineingestellt. Trotz des immensen Fischreichtums war weit und breit kein Angler zu sehen. Uns gegenseitig sichernd, mit extrem empfindlicher Ausrüstung behangen, erreichten wir das andere Ufer. Und dort, zwischen Steinen und totem Geäst lebte ein Tier, das seit 1925 in unserer Region als ausgestorben galt.
Nachdem wir uns als „Eindringlinge“ sehr vorsichtig den Libellen genähert hatten schienen diese zu begreifen, dass von uns keine Gefahr ausging. Wir konnten binnen etwa 3 Stunden weit über 300 Aufnahmen machen. Bilder einer bis dato in unseren Breiten verschollenen Art, wie sie schöner nicht sein können. Als krönender Höhepunkt setzte sich ein Männchen direkt auf den Finger meiner Partnerin Heide.
Die Kleine Zangenlibelle zählt zur Familie der Flußjungfern. Die Männchen besitzen am Hinterleibsende ein zangenähnliches Gebilde, mit deren Hilfe sie die Weibchen zur Paarung erfassen. Diese Zange gab ihnen ihren Namen. Die weiblichen Tiere besitzen kein solches Merkmal. Ihr Hinterleib ist für das Eierlegen konzipiert und wesentlich breiter als das der Männchen. Es kann nach der Paarung bis zu 500 Eier ins Wasser abwerfen, von denen nur wenige überleben.
Die Entwicklungszeit der Tiere von der Larve bis zur Libelle wird auf 3 bis 5 Jahre geschätzt. Über das Leben der Art ist noch vieles im Verborgenen. Wir hoffen, dass unser außergewöhnlicher Fund mit dazu beitragen wird, mehr über die Lebensweise der schönen und seltenen Libelle zu erfahren.
Resümierend bleibt zu sagen, dass das Team „Waldschrat-online.de“ wieder einmal mehr eine Expedition erfolgreich abgeschlossen hat. Wir haben wieder einen kleinen Teil Geschichte geschrieben und möchten Euch, liebe Leser von „myHeimat“ gerne daran teilhaben lassen.
Wer Appetit auf mehr hat, dem sei unsere Homepage, www.waldschrat-online.de, empfohlen über die es auch eine CD mit vielen außergewöhnlichen Makro – Aufnahmen aus der geheimnisvollen Welt der Libellen zu beziehen gibt.
Herzliche Grüße an alle Freunde unserer schönen Natur,
Euer Willi
Bürgerreporter:in:H. - Willi Wünsch aus Bergheim |
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