Story: Die Geschichte der Erstentdeckung einer Tierart: Der Südliche Blaupfeil, (Orthetrum brunneum)

Südlicher Blaupfeil, Männchen im Close Up.
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Es ist etwas mehr als ein Jahr her. Am Spätnachmittag des 29. Juni des Jahres 2009 machten meine Partnerin Heide und ich nach einem normalen Arbeitstag noch eine kleine Routineexkursion in das nahegelegene Naturschutzgebiet „Wahner Heide“, welches rund um den Köln/Bonner Flughafen gelegen ist.

Dieses, etwa 50 ha. große Areal ist das artenreichste Naturschutzgebiet in Nordrhein – Westfalen und beherbergt über 700 seltene Tier- und Pflanzenarten. Das Gelände ist landschaftlich sehr abwechslungsreich, was sich in der enormen Artenvielfalt widerspiegelt. Binnendünen, mit Heidekraut bewachsen, wechseln nach wenigen Metern zu Wildwiesen mit Magerrasen, oder Feuchtgebieten, die mit Tümpeln und kleinen Seen ein komplett anderes Landschaftsbild zeigen.

Teils winzige Moore und deren Verlandungszonen bieten einen atemberaubenden Ausblick auf Moorlilien und andere Orchideenfelder. Wenige hundert Meter weiter steht man vor einem Eichen- oder Kiefernwald, in dessen Bereichen sich wiederum ganz andere Lebensformen angesiedelt haben. Kurz und gut: Ein Eldorado für Hobbyforscher wie wir es sind, Naturfreunde und einfache Wanderer, die mit offenen Augen und geschlossenem Mund auf ihre Kosten kommen.

Unsere letztjährige Exkursion führte uns in das sogenannte „Herfeldmoor“. Dieser Teil der Wahner Heide ist durch eine in das Naturschutzgebiet hinein gebaute, verlängerte Landebahnbefeuerung des Flughafens etwas „verunstaltet“, doch die Tiere stören sich nicht an Flugzeuge, die in Baumwipfelhöhe über ihren Lebensraum hinweg dröhnen. Wie sich zeigen sollte, ist dieses Herfeldmoor für einige Überraschungen gut.

Unter dieser erwähnten Landebahnbefeuerung, die gut 500 Meter in das Moor hinein gebaut wurde, erstreckt sich ein etwa zwei Meter breites und langsames Fließgewässer mit teilweisem Bewuchs von Schwimmblattvegetation sowie dem seltenen Sonnentau, einer Fleischfressenden Pflanze, und Knabenkräutern an beiden Ufern.

Dieser Landstrich bildet den Lebensraum vieler vom Aussterben bedrohter Libellenarten, wie zum Beispiel der Späten Adonislibelle (Ceriagrion tenellum), der Torf – Mosaikjungfer (Aeshna juncea) und der Zweigestreiften Quelljungfer (Cordulegaster boltonii). Weiterhin kommen dort die meisten der in unserer Heimat vertretenen Fließgewässerarten, unter anderem die Blaupfeillibellen vor. Ihnen galt unser kleiner Ausflug an diesem Nachmittag.

Als Naturfreunde und Hobbyforscher dringt man sehr vorsichtig und umsichtig in solche Gebiete ein. Die Sinne sind wach, das Auge scharf, man muss aufpassen, wo man hintritt, schließlich will man schützen und nicht zerstören. Viel Bewegung ist in der Luft. Zahllose Perlmutterfalter schwingen sich von einer Distel zur anderen. Selbst am späten Nachmittag konnten wir hier den Großen Schillerfalter (Apatura iris) beobachten. Postillion und Admiral, Zitronenfalter und Pfauenaugen, Bläulinge verschiedenster Art fliegen hier um die Wette. Der Wassergraben ist voll von Teich- und Grasfröschen, die ein Leben, gleich der Made im Speck führen.

Über dem fließenden Wasser fliegen die Libellen in reichlicher Individuenzahl und kämpfen um die besten Ansitzplätze und reviere, um nach Weibchen Ausschau zu halten. Vorwiegend sind dies Libellen von der Art des „Kleinen Blaupfeiles“. Hellblaue, 5 Zentimeter große Segellibellen mit deutlich abgesetztem, braunem Brustabschnitt. Für dieses Habitat also nichts Ungewöhnliches.

Doch da! Hoppla, was war denn das? So etwas Blaues hatten wir bisher noch nie gesehen. Trotz der hohen Geschwindigkeit, mit der dieses kleine Tier an uns vorbeischoss, konnten wir deutliche Farbunterschiede und die weiße Nase erkennen. Das stach sofort ins Auge. Schließlich hatten wir ja ein wenig Erfahrung in Sachen Libellen. Nach wenigen Sekunden wiederholte sich der Vorgang. Dann, plötzlich, ein kurzes Niedersetzen und „Schuss“ . Das erste Bild war im Kasten! Zu diesem Zeitpunkt glaubten wir selber noch nicht an das Vorkommen dieser Libellenart mit dem Namen „Südlicher Blaupfeil“. Wie sein Name schon sagt, kommt er eigentlich nur in den warmen Mittelmeerländern wie Italien und Südfrankreich sowie im nördlichen Afrika vor. Und nun…auch hier am Köln/Bonner Flughafen?

Wir konnten noch einige Bilder schießen und fuhren gespannt nach Hause, um die Aufnahmen am PC auszuwerten und in Büchern nachzuschlagen. Die Ergebnisse ließen keinerlei Zweifel aufkommen. Die Aufnahmen zeigten deutlich ein Männchen der Gattung „Südlicher Blaupfeil“ (Orthetrum brunneum).

Das kommende Wochenende abwartend bewahrten wir Stillschweigen über unseren Fund. Am folgenden Samstag konnten wir bei schönem Wetter an gleicher Stelle einen ganzen Bilderreigen der Art aufnehmen. Wieder zu Hause angekommen, erfolgte Sichtung und Auswertung der Fotos.

Nun waren wir 100 % sicher, dass wir eine neue Art für unsere Heimat entdeckt hatten. Nach dem Beschluss, die Verantwortlichen über dieses Ereignis in Kenntnis zu setzen, kam, was kommen musste: Nach sachlich - inhaltlich richtigen ausgesandten e – Mails an Dachverbände und sonstige Institutionen des Landes kamen folgende Antworten: „Es kann nicht sein, was nicht sein darf!“ oder etwa: „Dieses Tier gehört hier nicht hin!“ Und weiter: „Der Lebensraum passt nicht zu der angesprochenen Art!“ „Das glauben wir nicht!“ usw. usw.

Schließlich schlug einer der „Gesetzeshüter“ und „Schreibtischexperte“ vor, die Fotos einem landesweit bekannten Experten zuzusenden und dessen Expertise abzuwarten. Erst dann würde man uns Glauben schenken.
Um des lieben Friedens willen taten wir, wie uns geheißen. Die Antwort kam unmittelbar und war mit Euphorie erfüllt. BINGO! „Kaum zu glauben, aber eindeutig und wahr!“

Die darauf folgenden Gratulationsnachrichten rissen wochenlang nicht ab. Höhepunkte waren ein ganzseitiger Bericht mit unseren Fotos in der Lokal- und Fachpresse sowie Führungen der „Ungläubigen Hüter der Natur“ bis dicht an die Tiere heran.

Heute stellen Wissenschaftler sich die Frage, welchen Weg die Libelle zu uns genommen hat? Kam er über die Alpen oder vielleicht durch das Rhonetal?
Wir hingegen haben in diesem Jahr das Herfeldmoor erneut besucht und dabei festgestellt, dass der „Südliche Blaupfeil“ bodenständig geworden ist. Wir konnten die Paarung und Eiablage der Tiere beobachten und somit sicher beweisen, dass die artenreiche „Wahner Heide“ noch artenreicher geworden ist und an Bedeutung gewonnen hat.

Derartige Ereignisse von Erst- und Wiederentdeckungen sowie von verschollen oder ausgestorben geglaubten Tieren konnten wir in den letzten Jahren mehrfach für uns verbuchen. Die Geschichte vom „Südlichen Blaupfeil“ ist nur eine davon. Hierzu gibt es weitere Berichte auf unserer Homepage, Rubrik „Media & Awards“, „Team Waldschrat live im Fernsehen!“

Mehr über die Artenvielfalt der „Wahner Heide“ und über die Welt des Mikrokosmos der Kleinlebewesen direkt vor Eurer Haustür findet Ihr auf unserer Homepage, www.waldschrat-online.de, einer der meistbesuchten und informativsten Seiten dieses Genres im deutschsprachigen Internet.

Artenprofil des Südlichen Blaupfeiles:

Der Südliche Blaupfeil ist eine relativ kleine Libelle, deren Hinterleib (Abdomen) bei den Männchen eine Länge zwischen 29 und 31 Millimeter erreicht. Die Weibchen etwa 2 Millimeter kleiner. Bei den Jungtieren ist der Körper des Männchens bräunlich grau. Es hat einen violetten Unterton der blass grau vermischt, mit einer gelblichen braunen Tönung gefärbt ist. Das Weibchen hingegen ist ockerbraun. Der Hinterleib tendiert etwas mehr ins gräuliche mit einem leichten gelblichen und lilafarbeben Überzug.

Im Laufe der Entwicklung des Männchens verfärbt dieses sich hellblau. Das ausgefärbte und erwachsene Männchen ist vollständig mit blauen Bereifungen versehen, die dichter liegen und heller sind als beim Kleinen Blaupfeil. Dazu kommt noch eine fast weiße Stirn. Das Weibchen hingegen nimmt einen beigefarbenen Braunton an.

Die durchsichtigen Hinterflügel messen bei beiden Geschlechtern 34 bis 35 Millimeter. Das Flügelmal (Pterostigma) ist bei den Männchen mit 2,8 bis 3,3 Millimeter aber deutlich kleiner als bei den Weibchen bei denen es 3,5 bis 3,8 Millimeter misst.

Der Lebensraum des Südlichen Blaupfeils besteht aus Gräben, Wiesenbächen, Kanälen oder flachen Tümpeln deren Ufer nicht zu stark bewachsen ist. Noch vor wenigen Jahren wurde die Art als „Kiesgrubenart“ bezeichnet, weil man dort ihren angestammten Lebensraum vermutete.

Die Männchen wählen in der Paarungszeit Reviere entlang der Gräben, die zwischen 25 und 50 Meter lang sein können, wo sie auf Steinen oder Pflanzen sitzend auf Weibchen warten. Diese Reviere werden von ihnen gegen Artgenossen und andere Eindringlinge vehement verteidigt. Ein einmal gewähltes Revier behalten die Tiere dabei oft über Wochen und Tage bei. Fliegt ein Weibchen vorbei, fliegt das Männchen hin und koppelt sich im Flug an. Das entstehende Paarungsrad landet dann meist für ein bis zwei Minuten in der Vegetation nahe des Gewässers. Nach der Paarung umfliegt das Männchen das Weibchen solange, bis dieses zur Eiablage losfliegt.

Während der Eiablage wird das Weibchen stets durch das in der Nähe fliegende Männchen bewacht. Innerhalb von fünf Minuten legt das Weibchen seine Eier ab. Verglichen mit anderen Libellenarten zeigt dabei die Art und Weise eine außerordentliche Variabilität. Dies ist wahrscheinlich auf die Individuendichte verschiedener Arten am Gewässer zurück zu führen. Beobachtungen ergaben, je höher die Zahl der Libellen, umso nervöser reagiert die Art. Das Fotografieren dieser Angelegenheit wird hierdurch immens erschwert.

Wie immer hoffe ich, dass der Bericht Freude gemacht hat. Für Eure lieben Kommentare bedanke ich mich im Voraus.

Herzliche Grüße an alle Naturliebhaber, Libellenfreunde und solche, die es noch werden wollen.

Willi

Bürgerreporter:in:

H. - Willi Wünsch aus Bergheim

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