Gehst Du zum Weibe, vergiss die Fliege nicht…Impressionen und Bemerkungen über die „Listspinne“ (Pisaura mirabilis).

Listspinne (Pisaura mirabilis) in Ruhestellung.
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Spinnen sind mit allerhand Vorurteilen belastet, die vom Menschen oft aus Unwissenheit und Ängsten heraus produziert werden.

Möge dieser kleine Bericht dazu beitragen, eben diese Vorurteile und Phobien etwas zu mildern, indem wir hier in Wort und Bild dokumentieren, dass diese hoch entwickelten Tiere nicht nur Mörder und Räuber sind sonder auch fürsorgliche Eltern sein können, an denen sich manche Menschen ein Beispiel nehmen könnten.

Sie wurde im Jahr 2002 zur Spinne des Jahres gewählt. Die Listspinne oder auch „Brautgeschenkspinne“ genannt, gehört zur Familie der Raubspinnen und kommt in ganz Europa vor.

Meine Partnerin Heide und ich haben diese höchst interessante Art über mehrere Jahre in ihrem Lebenszyklus begleitet und Studien darüber angestellt, warum diese elegante Raubspinne wohl „Listspinne“ heißt.

Dieses Unternehmen erwies sich oft schwieriger als im Vorfeld geahnt. Die Spinnentiere sind nicht nur völlig harmlos sondern auch sehr sensibel und scheu. Daher standen wir oft vor Situationen, die wir dokumentieren wollten, und es ob unserer relativ einfachen Ausrüstung so gut wie nicht möglich war. Doch mit Einfallsreichtum, viel Geduld und Improvisationstalent, von dem Willen beseelt, das Leben dieser Tiere zu erforschen, gerieten wir letztlich ans Ziel.

Es kamen insgesamt vier Kameras zum Einsatz. Davon wurden die zwei kleinen Kompaktgeräte mit äußerster Vorsicht bis in die Gespinste der Tiere hinein platziert umso aus nächster Nähe die Gewohnheiten und das Verhalten dieser einzigartigen Spinnengattung zu zeigen. Wenn einige der gezeigten Naturdokumente nicht die gewohnte Schärfe besitzen, so liegt dies an den zum Teil ungewöhnlichen Positionen der Kameras, die einmal eingestellt, nicht mehr verändert werden konnten. Wir bitten hier um Verständnis.

Für Euch, liebe Leser von „MyHeimat“ nun exklusiv ein Portrait über die Listspinne, Pisaura mirabilis:

Aussehen und Merkmale:

Das Auffälligste an der Listspinne sind die langen Beine, von denen das vierte Beinpaar das längste ist. Der Hinterleib ist verhältnismäßig schlank, geradezu aerodynamisch geformt, was der Spinne bei der Jagd wertvolle Dienste in Sachen Schnelligkeit verleiht. Die Männchen haben eine Länge von 10 bis 13 Millimetern, die Weibchen werden etwa 12 bis 15 Millimeter lang. Die Maße täuschen über die eigentliche Erscheinung hinweg. Mit ausgestreckten Beinen sind sie fast so groß wie ein menschlicher Handteller.

Der Vorderkörper hat eine Grundfärbung, die von Hellbraun über meist Rotbraun und Grau bis Schwarz reicht. Er trägt in der Mitte einen hellen, deutlich abgesetzten Längsstrich als Muster. Der Hinterkörper der sich nach hinten verjüngt hat auf dem Rücken eine breite, dunkel gerandete Zackenbinde.

Die Männchen sind variabler als die Weibchen gefärbt und erscheinen, vor allem im Gegensatz zum weißen, eingesponnenen Brautgeschenk, eher schwarz. Weibchen bleichen bis zum Ende des Sommers aus und werden deutlich heller in der Grundfarbe. Die Längsstreifen auf Vorderkörper und Hinterleib sind immer zu sehen. Sie wird als Schutzanpassung an auf Sicht jagende Feinde angesehen.

Lebensweise und soziales Verhalten:

Die Listspinne pflanzt sich im Frühjahr und Sommer fort. In der Regel erfolgt auch Eiablage, der Kokon- und der Wohngespinnstbau, die Kinderstube in dieser Zeit. Die Jungtiere überwintern unter Laub und Baumrinden. Die Listspinne fängt am Tag und in der Nacht Beute. An warmen Tagen ist sie auch im Winter mitunter sehr aktiv.
Beim Beutefang beißt die Listspinne nach Umklammern mit den Beinen die Beute mit ihren kräftigen Kiefern und injiziert dabei ihr Gift. Es handelt sich hierbei um ein starkes Toxin, denn nach wenigen Sekunden ist das Beutetier tot. Es können sogar mehrere Fliegen kurz hintereinander erjagt werden. Die Listspinne zerkaut ihre Beute mit den Kiefern. Dabei werden Verdauungssekrete auf das Opfer abgegeben und die aufgelösten Bestandteile durch eine absurd kleine Mundöffnung wieder einsaugt. In der Regel fängt die Listspinne einen halben Tag vor einer Häutung und einen halben Tag danach keine Beute.

Zur Aufbewahrung umspinnen sie die Beute oder Reste großer Beute und transportieren sie an den Kiefern hängend, bis sie sie an Gräsern oder Blättern mit Seide befestigen. Das Umspinnen verhindert den Verlust der Nahrung, die nicht sofort gefressen werden kann. Auf diese Weise kann sich die Spinne einen Vorrat an Beute anlegen, der längere Zeit haltbar ist.

Die Listspinne verbringt die meiste Zeit des Tages an oder in einem Gespinst und sitzt dabei fast immer energiesparend kopfunter im Gras oder an Zweigen von niedrigen Sträuchern und lauert auf Beute. Wenn sie sich sonnt, tut sie das horizontal mit zusammengefalteten Vorderbeinen, die meist paarweise zusammen liegen. Solch ein Ort wird oft auf Blüten und Blättern gesucht, auf denen gelegentlich die Position gewechselt wird.

Bei Störungen durch potentielle Feinde oder den Menschen verschwindet sie rasch auf die Blattunterseiten oder ins dichte Gräsergewirr. Dies alles geschieht tagsüber. Nachts gehen die Männchen ihre Weibchen suchen. Wir hatten das Glück, diese Szenen auch am helllichten Tag zu dokumentieren, da es die Nächte vorher stark geregnet hatte.

Die Weibchen sind sehr dominant kämpfen mit ihren Artgenossen um die besten Beutefangplätze in ihrem Lebensraum. Große Weibchen erobern dabei selbstverständlich die besten Plätze. Später nehmen sie sich auch die geeignetsten Plätze für ihr Wohngespinnst, in welchem die Kinderstube entsteht. Wildwiesen und heideflächen werden in der Paarungs- und Aufzuchtszeit in hoher Dichte bewohnt. Die Weibchen werden von großen Männchen umworben. Kleinere Weibchen werden entweder die Beute größerer Artgenossen oder rigoros vertrieben.

Fortpflanzung und Brutpflege

Nun kommen wir zum Verhalten, welches der Spinne ihren Namen gab. Das Männchen fängt, bevor es auf Brautschau geht, ein Beutetier. Dies ist in der Regel eine Fliege. Diese Beute wird sorgfältig verpackt und mit herumgetragen. Ist ein Weibchen entdeckt, beginnt das Männchen mit der Balz. Dabei stemmt es den Körper vom Boden ab, damit das Weibchen das Beutegeschenk besser erkennen kann. Alsdann bereitet das Männchen die Geschenkübergabe vor, indem es sich vorsichtig von vorne dem Weibchen nähert und das Paket übergibt. Danach beginnt das Weibchen sofort mit dem Verzehr der Beute. Dieses „Ablenkungsmanöver“ nutzt das Männchen, um das Weibchen zu begatten, ohne selbst Opfer der Dame seines Herzens zu werden.

Es gab Fälle, da nahm das Männchen in fast selbstmörderischer Absicht dem Weibchen nach der Begattung das Geschenk wieder ab und flüchtete.

Einige Tage nach der Begattung beginnt das Weibchen damit, einen etwa Mottenkugel großen Kokon zu spinnen. In eine Öffnung, die bewusst angelegt wurde, wird eine dunkelbraune Masse gepresst, aus der sich die Eier entwickeln. Der Kokon, der nach der Befüllung vom Weibchen noch einmal dick umsponnen und somit verschlossen wird enthält dann etwa 170 bis 250 Eier.
Nun heftet das Weibchen den Eikokon unter seinen Hinterleib und beginnt mit der Brutpflege.

Spinnenmütter sind sehr liebevolle und aufopferungsvolle Tiere. Während der kommenden 14 Tage kümmert sich das Weibchen ausschließlich um den Kokon und die ungeborenen Jungen. Es wird nicht gejagt und somit auch keine Nahrung aufgenommen. Die Mutter ist nur auf der Suche nach optimalem Plätzen für den Kokon, wobei sie ihn niemals der prallen Sonne aussetzt. In dieser Zeit wirken die Spinnenweibchen extrem aggressiv. Manchmal hatten wir den Eindruck, als wollten sie in das Objektiv der Kamera springen.

Kurz vor Ende der zweiten Woche, in der das Weibchen den Kokon mit sich rumtrug, beginnt es mit dem Bau einer Wohnhaube, die als Kinderstube in dichtes, kniehohes Gestrüpp von zum Beispiel Heidekraut angelegt wird. Den Kokon platziert sie in der Spitze der Wohnkuppel.

Nach wenigen Tagen schlüpfen die jungen Spiderlinge, die noch einige Zeit von der Mutter bewacht werden. Die Jungtiere, etwa stecknadelkopfgroß, hängen, zu einer Kugel dicht an dicht gedrängt, in der Kinderstube. Bei Alarm, ausgelöst durch Signalfäden im Inneren des Gespinstes, zerstreuen sie sich blitzschnell im gesamten Bereich des Wohngespinstes. Auf diese Weise ist es Fressfeinden unmöglich, einen größeren Schaden anzurichten.

Nach einiger Zeit verlässt die Mutter ihre Jungen um wieder zu jagen. Die Kleinen, nun sich selbst überlassen tun das Gleiche und bestreiten ihr eigenes, gefahrvolles Leben. Viele werden selbst Opfer von Zahlreichen feinden im Mikrokosmos. Die, die das Erwachsenenalter erreichen, wachsen zu stattlichen Tieren heran und werden selbst gefürchtete Jäger.

Die beigefügten Aufnahmen sind textbegleitend und sollen die Lebensweise verdeutlichen.

Wir hoffen, dieser Ausflug in das Reich von Pisaura mirabilis, der Listspinne, hat ein wenig Gefallen gefunden. Über Eure Kommentare freuen wir uns sehr.
Weitere Infos über diese und andere Achtbeiner und noch so vieles, was kriecht, krabbelt und fliegt, gibt’s auf www.Waldschrat-online.de zu erforschen.

Herzliche Grüße
Willi

Bürgerreporter:in:

H. - Willi Wünsch aus Bergheim

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