Exkursionsbericht: Der ganz normale Wahnsinn im Herbst Teil 3: Der Nachmittag. „Mission impossible“.
Fortsetzung:
Früher Nachmittag. Die Aufregung und die Hektik der sich im Paarungsstress befindlichen Libellen am Teich haben sich nach einigen Stunden gelegt. Flugbewegungen sind nur noch vereinzelt zu beobachten. Genau wie wir brauchen auch die Tiere eine Art „Verschnaufpause“.
Bevor wir unser Augenmerk der näheren Umgebung der Baumgruppe und des Umfeldes des Teiches widmen, fliegt ein Männchen der Blaugrünen Mosaikjungfer das Ufer ab. Hoppla, ein anderes Flugbild, deutlich zu erkennen. Erst später sehen wir, dass der rechte Hinterflügel zu 75% fehlt. Na ja, ein bisschen Verlust ist immer. Ständige Kämpfe um die Position des „Platzhirsches“ fordern halt ihren Tribut. Trotzdem: Wir sehen erstaunliche Flugmanöver der gehandicapten Edellibelle. Eine seltene Aufnahme, die uns da gelungen ist.
Am Ufer des Teiches finden wir noch ein Pärchen der Kleinen Binsenjungfer (Lestes virens). Im Gegenlicht drücken wir auf den Auslöser und befinden die Dokumentation als gelungen. Ein Männchen der Art schaut mir noch frech in die Kamera als wollte es sagen: „Schau her, Du Waldschrat, ich leben noch!“
Minuten später fällt unser Blick erneut auf den Teich. Nichts mehr! Gähnende Leere. Unsere „Juwelen der Lüfte“ haben sich im wahrsten Sinne des Wortes verausgabt, ihr „Pulver“ sprich, ihre Eier verschossen.
Nun, in Luft aufgelöst haben können sie sich nicht. Also folgt dem hektischen Treiben am Teich mit der anspruchsvollen „Königsdisziplin“ - den Flugaufnahmen - die nächste, die nicht minder anspruchsvoll ist: Die Suche nach gut getarnten, sitzenden Libellen. Im Grunde genommen haben wir das ja am Morgen schon getan. Doch jetzt herrschen andere Voraussetzungen.
Ein Männchen der Herbst – Mosaikjungfer (Aeshna mixta) sitzt mir noch kurz Modell. Das hatte ich am Morgen schon. Duplizität der Ereignisse.
Auf Haselnusssträuchern sitzen zahlreiche Männchen von Heidelibellen, die leicht außer Puste sind, was nach dem Chaos der letzten beiden Stunden vollkommen verständlich ist. Ihre Hinterleibe pulsieren, wie bei einem Marathonläufer, der gerade einen Zielsprint hingelegt hat. Wie es uns nach vielen Stunden der Exkursion geht, danach fragt keiner.
Da! An einer Uferböschung im trockenen Gras hebt sich farblich etwas ab. Ein Männchen der Blaugrünen Mosaikjungfer (Aeshna cyanea) sitzt da am Boden – noch drei Meter entfernt.
Normalerweise hängen sie an hohem Geäst zum ruhen, doch dieses hier sitzt horizontal. Jetzt bloß keine falsche Bewegung machen, sonst besinnt sie sich, dass sie fliegen kann. Auf den ersten Blick sieht das farbenprächtige Tier aus als würde es Eier legen. Doch es ist ein Männchen. Völlig erschöpft von den Aktivitäten am Mittag, nutzt es seinen Hinterleib als zusätzliche Stütze, um frei atmen zu können. Die Situation nutze ich, um ein paar Nahaufnahmen des Insektes zu machen.
Anhand der Profilaufnahmen ist sehr schön die „Luftröhre“ zwischen den braunen Streifen an der Brustseite zu erkennen. Durch diese kleine Öffnung regelt die Libelle ihren Sauerstoffhaushalt. Wer bisher der Meinung war, Libellen atmen wie wir, durch Mund und Nase, hat hier wieder was gelernt.
Eine weitere Aufnahme zeigt das Tier bei der Augenpflege. Hier wird deutlich, wie beweglich der Kopf einer Libelle ist. Diese extremen Drehungen von insgesamt etwa 270° um die eigene Achse ermöglichen dem Tier eine optimale Rundumsicht. Libellen sehen bis auf 20 Meter Entfernung extrem scharf. Sie verfügen ohnehin über den besten Sehsinn im Tierreich.
Schließlich versuche ich das Unmögliche: Nachdem ich mich bereits sehr tief über das schöne und scheue Tier gebeugt habe, lege ich mich kurzerhand davor. Zwischen meinem Makroobjektiv und der Edellibelle sind noch etwa knappe 30 Zentimeter Luft. Näher geht es nicht…und das Tier bleibt sitzen!
Nach einer Vielzahl von Close – Up´s und einem leisen „Dankeschön“ fliegt sie in die Baumkronen.
In vielen Jahren hatte ich nie eine derartige Begegnung unter solch optimalen Bedingungen.
Die Zeit verging wie im Flug. Die Uhr zeigt jetzt 16. 30. Nach annähernd zehn Stunden beschließen wir unser kleinen „Basislager“ aufzulösen. Mit etwa 300 teils spektakulären Herbstfotos im Gepäck, treten wir den Heimweg an. Unterwegs resümieren wir: Das war wieder ein guter Tag. Halt der ganz normale Wahnsinn...nichts ist unmöglich.
Das Team „Waldschrat“ bedankt sich bei allen Lesern dieses dreiteiligen Berichtes für die zahlreichen, lobenden Kommentare und freut sich, dass Euch dieser Exkursionsbericht gefallen hat.
In Kürze folgt ein sehr interessanter Bericht über eine besondere Libellenart, wiederum mit Bildern illustriert, wie man sie sonst wohl kaum zu sehen bekommt.
Weitere Infos zu den „Juwelen der Lüfte“ mit hunderten Makroaufnahmen im XXL – Format und leicht verständlichem, begleitendem Textmaterial findet ihr auf unserer mehrfach ausgezeichneten Homepage http://waldschrat-online.de/
Mit herzlichen Grüßen an alle Naturfreunde,
Euer
Team „Waldschrat-online.de“
Bürgerreporter:in:H. - Willi Wünsch aus Bergheim |
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