Nachdenkliches zum Wochenende - Der Fernseher
PARABEL: Gestern habe ich meinen Fernseher beerdigt. Kaputt, einfach kaputt, von einer Minute auf die andere ließ er mich allein. Ich brachte es nicht übers Herz, ihn einfach in den Müll zu geben, also grub ich im Garten ein tiefes Loch und ihn darin ein.
Es ging ein treuer Gefährte, der mich jahrelang begleitete, widerspruchslos für mich da war. Er hat mich mit humorvollen Filmen getröstet, wenn ich einmal traurig war und mit nachdenklichen Themen wieder auf den Boden geholt, wenn es mir zu gut ging. Er hat mit Dokumentationen mein Wissen erweitert und mich mit Terra X ferne Länder und historische Ausgrabungsstätten besuchen lassen. Die Sportschau ließ mich virtuell zum Hochleistungssportler werden und im Großstadtrevier sorgte ich an der Seite von Dirk Matthies für Recht und Ordnung. In meiner Hochzeitsnacht zeigte er mir mit der Enterprise die Unendlichkeit des Weltraums und während der Zeugung unserer Tochter kämpfte ich zusammen mit Käpt`n Ahab gegen Moby Dick. Die Einschulung meines Kindes erlebte ich mit der Feuerzangenbowle, den 25. jährigen Hochzeitstag feierte ich ausgelassen mit der Flambierten Frau. Meine Gattin trennte sich von mir während des Rosenkrieg und zu meinen Gunsten entschieden die Richter Barbara Salesch und Alexander Hold. Fühlte ich mich einsam, rief ich beim Domian an und lauschte im Fernsehen meiner eigenen Stimme.
Seine Beerdigung war als ein feierlicher Akt geplant. Sämtliche Menschen, die ich kannte, sollten kommen, ihm die letzte Ehre zu erweisen. Doch als ich mein Adressbüchlein aufschlug, war es leer. Der Fernseher war mein einziger Freund.
Bürgerreporter:in:Karsten Hein aus Barsinghausen |
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