Verrücktes Blut ! - gar nicht so verrückt ?
400 Besucher im Theater am Spalterhals
Uns wird Schiller gelehrt. Wir sitzen in der Aula des Schulzentrums Barsinghausen und starren auf eine Requisitenfreie Bühne. Leer... bis auf 7 Stühle. Eine faszinierende Inszenierung des französischen Filmes LA JOURNÉE DE LA JUPE soll uns erwarten. Es geht um Integration, Macho-Gehabe, Klassenzimmer, Schiller... soviel wissen wir. Das Stück beginnt:
Eskalation im Klassenzimmer
Es bekommt von Anfang an sofort Tempo. Sprachliche Auseinandersetzungen unter den Schülern in verbalster Ausdrucksform eröffnen das Stück. Es ist laut, alle reden durcheinander, alles streitet... es geht um nichts wesentliches. Auch das auftauchen der Lehrerin und der Unterrichtsbeginn ändert eigentlich nur die Steh- zur Sitzposition. Die Lehrerin versucht verzweifelt ihre Schüler, die aus allen möglichen Kulturen stammen und ständig damit beschäftigt sind schuldige zu finden für ihre Situationen, zu einem Theaterprojekt nach Schillers "Kabale und Liebe" und "Die Räuber" zu überreden, was ihr aber nicht so recht gelingen mag.
Sie führt einen zermürbenden Kleinkrieg im Umterricht mit Schülern aus sozialen Brennpunkten, gegen die Null-Bock-Mentalität, Handygequatsche, pöbeleien und typisch großkotzigem Macho-Gehabe. Als bei einer Rangelei plötzlich eine Pistole aus dem Rucksack eines Schülers fällt, schlägt plötzlich ihre Stunde. Sie zögert nur kurz und nimmt die Waffe an sich.
Verücktes Blut
Sie nimmt ihre Schüler kurzerhand als Geiseln. Mit der Pistole in der einen und dem Reclamheft in der anderen Hand kann sie Disziplin und Respekt einfordern. Sie zwingt ihre Schüler, für die nichts öder ist als Schriftsprache und Dichtung, Schiller zu spielen. Trotz unterschiedlichster kultureller und sozialer Hintergründe erkennen sie auf einmal, dass Schillers Dramen sozialen Sprengstoff enthalten und Themen behandeln, die einen relevanten Bezug zu ihrer eigenen Lebenswirklichkeit haben: Geht es in Kabale und Liebe doch um Ehrenmorde, und handeln Die Räuber doch von der ohnmächtigen Wut der Ausgegrenzten? Eine bestürzende Intensität erreicht das Stück durch die kluge Gegenüberstellung von Slangsprache und der klassischen Schillersprache.
Am Ende siegt bei allen die Einsicht und Vernunft und selbst als die Schüler die Waffe in die Hand bekommen kann und weiß damit niemand mehr so richtig was anzufangen.
Requim:
Die knapp 400 Besucher waren von dieser faszinierenden Inszenierung sehr berührt. Minutenlanger Applaus und längeres Verweilen nach der Vorstellung mit vielen kontroversen Diskussionen sorgten für Bestätigung. Mehr davon - bitte!