Reisebericht Motorrollertour
Motorrollertour Oberallgäu und Bregenzer Wald
Das Oberallgäu hält für jeden etwas bereit: Sanftes Bergland, schroffe Felsformationen, weite Täler mit malerischen Almwiesen und dazu jede Menge Straßen und Sträßchen zum Kurvenwedeln. Da steigt man abends zufrieden vom Motorroller.
Lederhosengaudi im Oberallgäu und Bregenzer Wald
Die Sonne schaut zögernd über die Gipfel des Allgäuer Hauptkamms herab. Vor uns liegt ein unvergleichliches Panorama auf das Illertal. Der Motor meiner 600er Honda Silver Wing erwacht mit einem sonoren Brummen zum Leben.
Kurz hinter Bolsterlang-Sonderdorf biegt das Sträßchen von der Breite eines geteerten Feldwegs auf die Landstrasse OA 9 ab. Die Riedberg-Passstrasse führt von Obermaiselstein im Osten nach Hittisau an der Grenze zu Vorarlberg/Österreich, im Westen (und natürlich auch umgekehrt ;-). Das Teerband zieht sich entlang der Schönberger Ache windungsreich stetig bergan. Es gilt, bis zu 16 % Steigung zu überwinden. Sehr gut ausgebaut und mit hervorragendem Asphalt versehen ist hier eigentlich entspanntes Dahingleiten angesagt, aber die Strecke gilt als Unfallschwerpunkt für Motorradfahrer. Wir haben Glück; heute sind kaum Motorräder und Pkws unterwegs. Die Strasse gehört uns. Immer wieder eröffnen sich uns weite Ausblicke auf die saftigen Bergwiesen der Hörnergruppe - auf das Riedberger Horn (1.787 m) im Nordwesten, die Felsenmauer des Besler (1.679 m) im Südosten, den Schafkopf (1.627 m) im Süden und auf den Wannenkopf (1.712 m) im Nordosten. Kurz vor dem Scheitel durchfahren wir die einzige Kehre der Strecke und erreichen kurz darauf die Passhöhe. Mit einer Höhe von 1.407 m ist der Riedbergpass der höchste deutsche Alpenpass. Eine kurze Stichstrasse zweigt zur Grasgehren-Hütte ab, die noch etwas höher liegt. Der Blick geht hinunter ins Balderschwanger Hochtal - traumhaft. Erst wenige Kilometer unterwegs ist es leider noch zu früh für einen Boxenstopp oder eine Brettljause und so wedeln wir lieber die Westrampe talwärts. Glücklich (hoffentlich) grasende Rinder, Sennalpen und kleine Gebirgsbäche gleiten an uns vorbei. Hinter den wenigen Häusern des Weilers Schlipfhalden quert die Straße die Grenze nach Österreich und verliert sich in den Ausläufern des Bregenzer Waldes. In der Marktgemeinde Egg drücke ich die Silver Wing südwärts. Kleine Nebenstrassen führen uns in den „Mellauer Talkessel“. Der Grat des „Dornbirner First“ zieht sich hier wie ein Querriegel durch den Bregenzer Wald. Entlang den tosenden Wassern der „Bregenzer Ache“, in Sichtweite der steil abfallenden Felswände des mächtigen Bergmassivs der Kanisfluh (2.044 m), lasse ich auf der B 200 kurz die Gashand spielen und biege dann nach Norden ab. In Schnepfau, auf einem Sattel zwischen Gopf,- (1.316 m) und Hirschberg (1.500 m) gelegen, beginnt die enge Strasse, welche das Tal der Bregenzer Ache mit dem Örtchen Bizau verbindet und uns hinauf zur „Schnepfegg“ (891 m) führt.
Nur einspurig und mit wenigen Ausweichmöglichkeiten versehen, ist sie eindeutig ein Genussweg. Im Berggasthof „Kanisfluh“, mit traumhaftem Panorama-Blick auf die Bergwelt des hinteren Bregenzerwaldes, nehmen wir die Gelegenheit wahr, Kalorien aufzutanken. Der Himmel ist aufgerissen und zeigt sich von seiner schönsten Seite. Wir könnten ewig auf der Terrasse des Gasthofs verweilen, doch die Freude währt nur kurz. Wolken schieben sich vor die Sonne. Erste Tropfen fallen auf staubigen Asphalt. Die Regenpelle aus den Seitenkoffern geholt, aufgesessen und auf der L28 an den Hängen des Gopfbergs hinunter ins Tal des „Bizauer Baches“. Der weite Talgrund führt uns erneut zur B 200. Örtchen wie Hof, Tuppen und Stiel ziehen vorbei. Die blauen Wasser des Speichers Bolgenach begleiten uns ein Stück. Die Regenwolken haben nur ein kurzes Schauspiel gegeben und so sind wir recht zügig auf dem dunkelschwarzen Asphaltband unterwegs. In Oberstaufen treffen wir auf die „Deutsche Alpenstrasse“. Vorbei am „Großen Alpsee“, schwingen wir auf der perfekten Teerpiste durch eine herrliche Landschaft Richtung Immenstadt (Residenzstadt mit Stadtschloss) und erreichen über Sonthofen wieder unsere Unterkunft, den „Bergbauernwirt“ in Sonderdorf. Bei Schweinsbraten und einer „Schwarze Seele“, ein selbstgebrautes, dunkles Bier, lassen die beste Sozia der Welt und ich den Tag zufrieden ausklingen.
Alm-Feeling
Entspannung ist heute angesagt; mit anderen Worten: keine Tour, nur ein Türchen (oder Tourchen?). Die Ried windet sich über weite Wiesen durchs Tal. Schmal, aber der Belag ist gut. Nach wenigen Kilometern passieren wir den „Hirschsprung“, einen Felseinschnitt, welcher durch die Kräfte des Flusses Breitach entstanden ist. Der Name geht auf eine Sage zurück, wonach ein Hirsch, welcher von einem Luchs verfolgt wurde, einst über diese Schlucht sprang. In Tiefenbach biegen wie zur „Alpe Dornach“ ab. Windungsreich geht es ein Stück durch dichten Tannenwald, dann gibt der Wald auf etwa 1.000 Höhenmetern den Blick auf saftig grüne Wiesen und die Oberstdorfer Bergkette mit ihren „Hörnern“ Nebelhorn (2.224 m), Rubihorn (1.957 m), Geißalphorn (1.953 m), der Höfats (2.259 m), Geißfuß (1.981 m), Schattenberg (1.845 m) sowie vielen weiteren, frei. Kuhglockengeläut, Vögel zwitschern, dazu ein kühles Radler, da stellt sich bei dieser Aussicht echtes Alm-Feeling ein.
Es ist allerdings ein etwas seltsames Gefühl, dass sich wenig unterhalb der Alpe Mitteleuropas tiefste Felsenschlucht erstreckt. Fast 100 m stürzen hier schroffe Felswände in die Tiefe, wo sich die Wassermassen über Jahrtausende hinweg ihren Weg gebahnt haben. So reizvoll es auch wäre, verzichten wir heute mit unserenschweren Motorradklamotten auf einen Marsch durch die schmalen Wege der Breitachklamm.
Wir machen uns stattdessen in die südlichste Gemeinde Deutschlands auf. Entlang den wilden Wassern der Breitach schnurrt die Silver Wing der Marktgemeinde Oberstdorf entgegen. Der nur einen Katzensprung entfernt liegende Ort hat sich seinem dörflichen Charme bewahrt. Ein kurzer Spaziergang durch die Straßen Oberstdorfs mit ihren Jahrhunderte alten Bauernhäusern, eine Leberkässemmel, dann geht es zurück zum Bergbauernwirt. Es sollte ja heute keine Tour, sondern nur ein Türchen (oder Tourchen?) werden.
Eiszeit
Ich hätte heute Morgen einfach nicht aus dem Fenster schauen sollen. Mein Fehler. Das Wetter ist praktisch über Nacht umgeschwungen. Wo sich gestern noch grüne Almen und graue Felsformationen erstreckten sind die Berge weiß gepudert. Der Wetterbericht lässt ebenfalls nichts Gutes erahnen. Regen und ein Temperatursturz auf bis zu 3 Grad. Ideales Tourenwetter sieht anders aus. Nach einem guten Frühstück fällt die Entscheidung. Wir brechen ab, wenn auch schweren Herzens. Also Koffer packen, bezahlen und die Silver Wing auf dem Trailer verzurren. Im Netz habe ich schnell eine neue Unterkunft im Süden gefunden. Morgen verlegen wir nach Norditalien in die Nähe von Turin, aber das ist eine andere Geschichte.
Wie es weiter geht und Videos, GPX-Dateien und mehrere Bildergalerien findet ihr auf meiner Homepage. Viel Spass !!
Bürgerreporter:in:Ralf Beelitz aus Nettetal |
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