Der kleine Drache Benito
Vor sehr, sehr langer Zeit wohnten viele Drachen auf Mallorca. Eines Tages hatte der König der Drachen „Aristoflex“ die grandiose Idee, einen Ausflug über das Meer zu machen. Ein großer Wald wurde abgeholzt und mit armdicken Tauen ein riesiges Floss gebaut, auf dem 20 Drachenfamilien Platz finden konnten. Bei der Verlosung der Sitzplätze hatte Benitos Familie Glück. So durften er und seine hübsche Schwester Zita mit ihren Eltern ganz vorne sitzen. Benito war ein sehr lebhafter Drachen- Junge, er jauchzte und spie vor Freude einen Feuerstrahl in die Luft. Die Fische tauchten vor Angst in schwindelnde Tiefen des Meeres, die Möwen jagten wie Raketen grell schreiend in die Höhe, damit ihr Gefieder nicht angesengt wurde. Benito krümelte sich vor Lachen. Es machte ihm einen Riesenspaß, Angst und Schrecken zu verbreiten. Dabei war er mit 6 m Länge der kleinste Drachen an Bord und seine Schwester Zita nahm ihn gar nicht für ernst. Sein stolzer Vater „Beniflex“ konnte bei der letzten Vermessung immerhin 26m Länge vorweisen und er war nur 1m kleiner als Aristoflex, der Drachen- König. Seine sehr schöne Mama Boniflax war mit immerhin 22 Metern die größte Drachen-Dame an Bord. Das Riesen- Floss schaukelte gefährlich, als die Bordkappelle einen Walzer anstimmte. Alle Drachen tanzten ausgelassen und schlugen den Takt mit ihren Horn bedeckten Schwänzen. Und Benito mittendrin. Er musste sehr aufpassen, um nicht erschlagen zu werden. Ach ich vergaß zu sagen, Benito war ein Meister im Versteckspielen. Aus lauter Übermut kletterte er schließlich in ein großes Fass und hatte einen irrsinnigen Spaß, wenn es von einer zur anderen Seite rollte. Ein Gewitter zog auf, ohne dass die Feiernden es rechtzeitig bemerkten. Das Floss wurde von einer Riesenwelle erfasst. Geistesgegenwärtig klammerten sich alle Drachen an der Reling fest. Das Fass, in dem sich unser kleiner Benito versteckt hielt, nahm einen Anlauf, hüpfte fast lautlos über alle Hindernisse in das inzwischen tosende Meer. Welch ein Glück, dass seine Drachen Mutter ihn vor 2 Jahren zum Schwimm- Unterricht geschickt hatte. So hatte er damals das Drachenpferd- Abzeichen erworben. Die Tonne erwies sich als ein lebensgefährlicher Unterschlupf. Sie wurde in dem tosenden Meer hin und her geworfen, und war Spielball des tobenden Wassers. Mit einem gewaltigen Schlag seines Schwanzes konnte sich Benito aus dem engen Gefängnis befreien. Dann schwamm er mit gleichmäßigen Kraulbewegungen auf das Ufer zu und erreichte völlig erschöpft eine Höhle an der mallorquinischen Küste. Durch welchen Eingang er sie erreichte, wusste er nicht mehr. Eine große Welle spülte ihn wie einen Tischtennis- Ball an das dunkle Ufer. Sofort fiel er in einen tiefen Schlaf. Im Traum hörte er die vergeblichen Rufe seiner Eltern. Als er schließlich aufwachte, umfing ihn tiefe und dunkle Nacht. Er rieb sich die Augen und versuchte etwas zu erspähen. Leider vergeblich. Stockdunkle Nacht überall! Erst flüsterte er leise nach seinen Eltern, dann schrie er so laut er konnte. Immer wieder kehrte der Schall echoartig zu ihm zurück. Eiskalte Tropfen verteilten sich gleichmäßig auf seiner Nase und seinen Augen. Er fröstelte und eine Spur von Angst befiel ihn. Schließlich kam ihm als Rettung eine geniale Idee. Er presste einen gewaltigen Feuerstrahl aus seinem Rachen gegen die Decke der Höhle, die plötzlich wie von 1.ooo Kerzen erhellt war. Ein riesiger Raum, indem man eine Kathedrale bequem hätte hineinstellen können, lag vor ihm. Einen Teil des Bodens bedeckte schwarz gurgelndes Wasser. In einem schmalen Riss der Decke, glaubte er den Vollmond zu sehen. Der Feuerschein war kaum versiegt, da entstand quirlendes Leben um ihn herum. Ein endloser Schwarm von fliegenden dunklen Gestalten umkreisten schreiend sein Maul, seinen Rücken- überhaupt seinen ganzen Körper. Sie waren einfach überall und piekten mutig auf ihn ein. Ein schreckliches Körpergefühl! Selbst seinen großen Augenbrauen wurden nicht verschont. Benito versuchte sie mit seinem gepanzerten Schwanz zu schützen. Das war aber keineswegs einfach. Ein Schauer der Angst überfiel ihn. Gedanken der Flucht durchkreisten seinen Kopf. Er erinnerte sich an eine der Biologie- Stunden in der Drachenschule. In Höhlen leben gerne Fledermäuse hatte die strenge Lehrerin erklärt, und die gehen nachts auf die Jagd nach kleinen Beutetieren. Die Königin der Fledermäuse nahm mutig einen kurzen Anlauf und hängte sich an den Rand seiner Nüstern. Sie hatte auf der Fledermaus- Universität unter anderem auch die komplizierte Drachen- Sprache erlernt. Mit heller Stimme begann sie zu sprechen: „Ich bin Nanni, die Fledermaus- Königin. Bist Du von allen Geistern verlassen! Du hättest uns mit deinem Feuerstrahl fast zu Fledermäusen am Grill gezaubert. Das ist unsere Höhle, und Du bist nur ein Gast. Du solltest Dich höflich und nett benehmen, dann können wir Dir vielleicht helfen.“ Benito hörte alles mit Erleichterung und nickte wohlgefällig. Dann erzählte er seine abenteuerliche Geschichte. Alle Fledermäuse hingen kopfüber und artig aneinandergereiht auf seinem Drachenkörper. Er stellte mit Genugtuung fest, dass sie das lästige und weh tuende Picken eingestellt hatten. Seine geschundenen Augen hatten sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt. Die Fledermaus – Königin hing fast gewichtslos an seiner Nase. Benito glaubte sogar, dass sie ihn ab und zu mit ihren Flügel armen streichelte. Es war sehr wohltuend. Er versprach keinen Feuerstrahl mehr gegen die Decke zu senden, um die kleinen Tiere zu schützen. Die Fledermäuse dagegen schlossen den kleinen Drachen in ihr Herz und hätten sich sehr gefreut, wenn er als starker Freund länger geblieben wäre. Aber nach 2 Tagen heulte Benito so erbärmlich, dass alle Mitleid mit ihm hatten. Als Ebbe war, zeigten sie ihm einen geheimen Fluchtweg aus der Höhle. Beinahe wäre der Rettungsversuch gescheitert, als er beim Heraustauchen im Ausgang stecken blieb. Jedoch konnte er sich mit einem Peitschenschlag aus seiner misslichen Lage befreien. Als er schließlich glücklich auf dem Festland neben der Höhle stand, hörte er das laute Rufen seiner Eltern und vieler anderen Drachenfamilien. Glücklich umarmten sie ihn. Sie wunderten sich aber, dass sein Körper mit kleinen Pieks- Wunden übersät war. Benito verriet nicht die Ursache seiner Verwundung. Etwa 2 Monate später konnten seine Eltern es wirklich nicht verstehen, dass gerade er sich zum Geburttag ein Fledermaus- Kuscheltier wünschte. Wenn es dunkel wird, dann erzählen die Fledermäuse die Geschichte von ihrem Freund Benito und der Vollmond lächelt und zwinkert mit seinen Augen
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Dieses Märchen habe ich für meine Enkel geschrieben
Bürgerreporter:in:Werner Jung aus Bad Ems |
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