Walter und Toni Eichhorn: Bad Camberger Meisterpiloten mit neuer „Hardware“ am Kunstflug-Himmel
BAD CAMBERG (jh) -Sie zählen seit vielen Jahren zu den markantesten und konstantesten Erscheinungen am Himmel Deutschlands – und darüber hinaus. Mit ihrem rasanten Formationsflug begeisterten Vater und Sohn Eichhorn aus Bad Camberg Airshow-Besucher zwischen Kiel und Konstanz, Aachen und Eisenhüttenstadt stets aufs Neue. Doch ihr durstiges Fluggerät ist in die Jahre gekommen, war es eigentlich schon zum Zeitpunkt der Anschaffung. Ein Relaunch wäre da eher halbherzig gewesen. Also wurde die „Hardware“ komplett ersetzt. Damit gehört die T6-Ära bei der Eichhorn-Airadventures (fast) der Vergangenheit an.
Die bulligen, 600-PS starken Harvards mit der auffälligen blau-roten Lackierung und dem unverwechselbaren Sound waren das unverwechselbare Markenzeichen der Beiden - optisch wie akustisch. Da gab‘s schon ordentlich etwas auf die Ohren, wenn diese dicken Brummer dicht Seit‘ an Seit‘ im Tiefflug über den Platz bretterten. Der wuchtig-satte Klang der Pratt & Whitney 9 Zylinder-Sternmotorenging durch Mark und Bein. Künftig wird dahingehend, um es in eine Allegorie zu kleiden, nicht mehr mit dem Breitschwert, sondern dem Florett gefochten.
Auf neuen „Pferden“ der Sonne entgegen
Walter und Toni Eichhorn haben die Pferde gewechselt und reiten in der aktuellen Saison erstmals mit zwei niederrheinischenWarmblütern der Sonne entgegen. Mit ihren EA 330-LT setzen die fliegenden Katteker auf ein Qualitätsprodukt „made in Germany“, nachdem alle anderen in Frage kommenden Alternativen, die sich irgendwo zwischen den noch wuchtigeren T-28 Trojan und filigranen, exotischen Experimentals bewegt hatten, nach eingehender Prüfung verworfen worden waren. Und die Zwei sind sich hundertprozentig sicher, eine gute Wahl getroffen zu haben: „Für uns das Non-Plus-Ultra!“ „EA“ steht als Abkürzung für „Extra Aircraft“- und so fliegen die Dinger auch. Der von dem mehrfachen Deutschen Kunstflugmeister Walter Extra geführte Flugzeugwerk in Hünxe, zu dessen Kunden auch Hollywoodgrößen wie John Travolta und Gene Hackmann zählen, ist einer von lediglich zwei noch verbliebenen, unabhängigen deutschen Herstellern von Sport- und Reiseflugzeugen. Die Konstruktionen aus diesem Hause haben die globale Kunstflugszene revolutioniert und dominierten zeitweise weltweit alle Wettbewerbe.
Die Zusatzbezeichnung „LT“ im Typennamen ist die Abkürzung für „Low Wing Turing“. Besagt letztlich nichts anderes, als dass die voll kunstflugtaugliche Maschine, die für Belastungen bis -/ + 10 G zugelassen ist, in Personalunion auch als Reiseflugzeug daher kommt. Das impliziert entsprechend günstige Verbrauchswerte. Die Spritersparnis gegenüber der T-6 beträgt (im Reiseflug) 50 Prozent (!). Während letztere in der Stunde happige 4 Liter Öl durchblies, begnügt sich das Nachfolgermodel mit 0,2 Litern. Das sind schon Argumente. Aber noch wichtigere Kriterien waren Handling und Performance. Um eine der 2,4 Tonnen schweren Harvards aus dem Hangar zu ziehen, bedurfte es mehrere gestandener Helfer. Dagegen ist die Extra ein Fliegengewicht. Ihre 690 Kilogramm lassen sich stehend freihändig mit einem Arm bewegen.
Ganz neue Möglichkeiten für die himmlische Choreografie
Doch so richtig ausspielen kann die EA ihre Vorzüge in der Luft. Sie geht ab wie Schmitt’s Katz‘ Der genügsame, 315 PS starke 6-Zylinder Lycoming-Motor scheucht die Maschine mit bis zu 200 Knoten (370 km/h) durch die Luft. Dagegen sind bzw. waren die T-6 eher träge. Leicht und dennoch stabil, grell, agil und wendig eröffnen die neuen „Spielzeuge“ den beiden Eichhörnern ganz neue Möglichkeiten. Die himmlische Choreografie ihres Team-Kunstflugs wird künftig weniger von der Masse, denn von der Energie diktiert. Da kann man aus dem Vollen schöpfen, wesentlich flexibler agieren und sich von jetzt auf gleich in die nächste Figur stürzen, anstatt erst mal wieder Anlauf bzw. Schwung holen zu müssen. Die Show wird rasanter, schneller, abwechslungsreicher, packender und dynamischer.
Der frühere Dezibel-Bonus bleibt dabei natürlich etwas auf der Strecke. Gegen die US-amerikanischen Welktkriegs-II-Trainer mit ihrem wummigen, röhrenden „Fahrgeräusch“ nehmen sich die „Extras“ fast schon wie Leisetreter aus, selbst wenn sie, wie man es sich angewöhnt hat, bei Vorführungen mit höherer Drehzahl als eigentlich notwendig geflogen werden. „Man kann nicht alles auf einmal haben“, räumen Vater und Sohn ein. Wett gemacht werde dieses vermeintliche Manko durch ein deutlich besseres Leistungsspektrum. Bei der Lackierung hingegen gab‘s keinerlei Kompromisse. Da könne man drüber streiten, aber es sollte schon auf den ersten Blick ersichtlich sein, dass es sich hier um Eichhorn-Flugzeuge handele.
Perfektionisten, die nie mit sich zufrieden sind
Der Musterwechsel erforderte von den Piloten ein elementares Umdenken, wenngleich sich das neue Programm zunächst noch etwas an das aus der T6-Ära anlehnt, aber sukzessive modifiziert wird. Da gibt es viele innovative Veränderungen in Tempi und Dramaturgie bzw. wird es noch geben. Einen ersten Eindruck davon konnten Mitte Mai die Besucher der Airshow im sächsischen Großenhain gewinnen, aber auch in Krefeld, Kirberg, dem Siegerland-Flughafen und auf bzw. über der Hahnweide lässt sich das Vater-Sohn-Tandem in diesem Jahr noch etwas tiefer in die Karten schauen. „Aber das ist immer noch nicht das Endprodukt“, dämpft Toni Eichhorn allzu hohe Erwartungen. „Wir werden wohl noch über Monate hinweg an neuen Elementen unserer Show feilen müssen“.
Er und sein „alter Herr“ sind Perfektionisten und selten auf Anhieb mit sich selbst und ihrem Programm zufrieden. Überhaupt bedeutet Aero-Akrobatik dieser Provenienz „Work in Progress“ – wobei ein finaler Abschluss eigentlich nie erreicht wird. Mehr oder weniger ständig, gerade auch während der laufenden Saison, wird Neues ausprobiert, werden neue Manöver und Kombinationen an- und ausgetestet, oder, zwecks einer eingehenderen praktischen Vertiefung, für später im virtuellen Reminder vorgemerkt.
Viel Zeit für Hund Willi, neben der Fliegerei des Juniors zweite große Liebe, bleibt da nicht. Toni Eichhorn (41) hat sein Hobby zum Beruf machen können, verdient sich seine Brötchen als Lufthansakapitän und pilotiert als solcher aktuell einen Airbus A 320 durch die Lüfte. 14.000 Flugstunden auf den unterschiedlichsten Mustern hat er inzwischen auf dem Buckel. Die väterlichen Gene kann er nicht verleugnen. Sein Herr Papa, vor der Pensionierung ebenfalls als LH-Käpt’n Jahrzehnte lang rund um den Globus unterwegs, gilt inzwischen schon als Luftfahrtlegende. Ihm eilt der Ruf voraus, jede Maschine fliegen zu können, die sich bei Drei nicht im Hangar versteckt hat.
Mit 76 dreht der „Stifftekopp“ noch mal richtig auf
Weltweit gibt es übrigens keinen Piloten mit mehr Flugstunden auf der legendären Me 109. Dokumentiert ist dieses enge Verhältnis zwischen Mensch und Maschine auch durch zahlreiche Kinofilme, an denen Walter Eichhorn mitgewirkt hat, so u.a. in „Memphis Belle“, „Peaceof Cake“ und zuletzt „Operation Walküre“ mit Tom Cruise. Mitseinen 76 Lenzen denkt der „Stifftekopp“ aus Bad Camberg noch lange nicht ans Aufhören. Die Fliegerei hat ihn fit gehalten. Und die Nummer mit den neuen „Extras“ ist jetzt noch mal eine echte Herausforderung.
Aber so ganz mochte die „graue Eminenz“ doch nicht mit der Vergangenheit brechen. Von seiner geliebten „Foxtrott-Hotel-Golf-Kilo“, die auf fast genauso viele Betriebs- und Lebensjahre Jahre zurückblickt wie er selbst, hat sich Walter Eichhorn nicht trennen können. Die „olle“ T6 ist und bleibt gleichberechtigtes Mitglied im Eichhorn’schen „Fuhrpark“ und wird nach wie vor, mitunter im genmischten Doppel Fläche an Fläche mit ihrer Nachfolgerin, auf Flugtagen und für Passagierflüge eingesetzt.
Ein kleiner visueller Vorgeschmack auf die neue Show hier: https://vimeo.com/70681089