Ein Eisregen, der es in sich hatte

Was war das nur für ein scheußliches Wetter, das am 30. November des Jahres 1988 seine klammen und eisigen Finger nach uns ausstreckte, so als wolle es uns alle auf seine Kraft aufmerksam machen, alle Pläne durchkreuzen oder der kränkelnden DDR gar den Todesstoß versetzen...

Die Temperaturen bewegten sich um den Gefrierpunkt und sanken bisweilen auch etwas tiefer in den Keller. Dieses Winterwetter setzte sich tagelang so fort, so daß der Frost in den Boden eindringen konnte, um ihn spröde und hart zu machen, ihn quasi auf möglichen Schnee vorzubereiten.

Nichts Außergewöhnliches also, wenn da nicht die warmen Temperaturen in den oberen und die kältere in den unteren Luftschichten gewesen wären, die den Niederschlag in Eisregen verwandelte. Niederschlag, der den gesamten mitteldeutschen Raum bald in eine wahre Eisarena verwandelte, so als hätte ein mächtiger Glasermeister den Auftrag erhalten das ganze Land mit einer gläsernen Schicht zu überziehen.

Die Meteorologen hatten gewarnt, diese scheinbare Laune wohl erkannt, doch keiner konnte die Tragweite dessen vorausahnen, was in der Nacht vom 29. zum 30. November bis in die Vormittagsstunden hinein geschah:

Straßen und Plätze, Autobahnen und Gehwege, Häuser und Bäume einfach alles was von dem eisigen Regen erreicht werden konnte, bekam eine Eisschicht verpaßt, die sich gleichsam einer Parkettversiegelung glasklar auf alle diese Dinge legte, um sie wie von Zauberhand erstarren zu lassen.

Das Chaos war in den Nacht- und Morgenstunden des 30. November perfekt.

Stehende PKW rutschten wenn sie an einer abschüssigen Stelle standen (ohne fremdes Zutun) ganz einfach in den Straßengraben.

Der gesamte Verkehr auf Straße und Schiene kam zum erliegen, Krankenwagen und Polizei gelangten nicht an die Orte der Verunfallten.

Telefon und Energieleitungen konnten die Last des Eises nicht mehr tragen und rissen wie Zwirnsfäden.
Auch die wie eingeschweißt wirkenden Äste der Bäume mußten ohnmächtig vor dem Naturereignis kapitulieren und viele von ihnen krachten berstend und splitternd zu Boden.

Der wirtschaftliche Schaden war kaum zu beziffern. Nichts ging mehr.

Kaum ein Mensch hatte dieses Wetter verstanden geschweige denn erwartet. Dennoch es galt für die Menschen mehr schlitternd als laufend, den glänzenden frostversiegelten Bürgersteig zu überwinden oder die Panzerung des wie in einer Zwangsjacke steckenden Autos mittels auftauen zu sprengen, und wenn auch mit großen Verspätungen, doch irgendwie auf Arbeit zu kommen.

copyright©2011 by Andreas A.F. Tröbs

Bürgerreporter:in:

Andreas Tröbs aus Bad Bibra

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