Aus einem langen Leben berichtet - Onkel Herbert

Als mein Onkel, der heute in Oranienburg wohnt, seinen 90.Geburtstag beging, überraschte er uns mit seinen "Memoiren". In dutzenden Schnellheftern fanden wir seine Aufzeichnungen. Das verwendete Schreibpapier lässt die Zeit erahnen, wann die Kladde entstanden ist. Manchmal sind es die Rückseiten schon beschriebener Blätter, manche liniert, kariert oder einfach weiss und grau. Ich habe mich angeboten, alles in die "Maschine" zu schreiben, die Maschine ist heute der PC und eine Datei. Weil manche Begebenheiten aus seinem ereignisreichen Leben interessant sind, möchte ich das heute beginnen zu veröffentlichen. Namen sind geändert, Orte aber nicht.

Viel Nachdenkliches oder auch Vergnügliches ist zu lesen.

Herbert, der Hellseher

Ende April 1947 kam ich als Lehrgangsteilnehmer im Berufsschullehrgang unter, nachdem ich in der Landbauschule Neugattersleben nicht mehr den Anschluss fand. Es musste die Zeit von Januar bis April (fast der halbe Lehrgang) aufgeholt werden.
An einem Freitag hatte ich mich stundenlang nach Prof. Dr. N. durchgefragt. Gegen 16 Uhr fand ich sein Büro. Ohne Schwierigkeiten, nach einem kurzen fachlichen Gespräch, war ich Lehrgangsteilnehmer. Ich bekam Lebensmittelkarten für Halle, Zimmerzuweisung und Aufenthaltsbescheinigung für die Zeit bis Ende August.

Da der Lehrgang schon seit dem 1.4.1947 lief, war ich der 49. Teilnehmer. Professor N. übergab mir die Teilnehmerliste, die gleichzeitig als Dokument für die „Staatliche Versicherung“ galt, als Krankenversicherung und Unfallversicherung. Jeder Teilnehmer sollte da unterschreiben. Die Liste enthielt Vorname, Name, Geburtstag, Wohnort, ledig oder verheiratet.

Kurz vor 20 Uhr fand ich mein Quartier. Da ich mit dem Fahrrad unterwegs war, ging alles schneller. Erst Montag früh wurde der Lehrgang fortgesetzt, weil die „alten“ Teilnehmer eine Exkursion machten. Also hatte ich viel, viel Zeit. Was machte inzwischen, ich lernte die Liste mit den 48 Namen usw. auswendig. Sonntagabend hatte ich die Namen, Geburtstage, Wohnorte und Familienstände alle im Kopf.

Zwei Wochen später machte der Lehrgang in einem Stadtrandlokal ein „Frühlingsfest“. Bei dem Durcheinander kam mir die Idee, meine Kenntnisse anzuwenden. Ich setzte mich an einen beliebigen Tisch, stellte mich vor und sagte, wenn mir entweder Vorname oder Name oder Geburtstag usw. genannt würden, könnte ich die anderen Daten voraussagen. Ich zog als Hellseher von Tisch zu Tisch, es klappte zu 90%, der Rest war zu besoffen und nicht zurechnungsfähig.

Diese Kenntnisse verwertete ich später nicht in Pausen oder Ausfallstunden, aber ich hatte mir dadurch einen Namen gemacht und hieß für die Lehrgangsdauer Herbert, der Hellseher. Erst als 1949 der 2. Teil des Lehrganges lief, lüftete ich mein Geheimnis für einen kleinen Teil der Teilnehmer.

Fortsetzung folgt

Bürgerreporter:in:

Gisela Ewe aus Aschersleben

following

Sie möchten diesem Profil folgen?

Verpassen Sie nicht die neuesten Inhalte von diesem Profil: Melden Sie sich an, um neuen Inhalten von Profilen und Orten in Ihrem persönlichen Feed zu folgen.

7 folgen diesem Profil

1 Kommentar

online discussion

Sie möchten kommentieren?

Sie möchten zur Diskussion beitragen? Melden Sie sich an, um Kommentare zu verfassen.

add_content

Sie möchten selbst beitragen?

Melden Sie sich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.