Glockengeläut durch Handbetrieb
Wir sind es heute in unserem Alltag gewohnt, das vieles elektronisch betrieben wird. Daher ist es schon außergewöhnlich, wenn die Glocken einer Kirche noch per Muskelkraft in Schwingung versetzt werden.
Heute traf ich etwa fünf Minuten vor 17.00 Uhr bei der Jakobuskirche in Kleinseelheim ein. Nach ein paar Minuten betrat Herr Emmerich durch das eiserne Tor den Kirchhof und ging auf die Kirchentür zu. Gemeinsam betraten wir die Kirche und Herr Emmerich ging zu den Glockenseilen, die vom Kirchturm in das Kircheninnere herunterreichen. "Ein paar Sekunden warten wir noch" sagte er und nach einem erneuten Blick auf seine Armbanduhr ergriff er das Glockenseil und begann das Läuten der Zeitglocke. Die Zeitglocke wird täglich um 10.00 Uhr und um 17.00 Uhr geläutet. Diese Arbeit teilen sich Herr von Chmielewski und Herr Emmerich. An Sonn- und Feiertagen, bei Hochzeiten und Beerdigungen werden auch die "Vater unser" Glocke und die große Glocke geläutet und hierbei helfen Frau Emmerich und die Küsterin Frau Lauer. Die Glocken der Kleinseelheimer Kirche werden auch heute noch per Muskelkraft betrieben, da die Statik des Kirchturms ein elektronisches Glockengeläut nicht zulässt. Frau Lauer konnte berichten, das beim Läuten aller Glocken manchmal sogar die Leuchter in der Kirche wackelten. Nachdem im Jahr 2007 jedoch Verstärkungen im Kirchturm und in der Kirche angebracht wurden, sei dies nicht mehr vorgekommen.
Die Kleinseelheimer Jakobuskirche wurde in der Mitte des 16. Jahrhunderts erbaut, 1691/92 um den Choranbau erweitert und im Jahr 1759 konnte die Orgel angeschafft werden. Bei einer Erweiterung der Kirche im Jahre 1905 wurde das Taufbecken aus der Kirche entfernt und auf dem Kirchhof aufgestellt. Bei einer gründlichen Renovierung zu Beginn der 70-iger Jahre des letzten Jahrhunderts, hat das Taufbecken wieder seinen ursprünglichen Platz in der Kirche zurück erhalten.
Frau Lauer berichtete, das die Zeitglocke und auch die "Vater unser" Glocke in den Jahren 1953 oder 1954 nach Kleinseelheim kamen. Im Kirchturm verblieb während des Krieges nur die große Glocke, so das die Gemeinde für zwei neue Glocken sorgen musste. Während die Zeitglocke aus Hinterpommern stammt und über den Glockenfriedhof in Hamburg nach Kleinseelheim kam, wurde die "Vater unser" Glocke in Sinn gegossen.
Die Kleinseelheimer Kirche befindet sich am Jakobsweg und ist auch ein Teil des Elisabethpfades. Gerade im Jahre 2007, dem Elisabethjahr, hielten zahlreiche Pilger in der Kirche inne und trugen sich auch in dem Pilgerbuch ein. Frau Lauer kann aus dieser Zeit über viele Begegnungen berichten, aber eine hat sie besonders beeindruckt. Es ist die Geschichte einer Frau, die ihren krebskranken Mann 3 Jahre gepflegt hat und im April 2007 ihre Pilgerreise auf dem Elisabethpfad begann. Sie hatte einen Schlafsack, ein Zelt, ein paar Lebensmittel und einige Kleidungsstücke auf einem zweirädrigen Wägelchen, vor das sie sich selbst als "Zugtier" spannte. Über Usedom, entlang der Oder/Neisse-Linie, Görlitz, Sachsen, Thüringen und Eisenach kam sie nach Kleinseelheim. Von hier führte sie der Pilgerpfad weiter nach Marburg und Köln. Frau Lauer war sichtlich beeindruckt von dieser Begegnung und von der Kraft dieser Pilgerin. Zum Abschluss unseres Gesprächs sagte mir Frau Lauer: "Für das Pilgerbuch muss man sich viel Zeit nehmen."
Nach allem was ich gehört habe, ist es sicher noch einmal einen extra Bericht wert.
Das handbetriebene Glockengeläut ist schon etwas außergewöhnliches über das ich gerne berichtet habe und ich hoffe, das es noch recht lange in Kleinseelheim erhalten bleibt und sich immer Menschen finden, die gerne das Läuteamt übernehmen.
Bürgerreporter:in:Hans-Christoph Nahrgang aus Kirchhain |
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