Im Kindergarten ist was los! Ringen, Rangeln, Raufen...ein Projekt im Kindergarten Griesbeckerzell
Als unsere Kinderpflegerin Stefanie Winter mit einer neuen Projektidee von einer Weiterbildung zurückkehrte, bekamen wir erst einmal große Ohren. „Ringen, Rangeln, Raufen“ mit den Vorschulkindern wollte sie ausprobieren und unsere Gedanken kreisten wohl eher um zukünftige Schlagzeilen wie „ U-Bahnschläger bereits im Kindergarten professionell ausgebildet“ oder „Wie aus Kindern echte Kämpfer werden“.
Doch weit gefehlt! Steffi überzeugte uns genau vom Gegenteil. Gerade in einer Zeit, in der unsere Kinder meist überbegluckt und gewalterprobungsfrei mit gutgemeinten Müttersprüchen wie „Nein Max, das tut dem Felix weh!“ oder „Lena, nicht schubsen!“ aufwachsen, hat unser Nachwuchs kaum mehr die Möglichkeit, an der eigenen Person zu erfahren, wann es denn genug ist. Aber auch „Nein-Sagen“ will gelernt sein, um dem anderen ganz klar Grenzen aufzeigen zu können.
Wer jetzt glaubt, dass nun eine Horde wild tobender, kampfeslustiger Kinder in den Turnraum des Griesbeckerzeller Kindergartens stürmt, irrt.
Ganz gesittet in Zweierreihe laufend versammeln sich die Mädchen und Jungs, mit Kinderpflegerin Steffi im Raum und nehmen artig auf einer Bank Platz. Ebenso geordnet funktioniert dann der Aufbau der Matten und ich frage mich, warum das daheim bei uns beim Aufräumen nicht genauso klappt.
Bevor die Kids nun in den „Ring“ dürfen, spricht Steffi mit ihnen zunächst die vier Regeln durch.
1. Es gilt das Prinzip der Freiwilligkeit bei der Partnerwahl! Will ein Kind mit einem anderen Kind auf die Matten, so fragt es dieses:“Willst Du mit mir raufen?“ Selbstverständlich darf das gefragte Kind auch gerne „Nein.“ sagen.
2. Bevor gerangelt wird, begrüßen sich die Partner mit Handschlag und verbeugen sich.
3. Wenn etwas unangenehm wird oder ein Partner nicht mehr möchte, dann beendet ein laut gerufenes „STOPP!“ sofort das Ringen.
4. Zum Schluss wird der Respekt gegenüber dem Partner nochmals mit einem Handschlag und einer Verbeugung bekundet.
Doch die Kids wissen noch viel mehr! Es darf nicht geschubst, gebissen, gekratzt, gezwickt, geboxt werden,…kurz und gut: alles was weh tut, ist verboten!
Dafür darf man miteinander rumrollen, zupacken, festhalten, verschiedene Haltegriffe ausprobieren, Stärke zeigen oder z.B. auch die Stimme einsetzten. Allerdings: Anfeuern der Partner ist verboten!
Endlich ist es soweit! Die zierliche Claudia ist als Erste an der Reihe und darf sich einen Partner auswählen. Sie sucht sich die wesentlich größere Lara aus, welche begeistert aufspringt. Nun kommt auch Steffi´s riesige Sanduhr für die nächsten 5 Minuten zum Einsatz. Ganz routiniert reichen sich die Beiden die Hände und verbeugen sich kichernd voreinander, bevor sie zaghaft versuchen, die jeweils andere von der Stelle zu schieben.
Während ich so bei mir denke:“Na, mit Ringen, Rangeln oder Raufen hat das aber noch nicht viel zu tun.“ beginnt das Spiel an Dynamik zu gewinnen. Die ersten Hemmungen sind verschwunden und die beiden Mädels fangen an, sich herum zu rollen, auf den Boden zu drücken und sich aus der Unterdrückung zu befreien. Das Wort „Stopp!“ fällt kaum, denn trotz der Rangelei und des Kräftemessens spielt sich das Ganze vollkommen aggressionslos ab. Kein Wunder! Es geht hier ja auch nicht um Gewinnen oder Verlieren, sondern z.B. darum, eigene Stärken zu erkennen, Standpunkte zu vertreten oder Empathie zu entwickeln.
Aus der Puste aber gut gelaunt bedanken sich Julia und Lara beieinander und ein weiteres Team darf auf die Matten.
Was passiert, wenn ein Partner gegen die Regeln verstößt, bekomme ich gleich in der nächsten Gruppe präsentiert. Max hat mit dem Fuß getreten und bekommt sofort von Steffi die rote Karte gezeigt. Und wie wir dies vom Fußball her kennen, war´s das für den Spieler für dieses Match. Und nun lerne ich noch einen weiteren Aspekt dieses Projekts kennen, nämlich der Erwerb von Frustrationstoleranz. Denn auch wenn Max weiß, dass er gegen die Regeln verstoßen hat, ruhig am Rand sitzen zu müssen will er dennoch nicht so sang- und klanglos hinnehmen. Unter Tränen protestiert er gegen die Auszeit, doch Steffi bleibt konsequent und lässt sich auf keine Diskussion ein. Und ich mache mir gleich mal für meine eigene Erziehungspädagogik einen Merker.
Bevor es in die Abschlussrunde geht, bekommen die Kinder von Steffi ein Feedback darüber, was sie heute gut gemacht haben und in welchen Bereichen sie sich gerne noch mehr zutrauen dürfen.
Eine Übung wie Pizzabacken, Waschanlage, Abklopfen usw. läßt die kleinen Ringer wieder zur Ruhe kommen und mit Sicherheit können alle kaum den nächsten Freitag erwarten.
Für mich als Mutter war das Ganze ein imposantes und lehrreiches Erlebnis und ich würde mich freuen, wenn in Zukunft noch mehr Einrichtungen das Angebot anbieten würden, um Kinder zueinander zu bringen, sie in Bewegung und schließlich zu sich selber zu bringen.
Das ist echt ein netter Bericht zum Ringen, Rangeln, Raufen im Kindergarten. Mich freud es, dass immer mehr Kindergärten erkennen, das das Ringen und Raufen bei Kindern ein natürlicher Spieltrieb ist und bei pädagogischer Anleitung nichts mit Gewalt zu tun hat. Habe darum auf meiner Homepage www.ringen-owl.de unter der Rubrik "Ringen im Kindergarten" auf euren Bericht verwiesen.
Gruß Uwe Heidler