"Es gilt, die Stadtentwicklung weiter voranzutreiben": Ein Interview mit Bürgermeister Klaus Habermann

Das Stadtoberhaupt bei der Verabschiedung des evangelischen Pfarrers Winfried stahl | Foto: Stadt Aichach
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myheimat: Herr Habermann, die Corona-Pandemie wirkt sich – wie nicht anders zu erwarten – auch auf die finanzielle Situation der Kommunen aus. Die Zuführung vom Verwaltungshaushalt an den Vermögenshaushalt sank – im Vergleich zum Vorjahr – fast um die Hälfte. Die Nettoneuverschuldung liegt für das Jahr bei knapp zwei Millionen Euro. Müssen sich die Aichacher*innen insgesamt darauf einstellen, dass künftig etwas „kleinere Brötchen“ gebacken werden müssen?

Habermann: Das hoffe ich doch nicht. Wir haben das erste Corona-Jahr 2020, auch dank staatlicher Unterstützung, recht ordentlich hinbekommen und wir liegen für 2021 auch weitgehend im Plan. Aber natürlich: „Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!“

myheimat: Die Finanzplanung sieht für die Jahre 2022 bis 2024 weitere Kreditaufnahmen vor. Können Sie denn zum jetzigen Zeitpunkt schon ungefähr abschätzen, inwieweit die Folgen der Coronakrise die finanziellen Handlungsspielräume der Stadt dauerhaft einschränken werden?

Habermann: Mir macht ehrlich gesagt weniger Corona Sorge, als vielmehr die steigenden Preise im Bau- und Energiebereich sowie die allenthalben erkennbaren Materialverknappungen. Das könnte auf Dauer der Wirtschaft weh tun.

myheimat: Trotz Coronakrise sind Investitionen in gewisse zukunftsträchtige Bereiche notwendig. Welche Politikfelder stehen auf Ihrer Prioritätenliste ganz weit oben?

Habermann: Wir investieren aktuell stark in den Bereichen Wasser und Abwasser, aber auch unsere 180 km städtischer Straßen sind eine echte Herausforderung. Dazu natürlich das Thema Kinderkrippen und Kindergärten, wo wir gerade für 8 neue Gruppen planen. Und dann gilt es natürlich auch die Stadtentwicklung weiter voranzutreiben - Stichwort Untere Vorstadt.

myheimat: Für das Jahr 2021 kündigten Sie an, „auf der Bremse bleiben“ zu wollen, was die Ausgabenpolitik der Stadt anbelangt, gleichzeitig verwiesen Sie aber auch darauf, dass man wichtige Zukunftsprojekte wie die Untere Vorstadt, San-Depot und das Neusa-Gelände „nicht aus den Augen verlieren dürfe“. Auch der Erweiterungsbau des Verwaltungsgebäudes zähle dazu. Welche konkreten Zukunftsaussichten haben denn all die genannten Projekte?

Habermann: Natürlich müssen wir all das weiter unbedingt im Fokus behalten und so weit vorantreiben, dass wir dann ganz schnell loslegen können. Aber natürlich muss das alles auch finanzierbar sein. Aber manchmal wird man ja noch kreativer, wenn man sich nach der Decke strecken muss!

myheimat: Wie steht es um die in die Jahre gekommene Kläranlage der Stadt Aichach?

Habermann: Die werden wir schrittweise ertüchtigen müssen. Erstens, weil Teile davon - wie beispielsweise der Faulturm - vor 25 Jahren nicht neu gebaut worden sind und zweitens, weil wir mit 35.000 Einwohnergleichwerten jetzt die Grenze erreichen. Wir brauchen, weil wir ja wachsen, eine Erweiterung der Kapazitäten!

Habermann: Das Projekt hängt natürlich ganz eng am Erweiterungsbau unseres Verwaltungsgebäudes. Erst wenn wir aus dem Verwaltungsgebäude II umziehen können, kann da was passieren.

myheimat: Ein städtebaulich sensibler Bereich befindet sich westlich der Stadtpfarrkirche. Stadtplaner Werner Dehm vom Büro Opla legte dafür einen Entwurf vor, der den von Stadtvillen geprägten Charakter erhält und eine verträgliche Nachverdichtung ermöglicht. Wie geht es mit diesem Projekt nun weiter?

Habermann:
Wir legen da aktuell einen Bebauungsplan auf, um diesen wirklich prominenten und sensiblen städtebaulichen Bereich möglichst so zu erhalten, wie er ist. Leider bedeutet die ja grundsätzlich sinnvolle Nachverdichtung zuweilen auch, dass Charme, ja Identität verloren zu gehen droht. Wo möglich, müssen wir das verhindern.

myheimat: Ein umstrittenes Bauvorhaben war bzw. ist das geplante Wohn- und Geschäftshaus von Erol und Senol Duman an der Bahnhofstraße. Wie geht es damit nun weiter?

Habermann: Das Landratsamt hat ja inzwischen den Bau genehmigt, jetzt ist der Bauherr dran. Die Veränderung der einst so harmonischen Bahnhofstraße schreitet voran!

myheimat:
Im Juni lehnte der Stadtrat eine Anfrage für eine 21 Hektar große Freiflächen-Photovoltaikanlage an der B300 bei Unterwittelsbach ab. Welche Argumente sprachen aus Ihrer Sicht gegen einen derartigen Solarpark?

Habermann:
Photovoltaik Freiflächenanlagen sind notwendig, sind aber offensichtlich auch ein gutes Geschäft. Natürlich müssen wir umso mehr darauf achten, dass es hier mit Maß und Ziel vorangeht. Wir arbeiten deshalb an einem Kriterienkatalog, an dem wir uns dann auch im Stadtrat orientieren können. Also Leitplanken schaffen, wo wir solche Anlagen wollen und wo wir dies städtebaulich oder auch sonst ausschließen.

myheimat: Die SPD-Fraktion im Aichacher Stadtrat setzte sich für einen autofreien Oberen Stadtplatz im Bereich zwischen Koppoldstraße und historischem Rathaus ein – probeweise und nur an den Wochenenden. Die Probe-Sperrung sollte von April bis Oktober 2022 in der Zeit von Samstagnachmittag bis Sonntagabend erfolgen. Welchen Charme hat die Idee einer „autofreieren Innenstadt“?

Habermann:
Es geht ja nicht mal um eine komplett autofreie Innenstadt, sondern es geht darum, den Bereich vom Rathaus bis zur Koppoldstraße autofrei zu bekommen. Knapp 1.600 Quadratmeter, aber für alle Stadtplatzbesucher ein Gewinn. Ein kleiner Schritt weg von der autogerechten Innenstadt hin zur Stadt mit noch mehr Aufenthaltsqualität. Ich bin überzeugt: Das wäre ein echter Knaller für Aichach - auch für den Handel! Ein wichtiger Einstieg in das Thema: „Wie müssen Innenstädte der Zukunft aussehen“?

myheimat: Das Jahr 2021 war für Sie ein ganz besonderes. Im Mai durften Sie Ihr 25-jähriges Dienstjubiläum feiern und stiegen damit zum Rekordhalter unter Aichachs Bürgermeistern auf. Können Sie uns in ganz kurzen, prägnanten Worten beschreiben, was Sie an der Stadt und ihren Bewohnern bzw. Bewohnerinnen so schätzen?

Habermann:
Wir konnten in all den Jahren unsere Stadt im positiven Sinne verändern und voranbringen. Die Menschen hier spüren das und genießen das, wie mir immer wieder bestätigt wird. Sie sind hellwach, zuweilen auch konstruktiv-kritisch, aber sehr aufgeschlossen, was Veränderung angeht. Das soll ja nicht überall so sein!

myheimat: Anlässlich Ihres Dienstjubiläums verwiesen Sie darauf, dass es bis zum Ende Ihrer Amtsperiode im Jahr 2026 noch „viel zu tun“ gebe. Welche Projekte wollen Sie bis dahin noch verwirklicht sehen?

Habermann:
Natürlich die Stadtentwicklung mit Hilfe der Städtebauförderung weiter vorantreiben, speziell in der Unteren Vorstadt. Ferner Kinderbetreuung, wo es ja ab 2026 jetzt auch im Grundschulalter einen Rechtsanspruch geben wird. Hier möchte ich auf jeden Fall noch zumindest vorbereitend die Weichen stellen. Und wir brauchen Platz für die Verwaltung, sprich den Erweiterungsbau am VG I. Damit wir auch künftig effizient und bürgernah arbeiten können. Darauf werden die künftigen Generationen im Rathaus und im Stadtrat absolut angewiesen sein.

myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen – wie immer an dieser Stelle – noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Welche Begegnung hat Sie im abgelaufenen Jahr am meisten beeindruckt?

Habermann:
Die Begegnung mit Erzbischof Benjamin Ndiaye aus Dakar (Senegal). Ein mutiger, total geerdeter Geistlicher, der unter wirklich schwierigsten Verhältnissen seine Arbeit macht. Nicht vergessen möchte ich aber auch unsere vielen Ehrenamtlichen vom BRK bis zur Feuerwehr, die unsere improvisierte Corona-Teststation in der Stadtinfo am Stadtplatz am Laufen gehalten und damit den Menschen enorm geholfen haben. Aufrichtig „Vergelts Gott“ dafür!

myheimat: Herr Habermann, vielen Dank für das Gespräch.

myheimat-Team:

Joachim Meyer aus Friedberg

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