„Der Innenstadt täte ein Frequenzbringer sehr gut“
Ein Interview mit Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann
myheimat: Herr Habermann, lassen Sie uns zu Beginn ein wenig über die städtischen Finanzen sprechen. Der Haushalt für 2024 und die Finanzplanung bis 2027 wurde im Stadtrat mit 21:3 Stimmen beschlossen, nachdem der Finanzausschuss das zuvor einstimmig empfohlen hatte. Es wird aber immer schwerer, eine Zuführung vom Verwaltungshaushalt an den Vermögenshaushalt zu erreichen. Die finanziellen Handlungsspielräume werden kleiner. Geld für nötige Investitionen sollte dennoch bereitstehen. Mit 16 Millionen Euro ist das Bauprogramm sehr umfangreich. Lässt sich das alles ohne neue Schulden finanzieren?
Habermann: Wir werden das Jahr 2024 sehr positiv abschließen: mit leichten Mehreinnahmen bei der Einkommensteuer und deutlichen Mehreinnahmen bei der Gewerbesteuer. Das hilft uns in dieser schwierigen Zeit. Und wie auch schon erwartet konnten wir das anspruchsvolle Bauprogramm aus unterschiedlichsten Gründen nicht zur Gänze abarbeiten. Die Einnahmeseite ist von daher nicht das Problem. Aber wir kämpfen mit stark steigenden Ausgaben – speziell auch bei der Kreisumlage, die heute schon höher ist, als unsere Gewerbesteuereinnahme. Es wird schwierig bleiben, aber ich bin zuversichtlich, dass wir es auch 2025 wieder hinbekommen, durchaus auch mal mit Kreditaufnahmen. Warum soll man langfristige Projekte nicht auch langfristig finanzieren?
myheimat: In welchen Bereichen liegen die Schwerpunkte der Investitionen in den nächsten Jahren?
Habermann: Wir werden unsere begonnenen Projekte, wie z. B. Kindercampus und die Erweiterung des Verwaltungsgebäudes, fertigstellen und finanzieren, haben große Projekte zum Hochwasserschutz, z. B. Kulturgraben Griesbeckerzell, und im Kanal- und Straßenbau, z. B. Bahnhofstraße und Schulstraße, vor der Brust und natürlich soll auch die Innenstadtentwicklung weitergehen. Auch in den Ortsteilen stehen noch Projekte an.
myheimat: Das Integrierte städtebaulichen Entwicklungskonzept (Isek) beschäftigt sich mit der Frage, wie Aichach in 15 bis 20 Jahren aussehen soll. Nahezu alle relevanten Themen der Stadtentwicklung werden im Rahmen dieses Planungsinstrumentes verhandelt: von der Mobilität bis zur Nachhaltigkeit. In den Bürgerworkshops stand die Entwicklung bestimmter Areale in der Kernstadt im Fokus: Stadtplatz, Untere Vorstadt, der Bereich von der Alten Mädchenschule bis zur Alten Feuerwehr, SanDepot und das ehemalige Neusa-Gelände. Welche „Isek-Bilanz“ ziehen Sie nun am Ende dieses Jahres?
Habermann: Eine sehr positive! Die Beteiligung der Bürgerschaft war hervorragend und das, was entstanden ist, ist eine richtig gute „Leitplanke“ für die kommende Stadtratsgeneration.
myheimat: Welche Ideen haben Sie persönlich für die genannten Areale in der Kernstadt?
Habermann: Das ehemalige Feuerwehrareal an der Martinstraße sollte baulich genutzt
werden, speziell auch für Einzelhandel. Der Innenstadt täte ein „Frequenzbringer“ unheimlich gut. Und SanDepot und Neusa Gelände könnten teilweise genutzt werden für attraktive Wohnbebauung. Und natürlich sollten Kunst, Kultur und Jugendzentrum weiterhin ihren Platz haben. Ein „städtebaulicher Wettbewerb“ könnte hier kreative Ansätze anstoßen.
myheimat: Bleiben wir noch kurz in Aichachs Innenstadt. Die Geschäftswelt erlebt einen tiefgreifenden Wandel. Traditionsgeschäfte wie das Modehaus Rübsamen oder Sport Anneser mussten schließen. Für das Modehaus wurde mit einem Textilladen eine Zwischennutzung für ein halbes Jahr gefunden. Wie lässt sich das „Ausbluten der Innenstädte“ verhindern bzw. aufhalten?
Habermann: Wir können die Zeit nicht aufhalten, der Internethandel hinterlässt seine Spuren. Wir können nur „punkten“ mit hoher Aufenthaltsqualität und hoher Qualität bei der Kundenorientierung unserer bestehenden Einzelhändler. Und der besagte „Frequenzbringer“ könnte gut helfen.
myheimat: Eine Naturkatastrophe schlimmen Ausmaßes drückte dem Jahr 2024 ihren Stempel auf. Das Hochwasser am ersten Juniwochenende brachte viel Wucht, Zerstörung und kaum gekannte Wassermassen mit sich. Die Fluten waren dreimal so groß wie beim Pfingsthochwasser 1999. Obwohl die Stadt Aichach selbst natürlich auch unter anderem mit Freibad, Franz-Beck-Straße, Bahnhofstraße, Jugendzentrum, Blauem Steg und BCA-Trainingsplätzen betroffen war, kam die Paarstadt noch relativ „glimpflich“ davon. Woran lag das aus Ihrer Sicht?
Habermann: Unser Großprojekt „Hochwasserschutz und Grünzug Paar“ hat sich definitiv ausgezahlt und Schlimmeres verhindert. Schlappe 11 Millionen Euro Investition und verdammt viel Arbeit und Durchsetzungsvermögen haben sich letztendlich gelohnt! Jetzt gilt es schrittweise bei den Gewässern 3. Ordnung weiterzumachen.
myheimat: Deutlich anders sah es in manchen Stadtteilen aus. Das Ecknacher Kinderhaus war massiv betroffen und auch in Klingen machte sich das Hochwasser dramatisch bemerkbar. Die Ecknach wurde zum reißenden Strom und richtete in Blumenthal beträchtliche Schäden an. Welche Maßnahmen müssen nun ergriffen werden, damit man in Klingen für das nächste Hochwasser noch besser gerüstet ist?
Habermann: Ich fürchte fast, wir werden nicht jedes mögliche Szenario abdecken können. Ein Ingenieurbüro wurde beauftragt, uns dazu Vorschläge für Klingen zu unterbreiten. Bloß: die Starkregenereignisse werden immer heftiger und deren örtliches Auftreten oftmals kaum vorhersehbar.
myheimat: Als sozialdemokratischem Politiker ist Ihnen von jeher bezahlbarer Wohnraum ein wichtiges Anliegen. An der Donauwörther und an der Oskar-von-Miller-Straße werden neue Wohnanlagen gebaut. Wie viel Geld investierte die Baugenossenschaft Aichach in diese beiden Projekte und kam am Ende ein erschwinglicher Mietpreis pro Quadratmeter heraus?
Habermann: Die Genossenschaft investiert da mehr als 10 Millionen Euro und es werden 28 Wohnungen entstehen. Natürlich mit Mieten im Sozialen Wohnungsbau, die vermutlich so um die 7 Euro/qm liegen dürften.
myheimat: Die Nachfrage nach günstigem Wohnraum nimmt auch in Aichach deutlich zu. Welche Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang dem „Wohnpark an der Franz-Beck-Straße“ zu?
Habermann: Der könnte natürlich nochmal deutlich Entlastung bringen. Ein Teil der Flächen
ist ja auch für Sozialen Wohnungsbau eingeplant, wir erwarten da so um die 40 Wohneinheiten.
myheimat: Im Stadtrat gab es von der CSU-Fraktion den Vorstoß, dass die Stadt Aichach bei Baulandausweisungen ihren Anteil erhöhen solle. Was halten Sie von diesem Vorschlag?
Habermann: Ich denke, das ist nicht „kriegsentscheidend“. Spannender wird die Frage sein,
ob sich der Kundenkreis, den wir eigentlich unterstützen wollen – speziell junge
einheimische Familien – ob sich der sein „Eigenheim“ künftig noch leisten können wird.
myheimat: Die Vergabe der Bauplätze nach dem Einheimischenmodell hat sich aus Ihrer Sicht bewährt, oder?
Habermann: Unbedingt! Aber natürlich haben die hohen Grundstücks- und Baupreise und die gestiegenen Zinsen die Situation nicht einfacher gemacht.
myheimat: Ein zukunftsträchtiges Politikfeld ist das Thema Energieversorgung. Die Stadt Aichach wird Teil der Paartal-Energie GmbH. Welches Ziel wird mit der Gründung dieser Gesellschaft verfolgt?
Habermann: Wir wollen uns von den großen „Playern am Markt“ etwas unabhängiger machen und neben dem Handel auch die Erzeugung und Speicherung regenerativer Energien vorantreiben. Gemeinsam mit unseren kommunalen Partnern entlang der Paarlinie und mit der fachlichen Expertise und mit der wirtschaftlichen Potenz der ESB „gepaart“ haben wir da beste Chancen.
myheimat: Ein vermeintlich attraktives Angebot hat der Landkreis Dachau dem Landkreis Aichach-Friedberg gemacht. Die MVV-Buslinie 704 wird nun bis nach Aichach verlängert. Die Paarstadt bekommt so einen Anschluss an die S-Bahn nach München. Wie zuversichtlich sind Sie, dass viele Menschen dieses Angebot auch annehmen werden?
Habermann: Eigentlich sehr zuversichtlich! Ich denke, viele träumen schon lange von der S-Bahn nach München, die aber so schnell nicht kommen wird. Die Linie 704 ist ein guter Anfang, auch um den Schritt hin zum ÖPNV zu erleichtern. Das sollte doch klappen. Stichwort „Mobilitätswende“!
myheimat: Nach all den politischen Gesprächsgegenständen – wie immer an dieser Stelle - noch eine persönliche Frage zum Abschluss: Welche Begegnung hat Sie im abgelaufenen Jahr am meisten beeindruckt?
Habermann: Ganz ehrlich: die Begegnung mit Heike Heubach (SPD), der ersten gehörlosen Abgeordneten im Deutschen Bundestag. Ich denke: die kann einiges bewirken!
myheimat: Herr Habermann, vielen Dank für dieses Gespräch.